Die Mädchenhäuser
Was ihr Vater ihr angetan hat, das sagt Emine nicht. Sie nennt es: „Das, was er gemacht hat.“ Vor einem halben Jahr hat sie „das, was er gemacht hat“, nicht mehr ausgehalten und es ihrer Lehrerin erzählt. Die hat sie zur türkischen Sozialberatung der Arbeiterwohlfahrt geschickt. „Da haben sie mir dann die Telefonnummer von der ZUMMM gegeben.“
Die ZUMMM, das ist die „Zuflucht und Unterstützung für Mädchen bei sexuellem Mißbrauch und Mißhandlung“ in Düsseldorf. Seit drei Jahren gibt es das Düsseldorfer Mädchenhaus jetzt – es ist eins von heute etwa 30 in Deutschland. Wenig, viel zu wenig, aber ein Anfang. Emine rief die Nummer an, und traf sich mit einer ZUMMM-Mitarbeiterin, die ihr erklärte, wie ihr Leben in der Zufluchtswohnung aussehen würde. Daß das auch bedeuten würde, daß ihre Freundinnen sie nicht besuchen können, weil die Adresse geheim ist. Und daß sie sich an bestimmte Ausgangszeiten halten und auf jeden Fall pünktlich sein müsse. Das fand Emine okay.
Nach und nach brachte die 18jährige heimlich ihre Sachen in die Schule, wo „alle Bescheid wußten.“ Und am 15. Mai war es soweit: Sie ging nicht mehr nach Hause, sondern zog in ein Zimmer in der ZUMMM. Ein freundliches Zimmer mit hellen Holzmöbeln, eins, daß sie von innen abschließen kann.
Als erstes haben sie Emines Vater angerufen. Den Eltern mitzuteilen, daß ihre Tochter im Mädchenhaus untergebracht ist, dazu sind die Mitarbeiterinnen verpflichtet. „Ich wollte das aber auch selber,“ erzählt das Mädchen. „Ich wollte, daß er weiß, wo ich bin. Und daß ich nicht wiederkomme!“
Emine ist schon volljährig. Wäre sie es nicht, müßte ihr Vater, vor dem sie floh, ihrem Aufenthalt im Mädchenhaus zustimmen. Und wenn er das nicht täte, müßten die Mitarbeiterinnen sich eine einstweilige Verfügung beim Vormundschaftsgericht holen, was normalerweise noch am selben Tag klappt. Wenn sich dann nach einiger Zeit im Mädchenhaus abzeichnet, wie das Mädchen in Zukunft leben will – zum Beispiel in einer betreuten Wohngemeinschaft – dann müssen wiederum die Eltern zustimmen. Tun sie das nicht, entscheidet ein Prozeß beim Vormundschaftsgericht darüber, ob den Eltern das Sorgerecht entzogen werden kann.
Zu fünft sind sie im Moment in der Düsseldorfer Zufluchtswohnung, die maximal Platz für acht Mädchen hat. Es gibt Einzel- und Doppelzimmer, denn „manche Mädchen möchten unbedingt für sich allein sein, und andere sagen: ‘Ich möchte auf keinen Fall alleine schlafen!’“ erklärt Marga Irrek-Dießelmann, Leiterin des Mädchenhauses.
Vieles in der ZUMMM ist wie im ganz normalen WG-Leben: Wenn es zum Beispiel Zoff gibt bei der Frage, welche Musik in den riesigen Ghetto-Blaster im Eßzimmer eingeworfen werden soll. Oder die Reihum-Putzdienste, die ganz offensichtlich funktionieren: Die helle Küche mit der großen Holzsitzgruppe in der Mitte, das Bad und der Aufenthaltsraum mit Fernseher, Couch und Spiele-Schrank sind blitzsauber und aufgeräumt. Die Dienste organisiert Kossa, die Hauswirtschafterin, die auch dafür sorgt, daß die Mädchen mittags ein warmes Essen auf dem Tisch haben.
Den Mädchen so viel normales Alltagsleben wie möglich zu bieten, gehört zum Konzept der ZUMMM. Chaos gibt es im Leben der Bewohnerinnen genug. Diejenigen, die in die Zufluchtswohnung kommen, wurden meist von Vater, Stiefvater oder Bruder mißbraucht oder in der Familie mißhandelt. Oder beides. In der ZUMMM erzählen sie oft zum ersten Mal in ihrem Leben davon. Jedes Mädchen, das den Weg ins Mädchenhaus findet, bekommt eine der sechs Pädagoginnen als sogenannte „Bezugsbetreuerin“. „Mit denen“, sagt Emine, „kannst du über alles reden, echt über alles!“
Mindestens einmal in der Woche setzen sich Betreuerin und Betreute zusammen und besprechen alles, was so ansteht. Das können die Erlebnisse der Mädchen in ihren Familien sein, aber auch Zoff in der Schule oder mit dem Freund.
Zu Beginn der 80er Jahre, als es Mädchenhäuser noch nicht gab, konnten sogenannte „auffällige“ oder „verwahrloste“ Mädchen nur in die traditionellen, geschlossenen Heime. „Das war ganz fürchterlich,“ erzählt Anne Fandré. Die Pädagogin im heutigen Hamburger Mädchenhaus hat damals in einem solchen Heim gearbeitet. „Die Mädchen wurden dann meist von der Polizei gebracht. Die kamen fast immer unfreiwillig.“ Das Heim galt als „Strafmaßnahme“, und was zu Hause vorgefallen war, bevor das Mädchen „auffällig“ wurde, war nie die Frage. Damals war sexueller Mißbrauch noch das „bestgehütete Geheimnis“: „Unsere Versuche, was dagegen zu unternehmen, sind einfach verpufft.“
1983 eröffnete in Hamburg, finanziert vom Landesjugendamt, das erste Mädchenhaus in Deutschland. Die zehn Plätze der neuen Zuflucht waren nach wenigen Wochen belegt. Zur gleichen Zeit starteten Münchnerinnen die „Initiative Münchner Mädchenarbeit“, kurz: IMMA. Die gründet 1985 zunächst den Mädchentreff „Mädchenpower“ und eine Beratungsstelle. So schnell wie möglich will IMMA auch eine Zufluchtstelle für mißbrauchte und mißhandelte Mädchen eröffnen, aber: „Viele Leute haben zuerst gar nicht kapiert, wovon wir überhaupt reden“, erzählt Hannelore Güntner, IMMA-Frau der ersten Stunde. Erst im Frühjahr 1988 eröffnet die zweite Mädchen-Zuflucht in Deutschland die Türen. Sie ist die erste autonome, das heißt: weder, wie das Hamburger Mädchenhaus, eine Einrichtung der Stadt, noch in Trägerschaft eines Wohlfahrtsverbandes. Die IMMA-Zuflucht ist auf Initiative von unabhängigen Feministinnen entstanden – so wie in den folgenden Jahren die meisten Mädchenhäuser.
Es sind auch die Münchnerinnen, die das „Konzept des umfassenden Mädchenhauses“ entwickeln und es 1985 zum ersten Mal den PolitikerInnen vorstellten. Sie fordern: Ein „Mädchenhaus“ darf nicht nur aus einer Zufluchtswohnung bestehen, sondern muß, damit es wirklich gut arbeiten kann, drei weitere „Bausteine“ haben. Erstens: eine Beratungsstelle – dort können viele Probleme im Vorfeld geklärt werden, so daß eine Aufnahme in die Notwohnung manchmal gar nicht mehr notwendig ist. Zweitens: eine betreute Wohngemeinschaft – da können die Mädchen nach der Notwohnung längerfristig bleiben. Drittens: einen Mädchentreff – zur Prävention.
Doch die öffentlichen Zuschüsse fließen meist nur da, wo’s am stärksten brennt, nämlich für die Zufluchtstätten. So gibt es zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen zwar acht Einrichtungen namens „Mädchenhaus“ (meistens Mädchenwohnungen), aber nur fünf Zufluchtstätten in Düsseldorf, Essen, Münster, Duisburg und Bielefeld. In Herford und Gelsenkirchen besteht das Mädchenhaus aus einer Beratungsstelle. Und in Köln bietet der „Verein Mädchenhaus“ nach fast zehn Jahren Beratungsarbeit erst seit September 95 zehn Plätze betreutes Wohnen an.
Zumindest eine, manchmal auch mehrere Mädchen-Zufluchten gibt es mittlerweile in fast jedem Bundesland: In Westdeutschland ist das Saarland die einzige Ausnahme. In Ostdeutschland öffnete im April 93 das erste Mädchenhaus in Erfurt seine Türen, im Sommer dieses Jahres stieß Rostock dazu, und 1997 soll auch Dresden eins bekommen. „Wir sind damals ganz schön vor Wände gelaufen mit unserer Idee“, sagt Katrin Schröder vom „Mädchenprojekt Erfurt e.V.“. „Uns fehlten schließlich 20 Jahre Mädchenarbeit, die im Westen gelaufen ist.“ Die Erfurterinnen steckten viel Energie in Öffentlichkeitsarbeit. „Eine Zeitlang waren wir nur unterwegs und haben Aufkleber in Schulklos gepappt“, erzählt Sozialarbeiterin Schröder.
Inzwischen hat der Verein in Erfurt ein Mädchenzentrum und in diesem Jahr auch eine betreute Wohngemeinschaft eröffnet. Die Einrichtung der Notwohnung haben zur Hälfte das Bundesfrauenministerium und das Land Thüringen bezahlt. Die Unterbringung der Mädchen wird in Erfurt – wie fast überall – über sogenannte Pflegesätze finanziert: Das städtische Jugendamt ist im Prinzip verpflichtet, pro Tag und pro Mädchen einen bestimmten Satz zu zahlen, der etwa zwischen 150 und 300 Mark liegt. So steht es im Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), das die Städte verpflichtet, bedürftige Jugendliche „in Obhut zu nehmen“ und dabei „die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen“. Aber es zwingt die Städte nicht, ein Mädchenhaus einzurichten – ein Gesetz, das die Einrichtung von Mädchenhäusern explizit vorschreibt, gibt es nicht.
Was das Bundesfrauenministerium oder die Bundesländer zahlen, zahlen sie freiwillig. So fördern zum Beispiel Sozial- und Frauenministerium im rot-grün-regierten Nordrhein-Westfalen drei Zufluchtstätten mit jährlich 200.000 Mark. Beim CDU-Bundesfrauenministerium gibt es einen Topf für „Modellprojekte“ in der Mädchenarbeit. Aus dieser Kasse werden das Bielefelder Mädchenhaus und das Mädchenzentrum in Erfurt nur noch bis Ende des Jahres bezuschusst.
Doch oft sind die Mädchenhäuser durch ihre intensive Betreuung kostspieliger als andere Einrichtungen. Und die Mädchen bekommen die Ebbe in den Kassen der Kommunen zu spüren. „Die Entscheidung, ob wir ein Mädchen ins Mädchenhaus zugewiesen bekommen oder nicht, wird beim Jugendamt oft in der Wirtschaftsabteilung entschieden,“ klagt Silke Wilhelms vom Mädchenhaus Bielefeld. „Oder die Mädchen werden nach drei, vier Tagen mehr oder weniger gezwungen, sich zu entscheiden, ob sie zurück in ihre Familie wollen oder in eine andere Einrichtung.“ Wilhelms bitter: „Wir wissen auch von Fällen, wo sich das Jugendamt erst gar nicht an uns wendet und die Mädchen gleich wieder nach Hause schickt.“
Von den elf Plätzen des Bielefelder Mädchenhauses sind heute oft nur noch drei oder vier von Bewohnerinnen belegt. Auch andere Mädchenhäuser klagen über einen „drastischen Belegungsrückgang“. Doch der ist „garantiert kein Indiz dafür, daß es irgendwo weniger Gewalt oder Mißbrauch gibt!“ sagt Marga Irrek-Dießelmann. Den Mädchen mangelt es einfach an Mut, zu kommen. Manchmal schüchtern die Ämter die Mädchen regelrecht ein. „Vor drei Tagen hatten wir so einen Fall. Da hat sich ein Mädchen, das von seinem Stiefvater mißbraucht wurde, ans Jugendamt gewandt. Da haben die gesagt: ‘Weißt du eigentlich, was uns das kostet, wenn du jetzt ins Mädchenhaus gehst?’“ Verschreckt ging das Mädchen wieder nach Hause.
Die Mädchenhäuser fordern deshalb, die Pflegesatz-Finanzierung umzuwandeln in eine jährliche Pauschale, damit sie selbst unbürokratisch über Aufnahme und Aufenthaltsdauer eines Mädchens entscheiden und die Existenz der Zuflucht bekanntmachen können. Denn immer noch wissen viel zu wenig Mädchen, daß es die Möglichkeit Mädchenhaus überhaupt gibt, auch, weil Ämter und Schulen nicht ausreichend darauf hinweisen.
Das hat noch einen zweiten Grund. Die Legende vom „Mißbrauch des Mißbrauchs“ (mit der selbsternannte „Aufklärer“ wie die Journalistin Katharina Rutschky und der Soziologe Reinhart Wolff die Opfer und deren HelferInnen der „Hysterie“ bezichtigen) hat prompt das bewirkt, was sie bewirken sollte: die Einschüchterung der Betroffenen und ihrer Helferinnen. „Da gibt es eine große Unsicherheit in den Beratungsstellen und Angst vor Verleumdungsklagen,“ weiß die Bielefelderin Silke Wilhelms. „Da wird dann noch x mal nachgefragt, ob das jetzt auch alles so stimmt und wo denn der Vater genau hingefaßt hat.“ Folge: Die Mädchen kommen erst gar nicht mehr. „Die ganzen Multiplikatorinnen in den Schulen und Beratungsstellen trauen sich nicht mehr, die Mädchen zu uns zu schicken“, bestätigt die Düsseldorfer Mädchenhaus-Leiterin.
Die Mädchenhäuser stecken in einem Teufelskreis: Die Jugendämter, die die Mädchen selbst immer zaghafter in die Zufluchten schicken, werten den Rückgang der Bewohnerinnen als „fehlenden Bedarf“.
Emine hatte Glück. Ihr glaubten nicht nur ihre Lehrerin, die türkische Beratungsstelle und das Jugendamt, sondern auch ihre Familie und Freunde. Denen hatte der Vater alle möglichen Gründe über Emines Flucht aufgetischt- nur nicht den wahren. „Unsere Nachbarn haben mich gefragt: ‘Warum bist du denn mit deinem Freund abgehauen?’“ Als Emine das hörte, rief sie wütend alle an und erklärte, was wirklich passiert war – auch ihrer Familie in der Türkei. Die will seitdem mit Emines Vater nichts mehr zu tun haben.
„Eine ganz große Ausnahme“, sagt Marga Irrek-Dießelmann. „Meist heißt es dann: Du bist eine Hure, du hast Schande über unsere Familie gebracht!“ Trotzdem wird so ein Mädchen mit allen Mitteln zurück nach Hause gebracht, zur Rettung der „Familienehre“.
„Bei uns ist es die Regel, daß die Mädchen ihren Wohnort wechseln müssen“, erklärt Rosel T. vom „Verein Rosa“ in Stuttgart. Die Zufluchtswohnung mit neun Plätzen ist speziell für türkische Mädchen gegründet worden. Der Anteil der Mädchen aus islamischen Ländern ist in den Mädchenhäusern überdurchschnittlich hoch: Unter den rund 150 Mädchen, die in Zufluchtswohnungen leben, ist nur rund jedes zweite eine Deutsche. Obwohl die rund 360.000 in Deutschland lebenden Türkinnen unter 21 nicht einmal ein Zwanzigstel der deutschen Mädchen im gleichen Alter ausmachen.
Früher als die meisten Mädchenhäuser gab es deshalb spezielle Schutzprojekte für islamische Mädchen: 1985 wurde als erstes „Papatya“ in Berlin gegründet, ein Jahr später folgte „Rosa“ in Stuttgart. Zwei weitere spezielle Zufluchten gibt es in Heidelberg und Mannheim.
Oft ist die Angst vor Zwangsverheiratung oder schlicht eine andere Vorstellung vom Frauenleben ein Fluchtgrund. Wie bei der jungen Türkin, die von einer Ausbildung als Krankenschwester träumte, die ihr die Familie verbot. Weil der Vater schon ihre Zwillingsschwester krankenhausreif geschlagen hatte, flüchtete sie in die „Rosa“-Wohnung. In Stuttgart zu bleiben, wäre zu gefährlich gewesen. Deshalb setzten die Mitarbeiterinnen das Mädchen mit neuer Frisur und neuer Haarfarbe in einen Zug nach Bremen. Heute arbeitet die junge Türkin als Kinderkrankenschwester in einem Bremer Krankenhaus.
Wenn islamische Mädchen aus ihren Familien flüchten, dann sind sie oft noch stärker zerrissen zwischen ihrer Sehnsucht nach Familie und ihrem Bedürfnis nach Freiheit“, sagt „Papatya“-Mitabeiterin Susanne. „Die wachsen ja mit dem Leitsatz auf: Ohne Familie bist du nichts! Und dann machen sie sich Riesenvorwürfe, daß sie das alles nicht klaglos ausgehalten haben.“ Umso wichtiger für sie, daß sie im Mädchenhaus sehen, daß sie nicht die einzigen sind, die Entmündigung und Mißhandlung nicht länger ertragen konnten.
Und es gibt noch eine Gruppe Mädchen, die bisher durch die Maschen des Betreuungsnetzes fallen: Die, die den Weg ins Mädchenhaus nicht gefunden haben und auf der Straße leben. Die sich prostituieren, klauen und die Nächte bei Freiern verbringen, damit sie wenigstens ein Bett für die Nacht haben. Solche Mädchen wären im Mädchenhaus fehl am Platz, denn sie suchen zunächst mal schlicht und ergreifend ein Dach über dem Kopf. Sie brauchen betreute Notschlaf-stellen speziell für Mädchen.
„Viele Städte werden erst jetzt auf diese Mädchen aufmerksam“, sagt Claudia Wiedenau. Die Sozialarbeiterin leitet das Kölner „Comeback“, eine neu eröffnete Notschlafstelle für Trebegängerinnen zwischen 13 und 18 Jahren. Für die gab es bisher nur zwei Anlaufstellen: das Mädchencafé „Mäc up“ am Kölner Bahnhof, wo die Mädchen etwas zu essen bekommen und duschen können, und die Notschlafstelle der „Treberhilfe“. Aber das „Mäc up“ ist eine Tageseinrichtung, und in der gemischten Notschlafstelle werden die Mädchen oft belästigt.
Also plante der Kölner Sozialdienst Katholischer Frauen, SKF, eine Notschlafstelle nur für Mädchen. Daß sie jetzt schon ihre Pforten öffnen konnte, ist einem Glücksfall zu verdanken: Eine Million Mark sammelte der „Kölner Stadtanzeiger“ mit einer LeserInnen-Spendenaktion für das „Comeback“ – dazu angestiftet von der Ehefrau des Verlegers, Hedwig Neven- DuMont. Neun Notbetten gibt es in dem mehrstöckigen Haus in der Innenstadt für bis vierwöchige Aufenthalte. Eine Etage höher stehen acht Betten im „Mädchenhotel“ zur Verfügung. „Und wenn die Mädchen das möchten“, sagt Claudia Wiedenau, „dann können wir mit denen auch klären, ob es eine andere Perspektive gibt – zum Beispiel eine eigene Wohnung.“
Emine weiß inzwischen, wohin. Nach einem halben Jahr in der Düsseldorfer ZUMMM wird sie zu ihrer Schwester und ihrem Schwager ziehen und eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester machen. Die Zukunft der ZUMMM sieht dagegen duster aus: Sie muß zum Ende des Jahres vielleicht schließen. Weil Stadt und Landschaftsverband in diesem Jahr den Geldhahn zugedreht haben und nur noch der Zuschuß vom Sozialministerium bleibt, liegen die Tagessätze pro Mädchen zur Zeit bei stolzen 319 Mark. Die will das Jugendamt nun nicht mehr zahlen. Die ZUMMM-Leiterin versucht zu retten, was zu retten ist. Wenn die Kosten gesenkt, sprich: das Personal gekürzt würde, ließe sich das Jugendamt vielleicht umstimmen... Vielleicht aber auch nicht.
Das wäre für Emine und ihre Leidensgenossinnen eine Katastrophe. „Ich möchte“, sagt die junge Türkin, „daß das mit der ZUMMM immer weitergeht!“