Besuch bei den Sissinghurst-Mädchen

Sibylle Kreuzberger (li) und Pamela Schwerdt in ihrem eigenen Garten. - Foto: Kej Hielscher
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Der Zug aus London erreicht gegen Mittag Morton-in-Marsh, eine Kleinstadt in der Nähe von Oxford. Pamela Schwerdt steht an der Bahnstation. Ihr dunkles Haar, von grauweißen Strähnen durchzogen, umrahmt ein rundliches Gesicht. Sie trägt eine sportliche Bluse zur Hose. Die Begrüßung ist freundlich reserviert. In ihrem Kleinwagen fährt Pamela uns resolut durch die Stadt. Die Häuser wirken, als hätte es seit zweihundert Jahren kein Architekt gewagt, ihr Äußeres zu modernisieren. In dem nur eineinhalb Zugstunden von London entfernten Städtchen herrscht die behagliche Atmosphäre vergangener Tage. "Es ist nur noch ein Sprung bis nach Condicote, wo wir wohnen", sagt Pamela.

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Am Rande der Cotswolds hat sie sich mit Sibylle Kreutzberger niedergelassen, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Die Frauen kennen sich seit über vierzig Jahren und haben fast immer zusammengearbeitet. Über drei Jahrzehnte waren die beiden "Head Gardeners" von Sissinghurst, Englands berühmtester Gartenanlage.

Das kleine Garden House der beiden Ladys liegt so versteckt, dass wir es allein wahrscheinlich kaum gefunden hätten. Sibylle Kreutzberger, Pamelas Lebensgefährtin, steht in der von Euphorbien und Farnen gesäumten Auffahrt. Groß, hager und braungebrannt, streckt sie ihre Hände zur Begrüßung aus. Herzlich heißt sie die Besucher willkommen und führt sie in das einstöckige Haus aus den typisch gelben Natursteinen der Cotswolds. Tee wird aufgebrüht.

"Als wir uns zur Ruhe setzten, war es gar nicht so einfach, ein passendes Haus zu finden. Viel Geld hatten wir nicht; das ist eher selten in unserem Beruf", eröffnet Sibylle Kreutzberger das Gespräch. Die Makler müssen sich gewundert haben, denn die beiden Frauen verhielten sich bei der Haussuche äußerst ungewöhnlich: "Unser zukünftiges Domizil musste natürlich einen Garten haben. Wir nahmen also als erstes Bodenproben, weil wir wissen wollten, in welcher Erde wir zukünftig gärtnern würden", erzählt Sibylle.

Das zum Haus gehörende 1.500 Quadratmeter große Stück Land hat steinigen Boden mit einer hauchdünnen Schicht Muttererde, pH-Wert 8,5. Eine Mauer rund um das propere Anwesen schützt gegen den Wind. Als die Frauen es übernahmen, standen dort nur drei Bäume. "Das hieß für uns: totaler Neuanfang. Eine herrliche Herausforderung für Gartenprofis."

Die beiden Ladys wirken bescheiden. Ihnen ist nicht anzumerken, dass sich die Hortuswelt darum reißt, sie für Vorträge und Seminare zu engagieren. "Gleich nach unserer Pensionierung reisten wir viel", berichten sie. "Wir waren in Amerika und auf dem europäischen Kontinent. Jetzt bleiben wir auf der Insel. Wir haben beschlossen, nur noch sechsmal im Jahr Condicote zu verlassen, um über unsere Erfahrungen zu sprechen."

Kennern in der Gärtnerzunft flößen die Namen Pamela Schwerdt und Sibylle Kreutzberger Ehrfurcht ein. Sie wissen, dass die Gärtnermeisterinnen über drei Jahrzehnte Englands meistbesuchten Garten Sissinghurst mitgestaltet und geleitet haben. Es ist ihr Verdienst, dass er bis heute eine Pilgerstätte für Gartenliebhaber aus aller Welt geblieben ist. Die meisten Menschen aber verbinden Sissinghurst nur mit dem Namen Vita Sackville-West (1892–1962); sie denken an die extravagante Erfolgsschriftstellerin und Freundin von Virginia Woolf.

Die Aristokratin und ihr Ehemann, der Diplomat Sir Harold Nicolson, hatten 1930 in der südenglischen Grafschaft Kent für 12.000 Pfund eine heruntergekommene Farm mit halbverfallenen Gebäuden und einem Turm gekauft: Sissinghurst. Aus den Einnahmen ihrer Romane finanzierte Vita Sackville-West die Umgestaltung des Anwesens. Einige Bauwerke wurden restauriert und durch einen weitläufigen Garten miteinander verbunden. Das dauerte Jahre und kostete viel Geld.

Wie Sissinghurst langsam neu entstand, hat die gärtnernde Schriftstellerin in wöchentlich erscheinenden Zeitungsartikeln geschildert. Und während der 14 Jahre, in denen Vita Sackville-West für den Londoner Observer eine eigene Gartenkolumne schreibt, wurde das Anwesen fast populärer als ihre Romane. Zu Tausenden pilgern die Briten seither nach Sissinghurst. Sogar Königin Elisabeth II. kommt und bleibt nach einem Gartenrundgang zum Mittagessen und zum Tee. Als die Herrin von Sissinghurst die beiden Gärtnerinnen engagiert, ahnt sie nicht, dass diese Frauen ihr Werk über ihren Tod hinaus fortführen werden.

Die beiden Frauen finden früh zu ihrer Leidenschaft. "Bevor ich laufen konnte, hat mir meine Oma schon die Pflanzen und ihre lateinischen Namen erklärt", erinnert sich Pamela. Die Großmutter gründete in England die Gesellschaft für Wildblumen und war "eine absolute Kennerin: Sie hat mich aus dem Kinderwagen direkt auf die Wiese gesetzt, um mir zu zeigen, was da blüht."

Sibylle Kreutzberger stammt aus Königsberg. Dort lebte sie mit ihren Eltern und zwei Geschwistern in der Pfarrei des Vaters. Sie erinnert sich an einen großen Park, einen Tennisplatz und einen Gemüsegarten, den Gärtner in Ordnung halten. Als 1933 die Nationalsozialisten die Macht übernehmen, überwirft sich der Pastor mit den örtlichen Parteigrößen; es scheint ihm klüger, Deutschland zu verlassen. Mit seiner Frau und der damals sieben Jahre alten Sibylle geht er 1937 nach England.

Pamela erzählt, wo sich die beiden Freundinnen kennengelernt haben: in Waterperry, auf der Gartenfachschule für Frauen. "Es gab damals zwei Gärtnerschulen für Mädchen. Ich bewarb mich bei beiden und wurde von beiden angenommen. Für Waterperry entschied ich mich dann wegen der Kleiderordnung. In die andere Schule, das College Wye, musste man eine Kappe und einen Umhang mitbringen, wie man sie an den Universitäten Oxford und Cambridge trägt. Waterperry dagegen verlangte nur Gummistiefel und einen Regenumhang als Grundausstattung. Das gefiel mir besser – und auch Sibylle, wie wir später herausfanden."

Zwei Frauen haben 1927 die Gartenfachschule Waterperry gegründet: Avice Sanders und Beatrix Havergal. Beide Damen führen ein strenges Regiment. So erleben Pamela und Sibylle eine harte Lehrzeit: Arbeitsbeginn ist sieben Uhr morgens. Um acht Uhr läutet es zum Frühstück. Danach werden die Schülerinnen in Vierergruppen eingeteilt – zwei Mädchen aus dem ersten Lehrjahr und zwei aus dem zweiten. Jede Gruppe arbeitet eine Woche lang in den verschiedenen Abteilungen: in den Gewächshäusern oder im Gemüsegarten, in der Staudengärtnerei, auf dem Gemüsefeld oder im Obstgarten. Dann beginnt die Rotation von vorn; so können die Schülerinnen im fünfwöchigen Rhythmus die Pflanzen beobachten. Punkt zwölf Uhr mittags müssen alle in die Treibhäuser, um dort die Gewächse zu wässern. Mittagspause ist von dreizehn bis vierzehn Uhr. Danach wird bis zum "five o’clock tea" weitergearbeitet. Erst nach der Teepause folgt der theoretische Unterricht: Vorlesungen über Botanik, Boden- und Klimakunde. Oft werden die Lektionen nach dem Abendessen fortgesetzt.

Die Schülerinnen schuften in der riesigen Gärtnerei von Waterperry wie Profis. Sie legen Frühbeete an, päppeln Pflanzen hoch, düngen, gießen, binden Spalierobst, hacken und jäten Unkraut. Geht etwas schief, müssen sie Rechenschaft ablegen. Lässt eine Pflanze den Kopf hängen oder geht ein Sämling ein, wird eine Versammlung einberufen und das Vorkommnis besprochen.

Die gründliche und praxisnahe Ausbildung in Waterperry dauert zwei Jahre. Wer sie durchsteht, hat keine Mühe, eine Anstellung zu finden, obwohl der Gärtnerberuf immer noch vorwiegend von Männern ausgeübt wird. Sibylle und Pamela erhalten das Angebot, als Lehrerinnen in Waterperry zu bleiben. Sibylle soll die Verantwortung für den Gemüsegarten, Pamela die für den Blumengarten übernehmen. Die beiden akzeptieren. Nach zehn Jahren haben sie die Internatsatmosphäre gründlich satt.

Pamela und Sibylle träumen von einer eigenen Gärtnerei. Sie schreiben an die Besitzer großer Güter: Wäre es vorstellbar, auf dem Anwesen eine Gärtnerei zu eröffnen? Auch Vita Sackville-West erhält Post und antwortet: Nein, sie habe kein Land zu verpachten. Doch sei man in Sissinghurst gerade auf der Suche nach einem Gärtner oder einer Gärtnerin. Ob die Damen nicht Lust hätten, einmal vorbeizukommen? Sibylle und Pamela reisen nach Kent; ein heißer Julitag im Jahre 1959 wird zum Glücksfall für alle Beteiligten.

Als sie ihren Besuch empfängt, trägt Vita Sackville-West ihren Gartendress: Breeches, bis zum Knie geschnürte Stiefel, weiße Spitzenbluse und Perlenkette. Sie ist groß und schlank – eine Lady. Ohne große Einführung zeigt sie den jungen Frauen ihren Besitz und was ihr am meisten am Herzen liegt: ihre Gärten, die sich über vier Hektar erstrecken.

Nach dem Rundgang schlägt die Lady den jungen Frauen unvermittelt vor, doch die neuen "Head Gardeners" von Sissinghurst zu werden. Die Stelle ist vakant, weil der bisherige Chefgärtner, Ronald Platt, sie kürzlich verlassen hat. Man plaudert miteinander. Die Besucherinnen erfahren, wieviel sie verdienen würden. Begeistert sind sie von dem hübschen Cottage, in dem sie wohnen könnten.

Am 1. Oktober 1959 treten die Gartenmeisterinnen ihren Dienst in Sissinghurst an. Über Jack Vass, den ersten Obergärtner von Sissinghurst, hören Sibylle und Pamela legendäre Geschichten. So soll der junge Meister an seinem ersten Arbeitstag 1939 in wenigen Stunden ("bis halb neun Uhr morgens") Tausende Narzissen und Krokusse gepflanzt haben. Gärtnerlatein? Vass konnte zweifellos andere mitreißen. Denn als er und seine Hilfskräfte 1941 in den Krieg ziehen mussten, hatte er die hochherrschaftlichen Arbeitgeber dazu gebracht, während seiner Abwesenheit die Hecken selbst zu schneiden. Nach Kriegsende brachte Vass die von Unkraut überwucherten Gärten in Rekordzeit wieder auf Vordermann. Er war es, der 1949 nach Vitas Konzept den berühmten Weißen Garten anlegte. "Seine" Gärten hätten bereits 1955 ihren Höhepunkt erreicht, verkündete er selbstbewusst und kündigte 1957.

Die Visionärin Sackville-West erwartet von ihren Head Gardeners Tatkraft und Eigeninitiative. Beides können die Frauen bieten. Mit geübtem Blick erfassen sie, was zu tun ist: Der Garten sieht zwar herrlich verwunschen aus, doch wird es höchste Zeit, ihn zu zähmen. Die Hecken sind zu sehr in die Breite gewachsen, zu viele Pflanzen wuchern in die Wege hinein. Die Rosen sind ausgehungert, der Boden muss dringend verbessert werden. Statt den Gärtnerkollegen immer neue Aufgaben zu übertragen, packen Pamela und Sibylle selbst an. Gründlich bearbeiten sie Beet für Beet und bereiten Boden und Pflanzen auf den Winter vor.

Ihre Tätigkeit wird häufig unterbrochen, denn Vita Sackville-West will ihren Besuchern ihre weiblichen Obergärtner vorstellen, wenn sie mit Gästen durch den Garten schlendert. "Wir fühlten uns manchmal wie in einem Zoo", sagt Pamela. Ihrem Mann Harold Nicolson, der überwiegend in London lebt, schreibt Vita: "Wenn wir diese Mädchen immer hätten, würden wir mit der Zeit einen ordentlichen Garten bekommen." Sie mag die "Mädchen" – sie sagt nie "girls", sondern benutzt das deutsche Wort. Gelegentlich werden Sibylle und Pamela sogar von Lord Harold und Lady Nicolson zum Dinner geladen.

Alter Adel aber ist nicht gleichbedeutend mit grenzenlosem Reichtum. Es kostet viel Geld, ein Anwesen wie Sissinghurst zu unterhalten. Deshalb hat Vita schon zu Beginn der vierziger Jahre den Garten für zahlendes Publikum geöffnet. Jeder Besucher hat einen Shilling in eine zur Kasse umfunktionierte Gießkanne zu werfen. Am Ende der Gartensaison zählt die Lady persönlich die Einnahmen und freut sich, wenn sie dafür viele neue Pflanzen kaufen kann. Mit den "Shillings", wie Vita Sackville-West ihre zahlenden Gäste ironisch-liebevoll nennt, kann sie stundenlang fachsimpeln. Denn weil die Besucher ihre Gartenkolumne im Observer lesen, nehmen sie regen Anteil am Gedeihen von Sissinghurst. Auch gärtnert man inzwischen inselweit nach den Vorschlägen der Autorin.

Am 2. Juni 1962 stirbt Vita Sackville-West in ihrem Schlafzimmer. Die Fenster zum Weißen Garten sind weit geöffnet.

Nachrufe in den Zeitungen locken im Sommer und Herbst eine Rekordzahl von Besuchern nach Sissinghurst. Das gartenverliebte England will der Gartenlady noch einmal seine Reverenz erweisen. Viele fürchten nach Vita Sackville-Wests Tod einen Niedergang des berühmten Gartens. Würden die herrlichen Anlagen erhalten bleiben und weiterhin Jahr für Jahr in üppiger Blütenpracht aufgehen? Würden die phantasievoll gestalteten Beete, die streng geschnittenen Alleen und die perfekt in die Landschaft passenden Gebäude fortbestehen und weiter ihre magische Anziehungskraft ausstrahlen? Das Erbe von Sissinghurst übernimmt, wie es von seiner Mutter im Testament bestimmt ist, Nigel Nicolson. Er verpflichtet sich, "zu retten, was meine Mutter und mein Vater geschaffen haben, für alle Zeit den Garten zu erhalten, der zusammen mit ihren Büchern ihr geistiges Erbe ist". Nigel schätzt Pamela Schwerdt und Sibylle Kreutzberger und bittet die beiden, in Sissinghurst zu bleiben, damit sie den Garten im Sinne seiner Mutter weiter pflegen.

Es dauert allerdings noch fünf Jahre, bis der National Trust, Englands Nationalstiftung, Sissinghurst übernimmt. Für Pamela und Sibylle eine lange Durststrecke, denn Nigel kann ihnen nur ein sehr knappes Gartenbudget zur Verfügung stellen. Aber die beiden Gärtnerinnen haben in Waterperry gelernt, den Pfennig umzudrehen. Geld geben sie nur für Neuzüchtungen aus. Ansonsten erhalten sie die Pflanzenvielfalt durch Teilen und Vermehren vorhandener Stauden und durch Anzucht aus eigenem Saatgut.

Die Gärtnerinnen wollen jetzt notwendige Reparaturarbeiten nicht länger aufschieben. Zuerst lassen sie die Hauptwege pflastern, damit kein Besucher auf den wackligen Trittsteinen zu Schaden kommt. Der National Trust genehmigt dafür teure Steine aus York und auch speziell gebrannte Backsteine, die den vorhandenen Tudorsteinen ähneln. Dann folgt der Austausch der Buchshecken im Rosengarten. Pamela und Sibylle haben ihn von langer Hand vorbereitet und sechs Jahre lang aus Stecklingen neue Pflanzen vorgezogen. Inzwischen sind sie kräftig herangewachsen und können gepflanzt werden.

Dem Rosengarten widmen die Gärtnerinnen ihre besondere Aufmerksamkeit, denn an Vita Sackville-Wests Liebe zu alten Rosen erinnern sich fast alle Besucher; sie kommen, um Vitas Lieblinge an Ort und Stelle zu bewundern. Mit gezücktem Stift notieren sie die Namen der üppig blühenden und betörend duftenden Schönheiten: "Cardinal de Richelieu", "Hyppolyte", "Nuit de Young" oder "Zigeunerknabe" heißen die Zentifolien, die Gallica- und Damaszenerrosen; Schätze wie "Felicia", eine Moschatahybride, oder als Seltenheit die Bourbonrose "Mme. Lauriol de Barny" und "Baron Girod de l’Ain", eine Remontantrose, sowie die einfache Strauchrose "Plena" bilden eine Farbsymphonie vom hellsten Rosa bis ins Tiefviolett.

Hunderte von Rosen ließ Vita von Züchtern kommen, bis sie eine der feinsten Sammlungen Englands zusammengetragen hatte. Als Gartenberater Graham Stuart Thomas 1955 sein Buch über alte Rosen herausbringt, schreibt Vita Sackville-West eine Lobeshymne: "Mr. Thomas ließ mir unerwartet die geheimnisvolle Dämmeratmosphäre eines orientalischen Basars wiedererstehen, wo Teppiche aus Isfahan, Buchara und Samarkand in ihren matten, aber prunkvollen Farben und ihrer Fülle zu unserem langsamen Genuss entrollt wurden. Sie waren üppig wie eine geöffnete Feige, weich wie ein reifer Pfirsich, gesprenkelt wie eine Aprikose, korallenrot wie ein Granatapfel, flaumig wie eine Weintraube. Daran erinnern mich alte Rosen. Sie haben einen großen Fehler, und Mr. Thomas verschweigt ihn nicht: Ihre Blütezeit ist auf einen herrlichen Sommermonat beschränkt."

"Seit den achtziger Jahren ist das Besichtigen von Schlössern und Gärten nahezu eine Massenbewegung, ein Volkssport geworden", sagt Sibylle. "Als wir feststellten, dass wir in einer Saison mehr als hunderttausend Besucher hatten, wehrten wir alles ab, was die Popularität des Gartens noch hätte steigern können." Die Gärtnerinnen versuchen, Fernsehsender abzuweisen, die über Blütezeiten in Sissinghurst berichten wollen. "So wenig Werbung wie möglich war unsere Devise", erklärt Pamela. Sie vertritt bis heute die Meinung, dass "nicht jeder Gartenkalender Photos von Sissinghurst zeigen muss". Denn es schadet den Gärten, wenn sich täglich Menschenmassen in ihnen bewegen, die nicht nur über den Rasen laufen, sondern ihre Lieblingspflanzen aus allernächster Nähe bewundern wollen und dabei in die Beete treten.

Sibylle Kreutzberger und Pamela Schwerdt betrachteten es als ihre Hauptaufgabe, Sissinghurst "für die Ewigkeit" zu erhalten. Bei ihrem Abschied in den Ruhestand 1991 hinterlassen sie Gartentagebücher mit dem leicht ironischen Titel "Great Thoughts" (Große Gedanken). 32 Jahre lang haben sie gewissenhaft notiert, welche Pflanzkombinationen ihnen an langen Winterabenden durch den Kopf gingen und welche Ideen sich umsetzen ließen; sie haben aufgeschrieben, welche Pflanzen sich nicht bewährten, welche Saat nie aufging. Ihre Arbeitsdokumentation übergeben sie der Bibliothek von Sissinghurst. Die Aufzeichnungen werden zukünftigen Head Gardeners helfen, ihre Arbeit fortzusetzen. Bei ihrem Arbeitsantritt in Sissinghurst gab es einen kleinen Vorkriegs-Handrasenmäher, zwei hölzerne Schubkarren mit eisenbeschlagenen Holzrädern und eine schwere tragbare Gartenspritze. Für Transporte von außergewöhnlichen Lasten wurde ein Esel gehalten. Als sie Sissinghurst verließen, wurde dort mit Traktoren, mit Kreisel- und Walzenmähern, mit Kantenschneidern und Luftdruckspritzgeräten gearbeitet. Dazu verfügte jeder Gärtner über sein persönliches Handwerkszeug, das die beiden Frauen für ihre Mitarbeiter angeschafft hatten: Spaten, Handspaten, Grabegabel, Handgabel, Schuffel, Handhacke, Erdschäufelchen, Gartenschere und Reiserbesen.

Mit solchen Geräten werkeln Sibylle und Pamela nun auch auf ihrem Grundstück in Condicote: "Endlich unser eigener Garten". Er ist ein Meisterwerk! Ein Hortus conclusus! An den Mauern blühen Clematis, Geißblatt und Rosen um die Wette. Die Gewächse schlingen sich über die Mauern und lassen hier und da wie zufällig ihre Zweige lose herunterhängen. Davor eine Blumenrabatte in Farben von Violett über Rosa hin zum sanften Gelb und Weiß. Auf makellosem Rasen schreiten wir an dem Wunderwerk aus Pflanzen vorbei, fast sprachlos angesichts so großer Kennerschaft. Riesiger weißer Rittersporn zieht den Blick auf sich, Meerkohl (Crambe cordifolia) bildet luftige, unübersehbare Schaumwolken, und die runden Köpfe von Zierlauch (Allium christophii) setzen Ausrufungszeichen. Dazwischen Gruppen von violettfarbenen Iris, lilarosa Nachtviolen und Silberblatt. Salbei (Salvia argentea) und Artemisia schmidtiana, die filigrane silbergraue Edelraute, verfeinern das Bild. Und keine Blüte lässt den Kopf hängen.

"Natürlich ist unser Gärtchen sehr arbeitsintensiv", erklärt Sibylle, "ich schneide täglich das Verblühte ab. Dabei kontrolliert man ganz nebenbei, ob Pflanzen von Schädlingen befallen sind, ob sie Wasser oder Dünger brauchen."

"Wir haben in der Nähe eine Bed&Breakfast-Übernachtung arrangiert", sagt Pamela. Diesmal steigt auch Sibylle mit ins Auto. Während der Fahrt diskutieren beide, was sie demnächst in ihrem Garten noch ändern wollen. "Es ist wunderbar, endlich einen eigenen Garten zu haben, in dem wir machen können, was wir wollen", sinniert Sibylle. "In England sagt man: Gardening is a philosophy of hope – Gärtnern ist eine Philosophie der Hoffnung." Ein schönes Wort zum Abschied.

Der Text ist ein gekürzter Nachdruck aus "Süchtig nach grün – Gärtnerinnen aus Leidenschaft" von Renate Hücking (Piper).

Aktualisierung: Dieser Artikel erschien im Juli 2009 in EMMA. Pamela Schwerdt verstarb im September 2009.

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