"Wir klagen an!"
Klage gegen
1. Verlag Gruner + Jahr AG & Co., Warburgstraße 50, 2000 Hamburg 36,
2. Herrn Henri Nannen, Warburgstraße 20, 2000 Hamburg 36, Chefredakteur des Magazins "Stern" wegen Ehrverletzung. Streitwert: für Jede Klägerin 5.000 DM = 50.000 DM.
Wir erheben Klage und bitten um Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung, in dem wir beantragen werden, die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder einer Ordnungshaft bis zu 2 Jahren zu unterlassen, die Klägerinnen dadurch zu beleidigen, dass auf den Titelseiten des Magazins "Stern" Frauen als bloßes Sexualobjekt dargestellt werden und dadurch beim männlichen Betrachter der Eindruck erweckt wird, der Mann könne über die Frau beliebig verfügen und sie beherrschen.
Begründung
I. 1. Die Klägerinnen sind Frauen, die sich zur Durchführung dieses Prozesses zusammengefunden haben. Unabhängig davon, ob sie in der Öffentlichkeit bekannt sind oder nicht, verbindet sie für diese Klage das gemeinsame Anliegen, die Diskriminierung der Frauen zu beseitigen, ihrer Erniedrigung Einhalt zu bieten und den Anspruch auf Menschenwürde auch für Frauen zu verwirklichen. Die Klägerinnen sehen sich damit stellvertretend für die Gesamtheit der noch immer diskriminierten Frauen in der Bundesrepublik Deutschland.
2. Die Beklagte zu 1) ist Verlegerin des Magazins "Stern", der Beklagte zu 2) ist sein Chefredakteur. Die Zeitschrift "Stern" ist gegenwärtig mit einer verkauften Auflage von über anderthalb Millionen Exemplaren die größte deutschsprachige Illustrierte. Erklärtes und in der Publikation immer wieder hervorgehobenes Ziel des "Stern" ist es, politisch die verfassungsrechtlich garantierten Menschenrechte zu erhalten oder notfalls zu erkämpfen. Entsprechend betont die Redaktion des Magazins und an ihrer Spitze der Beklagte zu 2) immer wieder mit Nachdruck die Bedeutung der Zeitschrift für die Sicherung der Freiheit und Gleichheit aller Menschen.
II. Im Gegensatz zu diesem erklärten Ziel verletzen die Beklagten fortgesetzt und sogar zunehmend die Menschenrechte von mehr als der Hälfte der Bevölkerung, nämlich der Frauen. In eklatanter Weise verstoßen sie gegen deren Recht auf Menschenwürde und auf Gleichbehandlung, was zugleich das Recht auf Freiheit vor Diskriminierung beinhaltet. Die Klägerinnen legen eine Auswahl von Titelblättern des Magazins "Stern" aus der Zeit vom Januar bis Juni 1978 vor. Nicht nur die Art und Weise der Darstellung, sondern auch ihre Summierung deutet darauf hin, dass System dahintersteckt. Durch derartige Abbildungen werden Frauen nicht nur als Objekt männlicher Lust dargeboten, sondern darüber hinaus als Mensch erniedrigt.
III. Gegenüber dem Verhalten der Beklagten steht den Klägerinnen ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 185 StGB, § 1004 BGB (analog) zu.
1. Die Klägerinnen sind jeweils selbst als Verletzte berechtigt, diesen Prozess zu führen (Aktivlegitimation). Jede der Klägerinnen ist durch die vorgelegten Titelbilder als Mitglied der Gruppe Frauen persönlich betroffen und in ihrer Ehre verletzt. In Rechtsprechung und Schrifttum ist allgemein anerkannt, dass eine Äußerung viele Personen durch eine Gesamtbezeichnung kränken oder herabsetzen kann, wenn diese Personenmehrheit so aus der Allgemeinheit hervortritt, dass dieser Kreis der beteiligten Einzelpersonen deutlich umgrenzt ist (BGHSt11, 207/208 mit ausführlichen Zitaten). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung bestätigt, dass die als Juden vom Nationalsozialismus verfolgten Menschen, die jetzt in Deutschland leben, eine beleidigungsfähige Personenmehrheit sind. Bestätigt wurde diese Entscheidung vom BGH in einem weiteren Urteil BGHSt 16, 57.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (BGHSt 19, 235/236 mit Zitatangaben zur Rechtsprechung des Reichgerichts und des Bundesgerichtshofes) kann eine Sammel-(Kollektiv-)Beleidigung auch in der Form begangen werden, dass der Täter die beleidigte Personengemeinschaft nicht im ganzen anspricht, sondern seine ehrverletzende Äußerung nur auf eine einzige Person bezieht, die er jedoch ausschließlich dadurch in ihrer Individualität kennzeichnet, dass er ihre Zugehörigkeit zu der in Betracht kommenden Personengruppe mitteilt.
Das gilt nicht nur für Fälle, in denen der Täter aus Hass gegen die betroffene Personengruppe als solcher handelt und mit der Schilderung des anstößigen Verhaltens eines nicht näher gekennzeichneten Mitglieds dieser Gruppe alle ihr zugehörigen Personen treffen und herabsetzen will; es trifft auch dann zu, wenn der Täter zwar ohne eine solche Zielsetzung handelt, aber doch erkennt, dass seine Herabsetzung alle zu dieser Gruppe gehörenden Personen trifft und sich ihrer gleichwohl nicht enthält (BGH a.a.O., im Ergebnis auch BGHSt 14, 48).
Auch die Frauen, die jetzt in Deutschland leben, bilden eine Personenmehrheit, die beleidigungsfähig ist und durch deren Beleidigung jedes einzelne Mitglied in seiner Ehre verletzt wird. Gemeinsames belastendes Schicksal aller Frauen in Deutschland ist ihre in der Realität noch immer bestehende gesellschaftliche Benachteiligung gegenüber dem Mann, Behinderung und häufig auch Unterdrückung. Dies gilt, wie gerichtsbekannt, heute noch sowohl für Frauen, die sich in anerkannter sozialer Position befinden, als auch für die große Mehrheit der Frauen, denen diese Entfaltung noch immer verwehrt wird.
Als umgrenzte Gruppe erscheinen, die Frauen in der Allgemeinheit nicht wegen ihres biologischen Geschlechts, sondern wegen des ihnen von einer patriarchalischen Gesellschaft auferlegten Schicksals der Unterdrückung. Durch diese Repression sind sie zu einer Einheit verbunden, die sie aus der Allgemeinheit hervortreten lässt (BGHSt 11, 207, 209).
Für die Frauen in Deutschland gilt daher, dass sie vergleichbar mit den im Nationalsozialismus verfolgten Juden, die jetzt in Deutschland leben, durch ein gemeinsames Schicksal der Diskriminierung zu einer Einheit verbunden sind. Dabei ist es im Rahmen dieses Verfahrens von Bedeutung, dass gerade die Einstellung der männlich geprägten Gesellschaft zur Sexualität ein die Frauen belastendes, aber zugleich sie verbindendes Element darstellt.
2. Durch die wiederholte Darstellung der Frau als bloßes Sexualobjekt, wie in Anlagenkonvolut 1 festzustellen, haben die Beklagten die Frauen als Kollektiv und damit die Klägerinnen als Mitglieder dieses Kollektivs in ihrer Ehre und ihrer Persönlichkeit als Frauen gekränkt. Die Darstellung der Frau ist auf diesen Bildern völlig entpersönlicht und reduziert auf geschlechtliche Benutzbarkeit. Zugleich wird damit weibliche Unterlegenheit und männliche Dominanz ausgedrückt. Die Beklagten mögen sich darauf berufen, dass sie Bilder von vor allem ästhetisch schönen Frauenkörpern wählen, sie mögen anführen, dass das Bekenntnis zur Nacktheit und Sexualität zur weiblichen Emanzipation gehöre - das aber ist hier nicht die Frage.
Wesentlich ist hier: Die Frau wird so dargestellt, als sei sie männlicher sexueller Lust jederzeit verfügbar - und unterstehe damit seiner Beherrschung. Ein Kulminationspunkt - aber auch nur eine besondere Verdeutlichung dieser Einstellung - findet sich in dem Titelbild des "Stern" vom 8. Juni 1978. Das nach einer Million Exemplaren ausgetauschte Titelbild sagt inhaltlich das gleiche aus.
3. Durch eine derartige Darstellung von Frauen im Titelbild sehen sich die Klägerinnen persönlich beleidigt. Die Beklagten machen sich so einer Nichtachtung und Abwertung der Frau schuldig, die für jede Frau verletzend sein muss. Die Beklagten setzen Darstellungen, wie die in Anklagenkonvolut 1 vorgelegten, ganz gezielt ein. Zwischen Auflagenhöhe und solchen Titelbildern besteht ein direkter Zusammenhang.
Reißerisch sexuell betonte und die Frau zum Objekt machende Abbildungen wie die hier vorgelegten werden in erster Linie zu dem Zweck eingesetzt, die Auflage des Blattes zu erhöhen oder zumindest zu halten. Außerdem beabsichtigen die Beklagten, durch diese Art von Darstellung die Perpetuierung bestehender Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern. Beides ist den Beklagten auch bewusst, Denn sie haben unter anderem durch eine zum Teil veröffentlichte Vielzahl von Leserinnen- und Leserprotesten gegen diese Art frauendiskriminierender Darstellung erfahren, dass Frauen sich dadurch beleidigt und entwürdigt fühlen.