Alice Schwarzer schreibt

Die Offensive der Dunkelmänner

Artikel teilen

Wäre es nicht so nervend, es wäre ziemlich komisch. Denn ginge es nach dem Vatikan, sollten wir Frauen: 1. über unseren Körper nicht selbst verfügen, 2. die Finger von der Verhütung lassen und 3. zwangsläufig auch ungewollt schwanger werden, 4. gezwungenermaßen austragen und 5. und am allerliebsten: Es gar nicht erst treiben und gleich jungfräulich Mutter werden wie die so hoch verehrte Mutter Gottes von Papst Woytila.

Anzeige

Seit 25 Jahren spielt die Vatikan-Connection Katz und Maus nicht nur mit den Frauen in Deutschland. Sie schreckt vor nichts zurück, um die Frauen an einem ihrer elementarsten Menschenrechte zu hindern: an einer selbst bestimmten Mutterschaft. Die katholische Kirche, und niemand sonst, hat es in Deutschland erreicht, dass der Gesetzgeber die längst beschlossene – und im Ausland, auch in Italien, selbstverständliche - Fristenlösung (also das Recht auf Abbruch in den ersten drei Monaten) zurückgenommen und die sehr halbherzige 218-Reform verabschiedet hat. Nach diesem geltenden Gesetz haben deutsche Frauen auch am Ende des 20. Jahrhunderts nicht das uneingeschränkte Recht auf den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft: Sie müssen sich beraten lassen – und dürfen erst dann abtreiben.

Doch selbst das ist den Hardlinern vom Vatikan noch zu viel. Verfassungsgerichts-Urteil? Na und. Rom versucht jetzt in Bonn eine erneute Debatte zu erzwingen, bei der es um viel mehr geht als nur um die paar hundert Beratungsstellen und die Frage, ob die nun einen Schein ausstellen oder nicht. In dieser fundamentalistischen Offensive geht es – mal wieder – um die Beeinflussung und Manipulation des Klimas im ganzen Land. Und um eine Kraftprobe. Eine Kraftprobe zwischen Kirche und Staat.

Es geht um die Einschüchterung aller KatholikInnen, es geht um die Bevormundung katholischer Krankenhäuser und ÄrztInnen, es geht um die Beeinflussung katholischer WählerInnen und PolitikerInnen im Wahljahr. Mehr noch: Es geht um die (Wieder-)Verschiebung der Fronten, den Rückgewinn verlorenen Terrains.

Längst haben die selbst ernannten "Lebensschützer" es geschafft, im allgemeinen Sprachgebrauch aus einem Fötus ein "Kind" zu machen. Und nur ein sehr kurzes Stöhnen geht durchs Land, wenn ein Bischof abtreibende Frauen allen Ernstes mit Sexualmördern vergleicht.

Jüngst war sogar in der liberalen "Süddeutschen Zeitung" zu lesen, die Zeiten hätten sich zum Glück geändert, über Abtreibung würde heutzutage differenziert argumentiert. Ein "geschmackloser Protest" wie der der Frauen, die 1971 öffentlich erklärten, sie hätten abgetrieben und ihr Bauch gehöre ihnen, sowas sei heutzutage gottlob nicht mehr denkbar.

Sieh an. Hier ist von den Frauen die Rede, die mit ihrem unerhört mutigen Geständnis "Ich habe abgetrieben" und dem Postulat "Und ich fordere das Recht dazu für jede Frau" das blutige Schweigen von einst zerrissen haben. Erst dieses öffentliche Geständnis löste überhaupt die Lawine aus, die – gegen den Widerstand aller Parteien (bis auf die FDP) – 1974 zur Fristenlösung führte. Kurzfristig.

Seither sind 23 Jahre vergangen. 23 ermüdende Jahre, in denen niemand soviel beigetragen hat zu weniger Abtreibungen und mehr gewollter Kinder als die Feministinnen. Denn Frauen treiben nur ab, wenn sie ungewollt schwanger sind. Dann allerdings kann niemand sie daran hindern. Auch der Papst nicht. Übrigens treiben nirgendwo in Europa so viele Frauen ab wie in den katholischen Ländern. Logisch. Da werden sie ja auch am häufigsten ungewollt schwanger. Dank Papst.

Und in solchen Zeiten versucht dieser Papst auch noch, in unserem Zeitalter von Sexualgewalt und Aids, Präservativ und Pille zu verbieten. Und das im Namen der "Würde der Frau".

Denn eine wirklich aufgeklärte, selbst bestimmte Frau braucht noch nicht einmal zu verhüten. Sie wird schon die Sexualpraktiken so beeinflussen, dass sie nicht ungewollt schwanger werden kann. Mindestens aber wird sie verhüten. Und meistens wird sie Glück damit haben.

Das ist der Idealfall. Dass das Leben oft anders aussieht, das verantworten die religiösen Fundamentalisten jeder Couleur. Im Leben nämlich sind Frauen oft noch immer abhängig statt selbst bestimmt, unaufgeklärt statt wissend, romantisch statt realistisch – oder einfach auch Opfer einer Vergewaltigung auf der Straße oder im Ehebett.

Was hierzulande manchmal in Vergessenheit zu geraten scheint, ist: Wir sind hier in Deutschland und nicht im Iran. Wir sind kein Gottesstaat, sondern eine Demokratie. Glaubensfragen sind keine Gesetzestexte.

Artikel teilen
 
Zur Startseite