Echo: Und der Sexismus?

Die Rapper Farid Bang und Kollegah. © Imago/xcitepress
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Ja, es ist überfällig, dass Deutschland endlich über Kollegah & Konsorten debattiert. Ja, es ist großartig, dass der „Echo“ sich endlich fragen lassen muss, welche Menschenverachtung da ausgezeichnet wird und ob Verkaufszahlen wirklich das Kriterium für einen Musikpreis sein können. Und ja, es ist absolut richtig, dass das widerwärtige Verhöhnen von Holocaust-Opfern diesen Eklat ausgelöst hat. Es wäre unerträglich gewesen, wenn das Echo-Publikum zur Tagesordnung übergegangen wäre. Danke, Campino!

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Und dennoch: Warum eigentlich erst jetzt? Warum brauchte es erst das Wort „Auschwitz“, damit Musiker ihren „Echo“ zurückgeben, Sponsoren abspringen und Mitglieder des so genannten „Ethik-Beirats“ zurücktreten? Die Antwort lautet: Weil die brutale Frauenfeindlichkeit von Kollegah und Farid Bang bis dato niemanden interessiert hat.

Kollegah: Ich fick deine Bitch, bis ihr Steißbein bricht

Kostprobe aus dem aktuellen, prämierten Album: „Dein Chick ist ne Broke-Ass-Bitch, denn ich fick sie, bis ihr Steißbein bricht/Dieses Album kommt, weil ihr wieder Ansagen braucht/Fuck mich ab und ich ficke deine schwangere Frau/Danach fick' ich deine Ma, die Flüchtlingsschlampe“.

Es ist nicht verwegen zu behaupten, dass diese Zeilen niemanden, selbst nicht Campino und schon gar nicht Marius Müller-Westernhagen, zu irgendeinem Protest bewegt hätten. Kollegah ist nämlich, was erstaunlicherweise niemand erwähnt, bereits 2015 und 2016 mit dem „Echo“ ausgezeichnet worden. Titel des prämierten „besten Hip Hop-Albums 2016“: „Zuhältertape Vol. 4“.

Schon 2016 hatte es durchaus Proteste gegen Kollegah gegeben - allerdings nicht bei der „Echo“-Preisverleihung. In Bielefeld hatten der AStA und das Feministische Referat der Uni gegen einen Auftritt des Rappers protestiert. Auch in Bremen forderten viele, vom Mädchenkulturhaus bis zur Schwuleninitiative, dem Rapper keine Bühne für seine „abscheulichen Texte“ zu geben, „in denen Frauen und nicht heterosexuell Orientierte bis zum tiefsten denkbaren Niveau degradiert und beleidigt werden“.

Zum Beispiel so: „Ich bau Aggressionen ab durch Vergewaltigungen von Bordsteinschlampen“ oder „Kid, ich würde lügen, wenn ich sagen würde: Nein, ich habe nie ne minderjährige Bitch missbraucht.“ Oder so: "Ich komm mit ner Horde Hunde plus Zuhältern, die dich ermorden, Tunte.“

Warum hat niemand beim Echo 2016 protestiert?

Diese enthemmte Menschenfeindlichkeit hielt jedoch weder die Jury noch den Ethikrat des „Echo“ davon ab, den selbsternannten „Zuhälter“ mit ihrem Preis zu adeln. Alle applaudierten brav.

Doch jetzt, im Jahr 2018, fliegt dem größten deutschen Musikpreis die Sache um die Ohren. Denn Deutschland ist gerade zurecht schockiert über die Erkenntnis, wie verbreitet Antisemitismus offenbar unter Muslimen ist, selbst unter solchen im Grundschulalter. Und erst vor wenigen Wochen hat die Ermordung der Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll in Paris durch einen Franco-Marokkaner nicht nur in Frankreich für Entsetzen gesorgt.

Es ist also nicht nur Deutschlands „historische Schuld“, sondern auch die aktuelle Debatte um den Antisemitismus, die dafür gesorgt hat, dass Kollegah und Farid Bang diesmal nicht mehr durchgekommen sind. Wer sind eigentlich diese Jungs? Kollegah, der bürgerlich Felix Blume heißt und im Hunsrück mit einem algerischen Stiefvater aufwuchs, konvertierte als Jugendlicher zum Islam. Farid Bang, eigentlich: Farid Hamed El Abdellaoui, ist Sohn marokkanischer Eltern und lebt seit seinem achten Lebensjahr in Düsseldorf. Aus Slums kommen die beiden also nicht gerade.

Ja, richtig. Auch von der Frauenfeindlichkeit der Rapper ist jetzt gelegentlich die Rede. Endlich. Es wäre wünschenswert, wenn auch diese Art der Menschenverachtung künftig ein No Go wäre. Sexismus - ein k.o.-Kriterium für Musikpreise aller Art. Ganz wie Antisemitismus und Rassismus.

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Alice Schwarzer schreibt

Alice Schwarzer antwortet Bushido

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Hey Bushido,

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als ich dich vor drei Jahren in meine Talkshow einlud, um mit dir über deine kruden und menschenverachtenden Songs zu reden, da hast du gekniffen. Jetzt sehe ich im Internet, dass du davon träumst, mit mir zu sprechen. Und in deiner Phantasie stellst du dir vor, dass ich zu dir sage: "Hey, Bushido, wie waren denn die Titten damals von deiner Mutter? Als du als kleiner Junge daran gesaugt hast." Und du würdest mir antworten: "Ey, Fotze! Fick dich ins Knie!"

Hallo? Seit wann habe ich pornografische Phantasien mit stillenden Müttern? Die hast du! Und genau das ist dein Problem.

Wir sind für dich nur Fotzen,
die man von hinten fickt.

Das Fass mit mir machst du jetzt auf, weil dein Film läuft. Und da kannst du jede Werbung gebrauchen. Was läge da näher, als ein öffentlicher Fight mit Alice Schwarzer?

Ich tu dir den Gefallen aber nicht. Denn, ganz ehrlich: Ich kann dich nicht ernst nehmen. Du redest viel von Ehre und Respekt, aber du redest davon, wie der Blinde von der Farbe.

Und jetzt ist es dir noch nicht einmal zu blöd, für deinen PR-Gag auch noch obszön über deine eigene Mutter zu labern. Dabei liebst du sie doch angeblich so. Nicht zuletzt, weil sie ein Leben lang bedingungslos – zu bedingungslos? – zu dir gehalten hat.

Ja, schon klar, Bushido: Du bist irgendwie zerrissen. Zwischen dieser deutschen, ergebenen Mutter und diesem tunesischen, abwesenden Vater. Der war schwach - aber stark genug, deine Mutter regelmäßig zu verprügeln.

Und welche Lehren hast du Muttersohn daraus gezogen? Die, gewalttätige Männer zu verachten? Nein, im Gegenteil: Du identifizierst dich mit dem Täter! Auch du verachtest die Frauen. Wir sind für dich nur Fotzen, die man von hinten fickt.

Deine Idole sind gewalttätige, "echte" Männer. Männer, wie Arafat Abou Chaker, nach deiner eigenen Aussage "einer der mächtigsten und berüchtigtsten Männer Berlins". Das sieht die Polizei genauso.

Dieser libanesische Clanchef hat dich vor sechs Jahren auf deine Bitte hin aus dem Knebel-Vertrag mit deiner alten Plattenfirma Aggro rausgehauen. Vermutlich auf seine Art. Jetzt bist du in seinem Label ersguterjunge GmbH sein Goldesel. Humor scheint er zu haben, dein Arafat.

Mit ihm bewohnst du jetzt samt Mama und vielen, vielen stiernackigen Bodyguards anscheinend eine Villa im biederen Lichterfelde. So heißt es in den Medien. Da grillst du, schneidest die Hecken und hörst Depeche Mode. Okay. Ich gönn es dir. Nur erzähl uns nichts vom Ghetto, von Verzweiflung und Ehre.

Dein Leben war, abgesehen von ein paar Ausrutschern, immer eines auf dem Sofa. Du bist als Anis Mohamed Youssef Ferchichi im kleinbürgerlichen Berlin-Tempelhof aufgewachsen und hast das Gymnasium kurz vor dem Abi geschmissen. Es folgten Drogen, Heim und eine Lehre als Anstreicher (mit Bestnote abgeschlossen). Nicht so aufregend, klar.

Da bist du auf den Trichter mit dem Gangsta-Rap gekommen. Aber der Punkt ist: Du siehst nur so aus. Du spielst nur. Der einzige echte Gangsta in deiner Nähe ist vermutlich dein Beschützer Arafat.

Du aber tust dir nur selber leid und bist von Mutters Rockzipfel nie weggekommen. Ganz wie die verunsicherten Jungs und Mädels, denen du deinen 80.000-Euro-Stundenlohn beim Konzert verdankst.

Dein Leben war immer eines auf dem Sofa.

Jetzt gehst du also Mainstream in Berliner Salons, trägst steingraue Edeljackets und dinierst mit deiner Filmmutti Hannelore Elsner im Borchardt oder machst Smalltalk mit CSU-Seehofer. Der hält dich vermutlich, ganz wie dein midlifekrisender Filmproduzent Eichinger, für ein Sesam-öffne-dich zur rebellischen Jugend.

Du bist aber nur ein kleinbürgerlicher Spießer, der die echt Verzweifelten abzapft. Also ganz ehrlich, Bushido: Respekt kann ich davor nicht haben.

Es grüßt dich und vor allem deine Mutter

Alice Schwarzer

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