Eine Jesidin wundert sich …
In München wird zurzeit vor dem Oberlandesgericht gegen Jennifer W. verhandelt, die sich offenbar aus freien Stücken dem IS anschloss. Jennifer W. werden – neben der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung – auch Mord aus niedrigen Beweggründen und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Ein beispielloser Abgrund an Menschenverachtung. Auch soll sie zum Verdursten eines fünfjährigen jesidischen Mädchens beigetragen haben. Erstmals muss sich mit Jennifer W. eine Frau für die im Namen des IS begangenen Verbrechen in Deutschland verantworten. In das Gericht habe ich volles Vertrauen, entscheidend werden am Ende wohl die erbrachten Beweise sein und nicht das Geschlecht der Angeklagten. Aber an der Objektivität der deutschen Öffentlichkeit verzweifele ich. Die Täterinnen werden verharmlost und ihnen wird ein Geschlechterrabatt eingeräumt. Dazu bin ich als emanzipierte Frau – und Jesidin –, die sich seit Jahren für die Rechte der Frauen einsetzt, nicht bereit.
Das fängt damit an, dass in deutschen Medien ständig von „IS-Bräuten“ die Rede ist, nicht von „IS-Mitgliedern“, „IS-Kämpferinnen“ oder „IS-Terroristinnen“. Das suggeriert, das einzige Vergehen dieser Frauen bestünde darin, den falschen Kerl („Liebe macht blind“) geheiratet zu haben. Mitnichten! Die Frauen waren ein essenzieller Bestandteil des selbsternannten „Kalifats“. Diese Frauen waren alles andere als passiv, sie haben aktiv daran mitgewirkt, dass ihr Terror erbarmungslos über Jesiden, Kurden, Schiiten und allen Menschen, die sich dem Herrschaftsanspruch des IS verweigerten, niederging.
Jennifer W. zum Beispiel muss sich in München nicht nur für Taten verantworten, die sie individuell begangen hat, sondern auch als bewaffnetes(!) Mitglied der Sittenpolizei. Einer Sittenpolizei, die den Menschen – vor allem Frauen! – im Herrschaftsbereich des IS das Leben zur Hölle gemacht hat und unbarmherzig einen vermeintlich „unislamischen“ Lebenswandel verfolgt hat. Die Sittenpolizei hat den Macht- und Herrschaftsbereich des IS stabilisiert und exekutierte das vermeintliche Recht des Kalifats, bei dem Folter und Mord zur Tagesordnung gehörten.
Eine vom IS versklavte und immer und immer wieder vergewaltigte Jesidin hat mir erzählt, wie sie sich in ihrer Not an die Mutter ihres Peinigers gewandt hatte. Die wies sie mit den Worten ab: „Es ist gut, dass mein Sohn dich vergewaltigt“. Nein, für die Frauen des IS waren Jesidinnen keine Geschlechtsgenossinnen, sondern „Ungläubige“, die entmenschlicht wurden, jeden Tag aufs Neue.
Berichte, die davon handeln, dass IS-Frauen die Männer angefeuert haben, wenn gefoltert, gemordet, vergewaltigt wurde, zeigen das Ausmaß der Verrohung. Selbst Frauen, die den männlichen IS-Kämpfern vermeintlich „nur“ ein behagliches Zuhause geboten haben, haben sich ebenfalls strafbar gemacht, denn sie haben dabei das geleistet, was als „psychologische Unterstützungsmaßnahmen“ gewertet wird. Beate Zschäpe lässt grüßen. Die erhielt nur dafür lebenslänglich.
Ich kämpfe für Frauenrechte, weil ich an die volle Gleichberechtigung von Mann und Frau glaube. Was auch bedeutet, dass für Männer und Frauen das gleiche Gesetz gilt, dass vor Gericht allein die verübten Taten zählen, nicht der Chromosomensatz. Und deshalb sollten wir endlich aufhören, die Täterinnen vom IS zu verniedlichen, ihre Taten sprechen nämlich eine ganz andere Sprache. Gerade da würde ich mir, auch wenn es sich altmodisch anhört, mehr Solidarität wünschen. Solidarität mit den Opfern der islamistischen Terrormiliz und nicht mit den Täterinnen.
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