"Ein Penis IST ein männliches Genital"
Immer mehr Trans-Aktivisten erklären, dass sie eine Geschlechtsanpassung gar nicht mehr anstreben wie einstmals die meisten transsexuellen Menschen, denn, so die Begründung: „Ein Penis ist nicht per se ein männliches Geschlechtsteil.“ Wie blickt der Verein auf Menschen, die sich als transsexuell definieren, dabei aber in ihrem biologischen Körper verbleiben wollen?
Frank Gommert: Es ist gesamtgesellschaftlich ein großes Problem, wenn es keine klaren und vor allem keine „körperbezogenen“ Geschlechtsbegriffe mehr gibt. Ein Penis IST ein männliches Genital! Wer derartige Fakten leugnet, verleugnet nicht nur die Biologie, sondern auch die Lebensrealität der Mehrheit der Menschen. Mit der Bezeichnung „Geschlechtsanpassung“ meint man eine genitale operative Angleichung. Dieser Aspekt ist für all jene Menschen wichtig, die unter der Diskrepanz von Bodymap, also dem Körperabbild im Gehirn, und den ausgebildeten Genitalien leiden. Die Vereinigung-TransSexuelle-Menschen e.V. hat sich durch ihre Gründung ganz klar und vorrangig zur Vertretung der Interessen von Menschen mit originärer Transsexualität bekannt, wobei wir diese Betroffenheit übrigens heute als Neuro-Genitales-Syndrom, kurz NGS, beschreiben.
EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer setzt sich seit Jahrzehnten für die Rechte von Menschen mit Transsexualität ein, erklärte aber in diesem Jahr auch, dass sie gerade bei Jugendlichen einen Trend ausmache, sich als transsexuell zu definieren, ohne es wirklich zu sein. Oftmals würden andere Aspekte hineinspielen, beispielsweise eine verdrängte Homosexualität. Dafür wird Schwarzer seit Monaten scharf angegriffen, als TERF beschimpft und gerne auch ins politisch rechte Lager geschoben.
Auch ich, als öffentlich auftretender Vertreter der VTSM e.V., wurde schon diverse Male als „TERF“ bezeichnet und viele Male ins politisch „rechte Lager“ geschoben. Das ist ein heute probates Mittel zur Diskreditierung unerwünschter Positionen. Auch aus unserer Sicht ist Reflexion etwas unverzichtbar Notwendiges, damit es nicht zu Schritten kommt, die später zutiefst bedauert werden, die dann aber nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Gerade für Jugendliche ist das Risiko groß, durch pubertätsbedingte Unsicherheiten in eine falsche Richtung abzubiegen, die mit angemessener Reflexion vermieden werden kann.
Die Zahl der Jugendlichen, die sich selbst als „transsexuell“ definieren, ist in den letzten zehn Jahren rapide angestiegen. Je nach Studie sprechen wir hier von einer Zunahme von mehreren tausend Prozent. Aktivisten erklären dies damit, dass die Welt liberaler geworden sei und sich deswegen mehr Menschen als transsexuell outen würden. Kann das wirklich der einzige Grund sein?
Nein, das ist nicht der einzige Grund! Natürlich ist es für Betroffene heute leichter, als es zum Beispiel in meiner eigenen Kindheit und Jugend der Fall war, und das ist auch gut so. Aber wir leben aktuell in einer Zeit, in der gesellschaftlich trotz aller vermeintlichen „Genderoffenheit“ Kinder und Jugendliche wieder sehr stark in extreme Geschlechtsrollenbilder gepresst werden. Übrigens gibt es bezüglich der vermeintlich explodierenden Zunahme sehr große Unterschiede zwischen Metropolen/Großstädten und Landbevölkerung. Aber auch die aktuelle politische und mediale Herangehensweise an diese Thematik hat großen Einfluss.
Viele Ärzte und Psychologen wie aber auch Menschen mit Transsexualität erklären inzwischen, dass es weiterhin sinnvoll wäre, vor einer Geschlechtsangleichung eine medizinische und psychologische Betreuung gesetzlich als Grundvoraussetzung zu verankern. Grüne und FDP lehnen das strikt ab und erklären, nur jeder Mensch selbst könne darüber bestimmen. Wäre aus Sicht des Vereins eine gesetzlich verpflichtende Beratung oder Betreuung sinnvoll?
Ja, aus unserer Sicht wäre eine verpflichtende Beratung und Betreuung unbedingt wichtig, bei geplanten operativen Eingriffen auch zwingend notwendig! Wir arbeiten im Rahmen unseres „Netzwerks-TransSexuelle-Gesundheit“ sehr viel mit Fachärzten und Therapeuten zusammen und es gibt viele Aspekte bei einer Transition, bei denen eine begleitende Unterstützung wichtig ist.
Der Queer-Beauftragte Sven Lehmann hat erklärt, dass er gerade beim geplanten „Selbstbestimmungsgesetz“ alle Vereine und Gruppen, die maßgeblich mit der Thematik zu tun haben, mit im Gespräch haben will. Früher wurde Ihr Verein ja bereits vom Bundesfamilienministerium zu Rate gezogen. Fand denn unter der Ampel-Koalition ein Gespräch statt?
Ferr Lehmann ist von sich aus gar nicht auf uns zugekommen. Auf ein Anschreiben unsererseits hat er so oberflächlich reagiert, dass uns bewusst geworden ist, dass er offensichtlich nicht versteht, was „Transsexualität“ (NGS) ist. Ein Gespräch hat bis heute nicht stattgefunden.
Ihr Verein hat auch ein Positionspapier zum „Selbstbestimmungsgesetz“ an alle Parteien geschickt, eine inhaltliche Antwort sind bisher alle Parteien schuldig geblieben. Der Verein kritisiert darin unter anderem, dass hier Politik für Menschen mit Transsexualität gemacht werde, ohne dass wirklich jene angehört werden, die es direkt betrifft. Warum ist das so? Weil sich viele „Trans*Vereine“ als „Vertretende für Alle“ bezeichnen. Diese Vereine erhalten Fördermittel aus der Politik, da sie in die politische Ausrichtung passen.
Ein Kritikpunkt von Feministinnen ist der mögliche Wegfall von Schutzräumen. Wie könnte man dieser Problematik bestmöglich begegnen?
Indem klare Grenzen definiert und anerkannt werden: Frauenschutzräume sind vollumfänglich körpergeschlechtlichen Frauen vorbehalten. Da auch „Trans*Frauen“ ebenso wie „nicht-binäre Personen“ Schutzbedürfnisse haben, sollte dies zu eigenen Schutzräumen führen, statt zur Übernahme vorhandener Frauenschutzräume. Es geht auch um die große Anzahl besonders schutzbedürftiger Frauen und Mädchen, die Erfahrungen mit sexuellen Übergriffen gemacht haben, und für die das traumatische Erlebnis in einem für sie vermeintlich sicheren Schutzraum durch die unerwartete Konfrontation mit einem als bedrohlich empfundenen männlichen Genital erneut auftritt. Dies führt in der Konsequenz wahrscheinlich dazu, dass viele dieser Frauen künftig von der Nutzung entsprechender Räume – Umkleiden, Sport- oder Schwimmeinrichtungen – gänzlich abgehalten werden.
Welche Forderungen hat der Verein an die Parteien mit Blick auf das geplante „Selbstbestimmungsgesetz“?
Unsere Hauptforderung ist es, dass gerade mit Bezug auf die geschlechtliche Selbstbestimmung zuerst einmal die Optionen mit allen Gruppen, die dadurch betroffen sind, geklärt werden. Denn eine „echte Selbstbestimmung“ kann ja nur erfolgen, wenn dafür die Grundlagen klar und eindeutig sind! Durch das unreflektiert umgesetzte „Selbstbestimmungsgesetz“ käme es zu einer neuen Form der Fremdbestimmung, die diesmal von einer Minderheit ausgeht, deren Angehörigen es anscheinend egal ist, ob sie damit anderen Menschen Schaden zufügen.
Das Gespräch ist ein Auszug aus einem Interview von Schwulissimo, das Michael Schmucker mit Frank Gommert geführt hat.