Die Pille danach kommt…vielleicht

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Eigentlich könnte es jetzt vorbei sein: Die panischen nächtlichen Aufenthalte in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, wenn beim Sex ein Unfall passiert ist. Frauen müssten sich auch nicht länger fragen, ob es sich um ein katholisches Krankhaus handelt, das ihnen das Rezept für die Pille danach womöglich verweigert. Sie könnten demnächst schlicht zur Notapotheke gehen und dort, nach fachlicher Beratung, das Medikament bekommen, das den Eisprung in den nächsten Stunden und Tagen verhindert. Aber: Was in fast allen europäischen Ländern – außer Polen und Italien - seit Jahren Standard ist, wird Frauen in Deutschland vielleicht nach wie vor verweigert werden.

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Und das, obwohl heute ein ExpertInnengremium des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einhellig feststellte, dass es „keine medizinischen Gründe“ gebe, die „gegen eine Entlassung aus der Rezeptpflicht sprechen“.

Es ist eine never ending Story. Was bisher geschah: Im November 2013 hatte der Bundesrat mit seiner rot-grünen Mehrheit bereits für eine Änderung der Arzneimittelverordnung und die Freigabe der Pille danach gestimmt. 2010 hatte die UNO die Abgabe der Pille danach dringend empfohlen. Immer wieder hatte es Vorstöße gegeben, die Notfallverhütung auch in Deutschland einfacher zu gestalten. Sie scheiterten alle. Schon einmal hatte das BfArM ein positives Votum abgegeben – vergebens.

Jetzt liegt der Ball beim neuen Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Und es sieht ganz so aus, als ob das Pillen-Ping-Pong weitergeht. Und eins ist klar: Die Verliererinnen sind die Frauen.

Studien belegen, dass in Ländern, in denen die Pille danach rezeptfrei abgegeben wird, die Zahl der Abtreibungen zurückgeht.  

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Alice Schwarzer schreibt

Sehr geehrter Kardinal Meisner

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Sie fordern die Ärzte in katholischen Einrichtungen auf, sich „rückhaltlos der Not vergewaltigter Frauen anzunehmen“, und haben endlich auch „nichts mehr dagegen einzuwenden, dass sie (die Ärzte) in diesem Fall auch über Methoden, die nach katholischer Auffassung nicht vertretbar sind, und über deren Zugänglichkeit aufklären – wenn sie dabei, ohne irgendwelchen Druck auszuüben, auf angemessene Weise auch die katholische Position mit Argumenten erläutern“.

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Keinen Druck mehr ausüben, das wäre schön! Denn hier geht es ja weniger um Glaubensfragen, hier geht es um die Macht, die die katholische Kirche in Deutschland hat. Allein in Nordrhein-Westfalen ist jedes zweite Krankenhaus in katholischer Hand! Dort ist Ihr Wort und das anderer Bischöfe Gesetz und kann - wie wir gerade wieder erlebt haben - darüber entscheiden, ob einer Frau in Not medizinische Hilfe gewährt wird oder nicht. Es entscheidet auch darüber, ob der jeweilige Arzt, die jeweilige Ärztin es überhaupt wagen kann, einer verzweifelten Frau zu helfen, ohne die Stelle zu riskieren.

Und das alles, obwohl nur 1 Prozent (!) der Mittel eines katholischen Krankenhauses von der katholischen Kirche beigesteuert wird. Der Rest sind staatliche Subventionen, Zahlungen von Krankenkassen etc.

Der Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft ist der häufigste medizinische Eingriff bei weiblichen Menschen. In Amerika zum Beispiel hat die sich christlich gerierende Propaganda der so genannten „Lebensschützer“ dazu geführt, dass der Schwangerschaftsabbruch nicht mehr gelehrt wird an den medizinischen Fakultäten. Aus Angst. Fanatisierte „Lebensschützer“ hatten in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Ärzte, die Abtreibungen vornahmen, abgeknallt wie tollwütige Hunde. Einen Familienvater zum Beispiel haben sie vor den Augen seiner Frau und Kinder durch das Küchenfenster erschossen. Soweit sind wir in Deutschland nicht. Noch nicht. Aber auch hierzulande ist sowohl die Einschüchterung der Ärzte als auch der Druck auf die Politik groß.

Sie haben es erreicht, dass PolitikerInnen aller Parteien in Abtreibungsfragen nicht im Sinne der Millionen betroffenen Frauen entscheiden, sondern sich mit Bischöfen beraten. Sie haben es erreicht, dass Ihr absurd-lebensfernes Lebensschützer-Vokabular in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist, in dem Sie von der „Menschenwürde“ eines 0,1 Millimeter kleinen befruchteten Eis sprechen oder der „Tötung eines Kindes“, wenn ein Fötus abgetrieben wird.

Sie haben es erreicht, dass in Deutschland auch nach 40 Jahren Debatte Frauen noch immer nicht das Recht auf Abtreibung in den ersten drei Monaten haben – wie in allen westlichen Nachbarländern – sondern ihnen nach Bitten um Erlaubnis nur die Gnade gewährt wird, es zu tun.

Sie haben viel erreicht. Doch der Preis, den sie dafür zahlen, ist hoch. Die Menschen wenden sich von Ihnen und Ihrer Kirche ab. Selbst gläubige KatholikInnen können und wollen heute in der Mehrheit Ihrer Argumentation der Unmenschlichkeit nicht mehr folgen. Das haben Sie gerade in einer von Ihrer Kirche in Auftrag gegebenen Sinus-Studie zur Kenntnis nehmen müssen. Die Gläubigen können vieles nicht verstehen, zum Beispiel, dass Missbrauchsfälle nicht rigoros aufgeklärt oder Vergewaltigte in katholischen Krankenhäusern abgewiesen werden, dass die engagierte Basis weiterhin vom Vatikan gegängelt wird und das Berufsverbot für Frauen im Priesteramt ein unerschütterliches Dogma bleibt.

Ich bin nicht katholisch. Aber ich erinnere mich, dass der Papst vor nicht allzu langer Zeit seine Kirche aufgefordert hat, wieder zu ihrer Kernaufgabe zurückzukehren: zu der des Glaubens. Nach meinem Verständnis würde das bedeuten, dass die Kirche endlich aufhört, ihre eigenen Gesetze zu haben, Politik zu machen, Gesetzgebungen zu beeinflussen und Steuergelder zu missbrauchen.

Ihre Erklärung vom 31. Januar ist ein erster zögerlicher Schritt in diese Richtung. Gehen Sie diesen Weg weiter! Auch die Gläubigen würden es Ihnen danken.

Ihre
Alice Schwarzer

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