Verantwortung der KulturrelativistInnen

Feier zum ersten Jahrestag der "iranischen Revolution" aus der Ausstellung "Fotografinnen an der Front", Kunstpalast Düsseldorf
Artikel teilen

Die Ayatollahs haben im Iran 1979 einen Gottesstaat installiert, der als eines der brutalsten Herrschaftssysteme unserer Zeit gilt. Die iranische Bevölkerung unterliegt den Gesetzen der Scharia, deren Deutung vom religiösen Führer des Irans bestimmt wird. Es handelt sich um ein Regime, das noch jeden letzten Oppositionellen und „Ungläubigen“ – und potenziell halten sie jeden dafür – zu töten bereit ist. So will man mithilfe von Terror und Hegemonialkriegen in der Region einen schiitischen Weltherrschaftsanspruch durchsetzen.

Anzeige

Unmittelbar nach der Gründung der „Islamischen Republik“ 1979 demons­trierten Tausende Frauen in Teheran am Internationalen Frauentag, dem 8. März, gegen die Gewalt der Zwangsverschleierung. Sie skandierten: „Freiheit ist weder westlich noch östlich, sondern universal!“

Für das Regime ist die Frauenunterdrückung überlebensnotwendig. Die desolate ökonomische Lage der Bevölkerung, die eigentlich dank üppiger Energiereserven und Bodenschätze innerhalb des Staatsgebietes problemlos behoben werden könnte, resultiert sowohl aus der Missachtung des Regimes gegenüber dem Individuum als auch aus einer Verachtung der zum Abfall vom „einzigen Glauben“ Verführten. Dafür machen sie die Frauen verantwortlich.

Der erklärte Hauptgegner ist Israel. Das antisemitische Regime bekämpft alles, was es als „Auswüchse des Judentums“ betrachtet: das Ablegen des Kopftuchs, Feminismus, Homosexualität, die Moderne sowie die Menschenrechte.

Das Regime investiert das Staatsvermögen in die Terror-, Expansionskriegs- und Atomraketenwirtschaft, um die vermeintliche Quelle des Übels – Israel – auszumerzen.
KulturrelativistInnen haben dieser Praxis nicht nur nichts entgegenzusetzen, sondern sympathisieren damit. Oder sie finden Wissenschaftlerinnen wie Christina von Braun und Judith Butler sowie Mitglieder der Grünen und der Linkspartei. Die scheinen nicht zu begreifen, dass sie mit ihren kultur­relativistischen Theorien und Debatten zum Werkzeug einer aggressiven Islamisierungspolitik der menschenverachtenden Mullahs geworden sind.

Diese feministischen Wissenschaftlerinnen propagieren zwar Menschenrechte, unterstützen aber ein islamistisches Regime, in dessen 40-jähriger Willkürherrschaft mehrere Millionen IranerInnen ins Exil getrieben und Zehntausende verhaftet, gefoltert, hingerichtet und ermordet worden sind. Sie suggerieren, gegen Geschlechter-­Apartheid zu sein, ignorieren jedoch die Zwangsverschleierung und die von der iranischen Regierung initiierte Gewalt gegen Frauen.

Auf ihren Iran-Reisen präsentierten sich Claudia Roth von den Grünen, ihre Kolleginnen von der CSU, CDU und SPD bis hin zur EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, gemäß der von den islamistischen Herrschern vorgeschriebenen Zwangsverschleierung in der Öffentlichkeit und in den Medien mit Kopftuch. Damit legitimierten sie die brutale Unterdrückung von Frauen im Land. Jedes Mal, wenn diese Politikerinnen vor Ort waren, wurden gleichzeitig RegimegegnerInnen hingerichtet. Sie haben dagegen mit keinem Wort öffentlich protestiert.

Der „Islamischen Republik“ und ihren kulturrelativistischen und antiimperialistischen, linken UnterstützerInnen im Westen ist der Hass auf Israel und die USA gemein. Es scheint sie nicht zu stören, dass das Mullah-­System erklärt, die „höchste Kultur“ sei die „Kultur des Jihad“ und „die iranische, die islamische und die Kulturen der ganzen Welt“ seien „Opfer der von den USA und dem zionistischen Israel verbreiteten verführerischen Kunst und Kultur“.

Die Leugnung des Holocausts sowie die wiederholten Vernichtungsdrohungen der „Islamischen Republik“ gegen Israel werden von westlichen Linken weiterhin verharmlost. Auch die nukle­are Aufrüstung des Staates und seine substanzielle Unterstützung für die religiös-terroristischen Organisa­tionen Hisbollah und Hamas, die im Sinne der angeblichen Verteidigung von Palästinensern legitimiert wird, werden geflissentlich ignoriert.

Manche antiisraelische Kulturrela­tivisten und antiimperialistische Linke marschieren gemeinsam mit den Anhängern des iranischen Regimes und Rechtsextremisten beim antisemitischen Al-Quds-Tag Khomeinis mit oder kooperieren mit der israelfeind­lichen Bewegung „Boycott, Divestment and Sanctions“. Gleichzeitig engagieren sie sich weiter für die Abschaffung der internationalen Sanktionen gegen die islamistische Herrschaft – und damit für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen.

Das iranische Regime nutzt diesen Kulturrelativismus der Wirtschafts- und Kulturbeziehungen, um seine Ideologie und Politik insbesondere unter Studierenden, ImmigrantInnen und Flüchtlingen zu verbreiten. Und es kooperiert schon längst mit der Neuen Rechten, von der etliche den Islamismus explizit bewundern.

Der in den Geisteswissenschaften und der Politik vor allem in Deutschland weit verbreitete Kulturrelativismus gefährdet durch seine Ignoranz weltweit das Recht der Individuen auf universelle Menschrechte, vor allem auch die von Frauen und LGBTIQ-Menschen. Erodiert der von diesen Kräften kritisierte Universalismus weiter, wird eines Tages kaum noch ein Ort der Erde sicher sein.

KAZEM MOUSSAVI

Der Autor ist Mitbegründer und Sprecher der „Green Party of Iran“ und lebt in Deutschland im Exil. Er ist Herausgeber von „Iran Appeasement Monitor“ und engagiert sich bei der Initiative „Stop the Bomb“ gegen das iranische Atom­raketenprogramm und die deutschen ­Geschäfte mit der Islamischen Republik. – Die hier gekürzten Texte erschienen zuerst in „Freiheit ist keine Metapher“ (Hg. Vojin Saša Vukadinović, Querverlag)

Artikel teilen
 
Zur Startseite