Den Datenschatten erhellen
Wie kann ich im Internet aktiv sein und meine Privatsphäre schützen?
Es ist ratsam, sich Gedanken über das Ausmaß der persönlichen Informationen zu machen, die wir im Netz von uns preisgeben. Immer mal wieder fragen: Wie groß ist im Moment mein sozialer Spielraum? Meine Freunde und meine Familie finden mein Blog cool – aber was denkt mein Chef? Ist mein Kind später auch glücklich über die Ultraschall- und Kindergartenbilder im Netz? Lebensumstände ändern sich, Meinungen und Einstellungen auch. Wer im Netz freizügig mit Informationen umgeht, muss sich vorher gut überlegen, gegenüber wem er diese Informationen eigentlich offenlegen will und gegenüber wem nicht. Praktischer Tipp: Sich seine eigenen Grenzen bewusst machen, schriftlich festhalten und nach einem halben Jahr abgleichen, ob man sich an die eigenen Vorgaben gehalten hat.
Im Zusammenhang mit dem Internet ist oft von „Datenkrake“ oder „Datenfresser“ die Rede – was heißt das denn?
Niemand weiß, was zukünftig mit den privaten Daten geschieht, die UserInnen freiwillig und unfreiwillig ins Netz stellen. Dabei geht es nicht nur um die Auswertung einer Handvoll Twitter-Nachrichten. Der Wert der Nutzerdaten liegt vor allem im strukturellen Bereich. Was lässt sich über die Menge, Art und Regelmäßigkeit der sozialen Kontakte im Netz aussagen, zum Beispiel hinsichtlich der sexuellen oder politischen Orientierung? Wie sieht das Konsumverhalten aus? Wenn Smartphones kontinuierlich die Bewegungsprofile seiner Besitzer speichern, was sagt das über deren Alltag aus? Anhand dieser digitalen Lebensäußerungen lassen sich heute sehr genaue Profile von Menschen erstellen.
Und wer könnte die missbrauchen?
Vieles wird zu Marktforschungszwecken erhoben. Wer im Netz ein Buch kauft, muss nicht zwangsläufig Auskunft über sein Alter geben oder die private Telefonnummer nennen. Wenn die Abfrage der Daten völlig ungerechtfertigt erscheint, dann sollte man Fantasiedaten eintragen.
Soll ich mein Facebook-Profil also besser löschen?
Es gibt kaum eine Plattform, die so praktisch ist wie Facebook, weil sie alle Arten der Netzkommunikation vereint. Dieses Monopol ist gleichzeitig das Problem. Es handelt sich, wie bei den meisten Umsonst-Angeboten im Netz, um ein kommerzielles Unternehmen, das mit der Generierung und Weitergabe von Nutzerdaten für personalisierte Werbung sein Geld verdient. Nutzerinnen, die sich also für ein Facebook-Profil entscheiden, sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie private Informationen zu Werbezwecken freigeben und die Nutzungsrechte für alle hochgeladenen Inhalte automatisch an Facebook übertragen werden. Außerdem nie vergessen, die Privatsphäre-Einstellungen zu bearbeiten. Zum Beispiel das Markieren von Aufenthaltsorten nicht erlauben und Facebook mit der sicheren Verbindung „https“ nutzen. Es lohnt sich auch, diese Einstellungen regelmäßig zu überprüfen. Facebook selbst nimmt gelegentlich Änderungen vor. Und einige Spiele in dem Sozialen Online-Netzwerk verändern die Einstellungen unbemerkt.
Und Twitter?
Bei Twitter ist nicht klar, was mit den Nutzerdaten zukünftig geschehen wird. Es gibt nur erste Tendenzen: Der Foto-dienst Twitpic hat jüngst entschieden, die Fotos der User zu vermarkten. Auch wenn Twitter-Nachrichten nicht für immer abrufbar sind, ist Twitter trotzdem eine öffentliche Schnittstelle für Informationen, die jeder lesen und speichern kann.
Und was ist mit Apps?
Es lohnt sich, die jeweiligen Nutzungsbedingungen genau zu lesen. Mit dem Download stimmen die Nutzer oft zu, dass die Anbieter Zugriff auf alle persönlichen Daten haben. Im Fall von einigen Facebook-Apps heißt das zum Beispiel: Die Kontaktdaten aller Freunde, alle hochgeladenen Dateien sowie die komplette Pinnwandkommunikation. Die Datenübertragung geht zum Teil auch dann weiter, wenn die Applikation gar nicht mehr aktiv genutzt wird.
Das Strandfoto von Klara und mir ist toll – soll ich es ins Netz stellen?
Wer Fotos oder Videos im Netz postet, muss immer bedenken, dass er dabei auch Informationen über Dritte preisgibt, die davon gar nichts ahnen. Dieses Problem betrifft mittlerweile nicht mehr nur das Taggen von Fotos. Wer sich ein Google-Mail-Konto anlegt, übermittelt dem Unternehmen damit auch sein Adressbuch. Wer aus praktischen Gründen sein Handytelefonbuch mit Facebook synchronisiert, sendet auch die Kontakte der Leute, die das Soziale Online-Netzwerk möglicherweise absichtlich meiden. Wer in seinem Blog private Informationen über Dritte preisgibt, sollte sich sicher sein, dass die damit einverstanden sind. Ratsam: Das Thema im Freundeskreis ansprechen – und abklären, wie das Umfeld eigentlich so zur Veröffentlichung der wilden Partyfotos steht.
Aber alle anderen machen das doch auch!
Traue ich dem Online-Angebot noch? Gefallen mir die Änderungen in der Nutzung oder in den AGBs? Wer diese Fragen mit Nein beantwortet, sollte nicht an einem Dienst kleben bleiben, sondern sich verabschieden und nach einem besseren Angebot Ausschau halten. Auch wenn das unbequem ist.
Mal ganz ehrlich: Woher soll ich das überhaupt alles wissen?
Wenn das Social Web aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist, sollte frau die Entwicklung der Netzangebote genauso verfolgen wie politische News und Promi-Tratsch. Zum Beispiel in den Nachrichten oder auf Technik-Blogs. Hilfreich: Sich bei FreundInnen oder KollegInnen zu erkundigen, die das Web-Angebot nutzen. Besonders, wenn sie mit dem Gedanken spielen, sich abzumelden.
Ich werde im Netz beschimpft. Was kann ich tun?
Es kann im Netz kompliziert sein, geltendes Recht anzuwenden. Wer auf einem Marktplatz in der Stadt von einer fremden Person beleidigt wird, kommt mit rechtlichen Schritten oft nicht weit, weil der Täter nicht ermittelt werden kann. So ist es auch mit Beschimpfungen oder Drohungen in Online-Foren. Es kann helfen, sich in solchen Fällen an die Betreiber der Plattform zu wenden und auf das Missverhalten hinzuweisen. In weniger harten Fällen ist Gleichmut ratsam: Ignorieren und abwarten bis der Stress vorbei ist. Im Internet dauert das erfahrungsgemäß nicht lange.
Ich will meine alten Online-Sünden loswerden, und jetzt?
Schwierig. Besonders wenn der Fauxpas oft verlinkt und zitiert worden ist. Alternativ zur Deaktivierung der Online-Profile oder Blogs hilft es manchmal, die Daten Stück für Stück mit neuen Informationen zu überschreiben, also Bilder oder Filme auszutauschen, Namen zu ersetzen. Am meisten hilft eine Portion Selbstironie.
Soll ich im Netz unter meinem echten Namen veröffentlichen?
Die einfachste Art, sich im Netz zu bewegen, ist unter Pseudonym. Aber auch hier gilt: Das eigene Ziel abwägen. Viele NutzerInnen verknüpfen Netzaktivitäten mit ihrem Offline-Leben, teilweise hat sich für sie daraus eine berufliche Perspektive entwickelt. Geschlechtsneutrale Nicknames fördern die Sichtbarkeit von Frauen im Internet nicht, können aber Anonymität befördern. Einige Netzdienste verlangen in ihren AGBs eine Anmeldung unter vollem Namen. Ähnlich wie bei den geposteten Inhalten lohnt es sich, sich seine Grenzen klarzumachen: Welche Spuren will ich im Netz unter meinem Klarnamen hinterlassen – und welche nicht?
Kann ich mich irgendwie vor Sicherheitslücken schützen?
Nur durch sparsame Datenweggabe und regelmäßige Prüfung der Einstellungen und der Aktualität der benutzten Programme. Wenn aber Kriminelle die persönlichen Daten von über 100 Millionen Nutzern aus dem Sony-Netzwerk stehlen, zieht das zwar einen erheblichen Image-Schaden für den Konzern nach sich – doch die UserInnen haben in der Regel Pech gehabt.
Kann ich E-Mails oder Daten auf meinem Computer selbst verschlüsseln?
Ja. E-Mails oder Chats zu verschlüsseln ist nicht schwer, auch wenn frau sich mit der Technik nicht so gut auskennt. Oft muss die Verschlüsselung in den Einstellungen der Software, also zum Beispiel dem E-Mail-Client, nur aktiviert werden. Auch Festplattenverschlüsselung ist auf Computern heute eine Standardoption. Und es gibt Programme wie PGP („Pretty Good Privacy“) oder GnuPG für sichere E-Mail-Verschlüsselung.
Kann ich irgendwo erfahren, welche Daten über mich gespeichert sind?
Das deutsche Datenschutzgesetz enthält Regelungen zum Recht auf Auskunft über persönliche Daten, die bei Unternehmen und Behörden gespeichert sind. Wer seinen Datenschatten ausloten will, kann auf der Seite des Datenschutzbeauftragten des Bundes Formulare runterladen und an die entsprechenden Stellen schicken. Der Prozess kann sich hinziehen, Behörden und Unternehmen reagieren manchmal erst auf Nachfrage.
Vergisst das Internet wirklich nichts?
Ja und nein. Wenn das Blog oder die Internetseite inklusive aller Daten auf dem eigenen Server liegen, können diese Informationen gelöscht werden. Anders ist das bei kommerziellen Anbietern wie Facebook oder Google. Hier werden die Daten in der Regel nicht gelöscht, sondern verborgen. Sie sind zwar für andere nicht mehr abrufbar, aber nach wie vor vorhanden. Schwierig wird es, wenn sich Fotos, Videos oder Zitate im Netz verselbstständigen. Gegen andere UserInnen, die Informationen immer wieder hochladen und verlinken, kommen nicht einmal Prominente mit teuren Anwälten an. Löschen – in diesem Fall ziemlich aussichtslos.
Weiterlesen
Constanze Kurz/Frank Rieger: Die Datenfresser (S. Fischer)