Die Scham ist vorbei!

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Spanien, März 2010: Sechs Freundinnen schlendern durch die Straßen von Madrid. Sie passieren Cafés. Sie treffen auf Menschen, die einen Schaufensterbummel machen; und auf Handwerker, die ihrem Tagwerk nachgehen. Ein normaler Tag in Spaniens Hauptstadt. Zumindest fast. Denn die jungen Frauen tragen nicht nur ein Lächeln im Gesicht und den Kopf hoch erhoben; sie tragen auch weiße Shorts, die blutverschmiert sind. Und auch an ihren Händen klebt Blut. Periodenblut. Auf Spanisch: Sangre Menstrual. So nennt sich die Gruppe der Frauen, die sich nun lässig an eine Hauswand lehnen.

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Is’ was, Jungs? Na, was soll schon sein: Die Periode ist doch das Normalste der Welt! So steht es auch in ihrem „Manifest für die Sichtbarkeit der Menstruation“, das sie an diesem Tag verteilen. „Ich ­schäme mich nicht!“, erklären sie da. Und: „Ich bin nicht krank!“ Die Frauen mit den blutigen Hosen gehen nicht nur gegen das Tabu Menstruation auf die Straße. Sondern auch: gegen den Rückschlag in Sachen Frauenrechte.

England, April 2015: Kiran Gandhi, 26, steht an der Startlinie für den London Marathon. Ein Jahr lang hat sie trainiert, um dabei zu sein. Und ja, sie hatte schon morgens Unterleibskrämpfe und die leise Ahnung, dass sie bald ihre Tage bekommt. Aber „niemals hätte ich damit gerechnet, dass es ausgerechnet an der Startlinie losgeht“, sagt Kiran.

Hastig geht sie die Möglichkeiten durch. Binde? Schlechte Idee für einen 42-Kilometer-Lauf. Tampon? Würde der Wattestopfen nicht ihre Leistung beeinträchtigen? Und überhaupt: Der allererste Tag der Periode! Sollte sie etwa die ganze Zeit mit Ersatztampons in der Hand ­rennen? Und wo sollte sie den Tampon auswechseln?

Also traf Kiran eine Entscheidung, die bis heute nachhallt: Sie lief den Marathon und das Blut lief ihr die Beine runter, ohne Tampon. Das Foto der blutbefleckten orangen Hose der Läuferin ging um die Welt. „Ich hätte niemals gedacht, dass daraus eine so große Sache wird“, sagt Kiran im Rückblick.

Klar hat sie sich geschämt. Ganz besonders bei Kilometer 14. Da jubelten der Vater und der Bruder, während Kiran krampfhaft versuchte, ihr Shirt bis zu den Knien zu zerren. Aber das war der Familie egal. „Sie wollten mich umarmen, ein Foto machen und mich feiern – alles ­andere hat sie gar nicht interessiert“, erinnert sich Kiran. Da wurde ihr plötzlich bewusst: „Ich konnte an diesem Tag meine Scham überwinden, Millionen Mädchen auf dieser Welt können das nicht.“ In ihrer Heimat Amerika nicht und noch viel weniger in Indien, wo Vater Vikram, ein erfolgreicher Investmentbanker, und Mutter Meera, Gründerin einer Frauenrechtsorganisation, herkommen.

Kiran ist übrigens nicht irgendeine selbstbewusste junge Frau. Sie ist auch die Schlagzeugerin der berühmten Musikerin M.I.A. Als Kira den Marathon lief, stand sie außerdem eine Woche vor ihrer Abschlussprüfung in Wirtschaft an der Elite-Uni Harvard. Und ist nicht nur dank ihres Bachelors in Women’s Studies unter Kollegen berüchtigt dafür, sich für Frauen im Musikbusiness stark zu machen.

Zwischen dem blutigen Protest der Spanierinnen in Madrid und dem blutigen Lauf von Kira in London liegen fünf Jahre. Fünf Jahre, in denen sich die Menstruation von ihrem Schattendasein in der Damentoilette in die Öffentlichkeit katapultiert hat. „Wir befinden uns in einer Periode menstrualer Anarchie“, befand die kanadische Tageszeitung Globe and Mail. Der britische Guardian sprach gar von einer „Menstruationsrevolution“.

Selbst „American Apparel“ springt auf diesen Zug auf: Das coole Mode-Label ­engagiert 2013 die feministische Designerin Petra Collins für den Entwurf eines
T-Shirts. Ihr Motiv: eine riesige, krausig behaarte Comic-Vagina, an der eine Hand rumfummelt und aus der (pinkes) Blut läuft. Das Motiv provozierte on- wie off­line hasserfüllte Reaktionen, meistens von erzürnten Männern: E-K-E-L-H-A-F-T!

Deutschland, Frühjahr 2015 Der Satz „Stellt euch vor, Männer wären von Vergewaltigungen genauso angeekelt wie von der Periode!“ saust durchs Netz. Als die 19-jährige Schülerin Elona Kastrati aus Karlsruhe das liest, hat sie eine Idee.

Elonas Eltern sind Kosovo-Albaner, 1994 sind sie in die Nähe von Karlsruhe gezogen. Ein Jahr später kam Elena auf die Welt. Bis heute reist sie regelmäßig in den Kosovo. Und sie kennt sich aus in ­Sachen Sexismus, hier wie dort. Also greift sie sich einen Stapel Binden. Auf eine schreibt sie den Spruch, den sie gerade gelesen hat. Auf die nächste Binde schreibt sie: „Vergewaltiger vergewaltigen Menschen, keine Outfits“. Und auf die nächste: „My pussy, my choice!“

Am 8. März, Weltfrauentag, geht Elona auf Tour in Karlsruhe. Sie klebt die Binden an Straßenlaternen, an Bushaltestellen, auf Mauern. Und von jeder öffentlichen Binde macht Elena ein Foto und veröffentlicht es auf ihrem Blog. Versehen mit dem Hashtag #PadsAgainst­Sexism: Binden gegen Sexismus.

Und siehe da: Medien berichteten weltweit über die Aktion der Schülerin aus Karlsruhe. Sie wird von den renommierten „TEDx-Talks“ als Rednerin nach Priština eingeladen. Auf der Bühne steht eine ernste junge Frau, die erklärt, wieso sie die Doppelmoral, mit der Frauen leben müssen, so wütend macht – im Kosovo, in Albanien, in Deutschland, auf der ganze Welt: Elona: „Ich habe ‚Mein Name ist nicht Süße!’ auf Binden geschrieben, die Frauen im Kosovo jeden Tag kaufen und dann in zwei Plastiktüten verbergen, damit bloß niemand sehen kann, was sie da gekauft haben. Manche Frauen schicken sogar ihre Kinder, weil sie sich so schämen.“ Und sie sagt: „Ich frage mich oft, wie sollen denn aus kleinen Jungen verantwortungsvolle Erwachsene werden, wenn sie nie erfahren haben, dass Frauen einmal im Monat menstruieren? Wenn Männer nicht einmal diesen so wesent­lichen Fakt über den Körper einer Frau kennen – was sollen sie denn dann überhaupt etwas über Frauen lernen?“

Als ein Video von Elenas Vortrag auf YouTube erscheint, sind die Reaktionen nicht nur positiv: „Raus hier, du deutsche Fotze!“, schreibt einer. „Du kennst dein Land und deine Leute nicht!“ Oder: „Was labert die da? Erstens ist sie komplett irrational und zweitens ist sie hässlich wie die Nacht!“

Indien, März 2015: Doch längst hat Elenas Binden-Protest Nachahmerinnen gefunden. Seit im Dezember 2012 eine 23-jährige indische Studentin nach einer Gruppenvergewaltigung in einem öffentlichen Bus zu Tode kam, reißen die Proteste gegen Gewalt gegen Frauen nicht mehr ab.

Die Binden gegen Sexismus kommen da gerade recht. In Neu-Delhi bekleben Studentinnen wenige Tage nach dem 8. März die Wände der „Nationalen Islamischen Universität“ damit. Wenig später: Protest-Binden auch an der Universität in Kalkutta.

Und es sind nicht nur Binden. Unter dem Hashtag #HappyToBleed (Ich blute gern!) protestierten Inderinnen auf Twitter wenige Monate später gegen das Verbot, einen Tempel zu betreten, während sie ihre Tage haben.

In Nepal fotografierten Mädchen Dinge, die sie während ihrer Periode nicht berühren dürfen: Spiegel, Nahrung, Wasser aus dem Brunnen. Nicht nur diesen Nepalesinnen, sondern über eine Milliarde Mädchen, fehlt der Zugang zu angemessenen Hygiene-Produkten für ihre Blutungen. Sie benutzen stattdessen Blätter oder Stofffetzen. Vor allem im Westen ­Nepals werden Frauen, die ihre Tage haben, bis heute in so genannte Menstruationshütten verbannt, weil sie als „unrein“ gelten (eine Tradition, die es auch in anderen Ländern gibt). Chhaupadi nennt sich diese Praxis. Die nepalesische Regierung hat sie eigentlich schon 2005 verboten.

Verbannt werden menstruierende Frauen übrigens auch in der so entwickelten westlichen Welt, weiß die kanadische Studentin Rupi Kaur. Sie hatte gerade ihr Projekt „Period“ über die verschiedenen Stadien der Menstruation abgeschlossen, als sie es mit der Foto-Plattform Insta­gram zu tun bekam. Auf einem der Fotos sehen wir Kaur, wie sie in einer grauen Jogging-Hose zusammengekauert auf dem Bett liegt. Erst beim zweiten Hinsehen entdecken wir den roten Fleck zwischen ihren Beinen. Instagram entfernte das Bild sofort. Ein Versehen? Rupi lud das Foto nochmal hoch – und wieder verschwand es prompt.

Das ließ die Studentin nicht auf sich sitzen. „Danke Instagram, für genau die Reaktion auf meine Arbeit, die ich kritisiere“, schrieb sie auf Facebook. „Eure Seiten sind gepflastert mit Fotos, auf denen Frauen erniedrigt werden. Aber so ein kleines Leck, das ist nicht okay?!“ Rupis Reaktion wurde tausendfach geteilt. Der Protest wurde so laut, dass das Unternehmen sich entschuldigte. Das Foto steht wieder online.

Großbritannien, November 2015: Erfolg hatten auch die Engländerinnen. Sie wehrten sich gegen eine kuriose Regelung, die so ähnlich übrigens auch für Deutschland gilt: Der Tampon unterliegt dem gleichen Mehrwertsteuersatz wie so manche Luxusgüter (in Großbritannien: fünf Prozent). Schluss damit!, forderten im vergangenen Jahr über 320000 BritInnen in einer Online-Petition. Sie protestierten auf Twitter unter #EndTamponTax. Und auch auf der Straße. „Heute stelle ich mich ohne Tampon und Binde vor das Parlament, um zu beweisen, wie luxuriös Tampons tatsächlich sind“, so formulierte es die 22-jährige Charlie Edge. Die sich, ganz wie die Frauen in Madrid, mit blutigen Hosen vor den Westminster-Palast stellte. Mit Erfolg. Ex-Premierminister David Cameron signalisierte, die Tampon-Steuer ­abzuschaffen. Er setzte auf einem EU-Gipfel durch, dass alle Mitgliedstaaten die Mehrwertsteuersätze von Hygiene-Produkten auf Null setzen können. Premierministerin Theresa May wird gerade in diesem Punkt wohl nicht hinter ihren Vorgänger zurückfallen wollen. Denn auch Staatschefinnen sind Frauen.

Amerika, Juni 2016: Der Hashtag #Tweet­YourPeriod nimmt Fahrt auf. Frauen twittern über ihre Periode. Die Idee zu der Aktion stammt von der jungen Filmemacherin Risa Pappas aus New Jersey, die zum #RedSummer, zum roten Sommer aufruft: „Ich möchte in einer Welt leben, in der wir offen über unsere Regel sprechen können“, schreibt sie. Ein Jahr zuvor hatte Präsidentschaftskandidat Donald Trump ein für seinen Geschmack zu kritisches Fernseh-Interview mit der Fox-Nachrichtenchefin Megyn Kelly mit den Worten kommentiert: „Du konntest sehen, wie das Blut aus ihren Augen floss. Blut kam aus wo auch immer …!“ Na und? Die Scham ist vorbei, Mister Kandidat!                

Alexandra Eul

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Menstruation: Risiko & Nebenwirkung

Mit diesem Foto löste Rupi Kaur einen Proteststurm im Netz aus.
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Ich möchte Ihnen wirklich dringend davon abraten, mich zwischen dem Ersten und – planen wir einen Puffer ein – dem Neunten eines Monats auf eine Party einzuladen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit und zur Sicherheit Ihrer Gäste. Denn in dieser Zeit bin ich eine tickende Zeitbombe, eine ABC-Waffe – und Unglück bringe ich dann übrigens auch!

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Denn zwischen dem Ersten und dem Neunten, und jetzt werden sie bitte nicht rot (haha, rot!) habe ich ... Unwohlsein. Also, dann kommt die Tante. Sie wissen schon, Erdbeerwoche und so. Da bin ich indisponiert. Okay, nennen wir den Kram gemeinsam laut und deutlich beim Namen. Luft holen! Fertig? Meeeeenstruuuuuaaaaatioooon! Na, was sagen Sie jetzt?

Die Butter verdirbt. Die Mayonnaise kippt. Die Pflanze stirbt.

Das Verhältnis der Frauen meiner Generation (nach 1980 geboren) zur Periode ist keineswegs entspannt, eher verschämt. Dabei gelten wir doch als so aufgeklärt. Bloß: Alles, was wir über die Menstruation wissen könnten, wurde in literweise blauer Always-Ultra-Flüssigkeit ertränkt. Was uns seit Teenagerinnen-Tagen als der große Vorzug des Tampons verkauft wird, ist gleichzeitig sein größter Nachteil: Er hat die Menstruation quasi abgeschafft. Zumindest im Kopf der Frauen.

Clean sein soll sie, die Menstruation, so als wäre sie gar nicht da. Mit diesem Versprechen eroberte die 1933 gegründete US-Firma Tampax in den 1950ern den deutschen Markt. „Sicher und sauber!“ schwor eine Drogistin mit Wasserwelle und Häubchen im schwarz-weißen Werbeclip, mit Betonung auf SAUBER!

Wer mit Frauen aus dieser ersten Tampon-Generation spricht, hört Geschichten über ein ganz neues Gefühl von Freiheit. Und Amüsement. Die Frauen waren froh, die unbequemen und nicht immer sicheren Windel-Binden los zu sein. Aber so manche blickte auch mit Befremden auf diese Pappe-Watte-Torpedos von Tampax, die frau sich nun mit Hilfe eines komplizierten „Applikators“ rein manövrieren sollte. Wie genau soll das denn jetzt gehen?!

Inzwischen gibt es Farbfernsehen, Internet und Tampons ohne Applikator – darüber hinaus aber hat sich zumindest in Sachen Menstruationshygiene nicht viel getan. „Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse“, erklärte in den 1990er Jahren eine ­makellose Blondine in einem Werbeclip der – übrigens 1948 in Wuppertal gegründeten – Tamponfirma O.B. Das stand für: ohne Binde. Sodann umschloss die Blondine den Tampon mit ihrer wohlmanikürten Hand. O-Ton: „Man riecht nichts, man sieht nichts. Und außen bleibt alles angenehm sauber“. Ach, sooooo läuft das!

Und gegen die „Regelschmerzen“ (das ist dieser Euphemismus für das Gefühl, dass Ihnen jemand einmal im Monat die Eingeweide rausreißt) gibt es ja zum Glück Schmerzmittel. Nehmen Sie einfach fünf am Tag und zu Beginn gleich zwei auf ­einmal. Und dann lächeln Sie! Lächeln! Einfach lächeln!

Zurück zu Ihrer Party: Sie sollten sich vorab eine Kopie der Menstruationskalender aller weiblichen Gäste zuschicken ­lassen. Vor allem, wenn die Ihnen bei der Essens-Zubereitung helfen wollen. Oder wussten Sie etwa nicht, dass in den Händen einer menstruierenden Frau .ie Butter verdirbt, die Mayonnaise kippt, die Milch gerinnt, die Hefe nicht aufgeht und die Früchte faulen? Wegen der „Bakterien“. Und nicht nur das! Wenn Sie Pech haben, kontaminiert diese Frau durch ihre bloße Anwesenheit das gesamte Buffet. Denn das Gift, das ihr Körper während der Tage produziert, tritt auch über den Atem und die Haut aus und macht sich als schädliche Wolke im ganzen Raum breit.

Das Gift tritt auch über die Haut und die Atemwege aus!

Außerdem stehen menstruierende Frauen im Verdacht, Spiegel zu trüben, Metall zum Rosten und Blumen zum Verdorren zu bringen – nur falls Ihnen an Ihrer Deko irgendetwas liegen sollte. Und ja, der Wein wird auch sauer in Gegenwart einer Frau mit Periode. Und Sie wissen doch, wie Partys enden, auf denen es nicht genügend zu Trinken gibt.

Sie finden diese Ratschläge reichlich ­bescheuert? Ich auch. Es handelt sich hierbei um ein Resümee nur einiger der landläufigen Annahmen über die Auswirkungen der Menstruation auf Frauen und ihre Umwelt, wie sie bis heute noch auf der ganzen Welt zu finden sind. Und das ist nicht neu. Die Menstruation galt stets als Beweis für die Fehlerhaftigkeit, die Schwäche, die Unterlegenheit der Frauen. Und sie steht für die Bedrohung, die von dem weiblichen Geschlecht ausgeht. Stichwort: Dunkle Magie! Überflüssig zu sagen, dass die Menstruations-Mythen in der Regel (haha!) der Phantasie der Männer entsprungen sind.

Werfen wir als erstes einen Blick in die Bibel. Dort erfahren wir, dass die Regelblutung die ewige Strafe für Evas Ursünde ist. Sie wissen schon: Baum der Erkenntnis, Apfel, Schlange, ein extrem saurer Gott, Rauswurf aus dem Paradies und so weiter. Wer mit dem Menstruationsblut in Berührung kommt, gilt als „unrein“. Auch die Überzeugung, dass Frauen, die ihre Tage haben, für diese Zeit vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden sollen, findet sich schon in der Bibel: „Wenn ein Weib ihres Leibes Blutfluss hat, die soll sieben Tage beiseite getan werden; wer sie anrührt, der wird unrein sein bis zum Abend. Und alles, worauf sie liegt, so lange sie ihre Zeit hat, wird unrein sein, und worauf sie sitzt wird unrein sein …“

Menstruation macht Waffen stumpf und den Wein sauer

Die Passage über die Unreinheit der menstruierenden Frau im dritten Buch Moses ist ziemlich lang, deshalb seien hier nur Auszüge zitiert. Schlimm trifft es auch Männer, die mit einer Frau schlafen, wenn sie „ihre Zeit hat“. Die sind dann ebenfalls „sieben Tage unrein“.

Auch im orthodoxen Judentum gilt ein Mann, der eine menstruierende Frau berührt, als unrein. „Um diese Gefahr zu vermeiden, legt man zum Beispiel Gegenstände, die man einander geben möchte, zuerst ab, um sie nicht direkt in die Hand reichen zu müssen“, schrieb die Jüdische Allgemeine in ihrer Rubrik „Religiöse Begriffe aus dem Judentum“ über die „Nidda“. Und weiter: „Nachdem ein vorgeschriebenes Minimum von fünf Tagen vorbei ist und die Frau sich nach allen vorgeschriebenen Regeln vergewissert hat, dass kein Tropfen Blut mehr vorhanden ist, darf sie anfangen, die obligatorischen sieben reinen Tage zu zählen. (...) Anschließend darf die Frau dann in die Mikwa gehen.“ Um sich dort einer rituellen Reinigung zu unterziehen.

Eine solche Reinigung schreibt auch der Islam vor – denn selbstverständlich gilt auch hier die menstruierende Frau als: ­unrein. „Das Thema Menstruation wird besonders tabuisiert und auch der Umgang mit der Monatshygiene ist nicht ohne Angst – beispielsweise das Jungfernhäutchen beim Einführen des Tampons nicht zu verletzen“, schreiben Sabine Zinn-Thomas und Walter Stolle in „Menstruation – Monatshygiene im Wandel von 1900 bis heute“.

Ach, Religion! werden Sie jetzt vielleicht abwinken. Sie kennen ja auch die medizingeschichtlichen Überlegungen zur Periode noch nicht …

Hippokrates, auf dessen Eid sich Ärzte bis heute berufen, vertrat um 460 v.Chr. die folgende Auffassung: Die Konstitution der Frau sei feuchter, weniger dicht und weniger stark als die des Mannes, weswegen sich der Körper regelmäßig von „überschüssigen Säften“ reinigen müsse.

Auch Aristoteles (um 384 v.Chr.) interpretierte die Menstruation als Anzeichen für die Minderwertigkeit der Frau. Für ihn war das Menstruationsblut das „Material“, aus dem Kinder entstehen. Der Mann hingegen liefert das, „was diesem Material die Form verleiht“. Der Samen macht also aus einem Haufen Blut und Schleim ein Lebewesen mit Seele.

Warum das so sein soll, dafür hatte Aristoteles auch eine Erklärung: Die Frau habe von Natur aus nicht genügend „Lebenswärme“, weshalb sie nur dieses schlappe Periodenblut produzieren kann. Der Mann hingegen koche innerlich vor Energie – und kann deshalb das Periodenblut in seinem Körper zu Samen umwandeln. Laut Aristoteles ist die Frau „eine Missbildung“, ein Fall gehemmter Entwicklung. Sie kommt nicht über das Menstruationsblut hinaus.

Im antiken Rom spitzte der Gelehrte Plinius diese Thesen zu: Das Periodenblut sei ein Gift, das Waffen verstumpfen lasse und den Mann krank mache. Es sollte fast 2000 Jahre dauern, bis der Wiener Arzt Bela Schick diesem Gift einen Namen gab: ­„Menotoxin“. Zum Beweis schenkte er einer menstruierenden Frau Blumen, die prompt verwelkten. Sein Experiment konnte leider in der Form nicht wiederholt werden.

Sprach man der Periode jemals eine positive Wirkung zu, hatte das sogleich einen unheimlichen Unterton: Periodenblut am Türrahmen hält Hexen fern. Ein Tropfen davon im Brötchen macht die Männer liebestoll. Und wenn menstruierende Frauen ein Feld umschreiten, schützt das vor Ungeziefer.

Und was sollten Frauen zu ihrem eigenen Schutze während ihrer Menstruation vermeiden? Reiten, Radfahren, Tanzen, lautes Sprechen und geistige Anstrengungen wie Romane-Lesen. Sowie: Kaffee, scharfe Suppen und Alkoholika. So steht es in Gesundheitsratgebern, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten. Und ich wette, Sie haben mindestens eine Kollegin, die sagt: „Ach, das hat mir meine Mutter so auch noch beigebracht …!“

Und jetzt fragen Sie sich bestimmt: Warum der ganze Stress für etwas, was für die eine Hälfte der Weltbevölkerung einfach zum Leben dazugehört? Und damit sind wir beim politischen Kern der Perioden-Panik angekommen. Sie war stets dazu da, Frauen aus Politik, aus Bildung und Berufsleben fern zu halten. Und sie an ihre von Gott bestimmte Aufgabe zu fesseln: an die Mutterschaft.

Vermeiden Sie Radfahren, Tanzen, Lesen und Alkohol!

Darüber schreiben Janice Delaney, Mary Lupton und Emily Toth in ihrem 1979 erschienenen Band „The Curse – A Cultural History of Menstruation“. Da heißt es: Stets schien das „wichtigste Thema zu sein, dass die Emanzipation der Frauen die Zerstörung ihres menstruellen Zyklus bedeuten würde, und damit auch das Ende der Menschheit“. Während der Industriellen Revolution zum Beispiel betrachtete man die Frauen als viel zu schwach für die ­Fabrikarbeit und auch als weniger widerstandsfähig als Männer – unter anderem, weil sie menstruieren. Aber die Frauen wurden gebraucht, also schufteten sie bis zu 16 Stunden am Tag für wenige Dollar. Weil sie ja an gewissen Tagen ausfallen könnten.

Schnee von gestern? Kürzlich geisterte das kleine nette Video „Warum Mädchen nicht programmieren können“ durchs Internet. Darin karikierten junge Frauen die Klischees über Hackerinnen. Eine spöttelte: „Wenn ich nicht meine Tage habe, dann habe ich meinen Eisprung. Es bleibt also quasi überhaupt gar keine Zeit zum Programmieren!“ Die nächste höhnte: „Jede Stunde muss ich aufs Klo rennen, um meinen Tampon zu wechseln. Sonst bekomme ich das toxische Schock-Syndrom!“ Denn ewig blutet das Weib …

Das alles sind immer mehr Frauen leid. Es regt sich Protest. Und aus feministischen Kreisen kommt der Vorschlag: Veranstalten Sie zur Feier Ihrer Menstruation regelmäßig eine große Party! Und dann laden Sie mich doch gerne ein.

Alexandra Eul

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