Elfriede Brüning mit 103 gestorben
Elfriede Brüning wurde von den Leserinnen in der DDR geliebt. Sie schrieb über das Befinden von Frauen, ihre Überforderung, ihr Herzeleid und Konflikte, die im Leben vorkamen. Auf die frühe journalistische Arbeit verweist, daß sie ihre verständliche und unterhaltsame Literatur auf sehr genauen Recherchen fußen ließ.
Sie tauchte auf, wo Frauen sich herumschlagen mußten, und drückte sich vor keiner unbequemen Diagnose. Anfangs schönte sie ihre Geschichten ein bißchen, damit die Bücher erscheinen konnten. Ihr lebenslänglicher Dialog mit den Frauen klang aber nicht nach Epochensieg und Ernteglanz. Dafür gabs wenig Gold, eher Blech in den Rezensionen. Das war den Frauen egal. Die waren froh, einen Band von der Brüning von unterm Ladentisch zu erstehen, und sahen sich von der Autorin verstanden.
Elfriede Brüning gehört zu der Generation von Frauen, deren mögliche Gefährten in zwei Kriegen umgebracht wurden. Die Übriggebliebenen waren im Hirn und in der Seele versehrt und hatten nicht Zeit noch Anlaß, über den Mitmenschen Frau nachzudenken. Sie nahmen ihren Platz als Erstgeborene wieder ein und sich häufig zweier einsamer Frauen an.
Die Frauen sahen sich von Brüning verstanden
Die Ansichten der Männer über Frauen taugten nicht. Das war in all seinen Folgen zu begreifen, und darüber konnte eine alt werden, immer mal wieder zu zweit sein und am Ende doch allein bleiben.
Nun ist die Brüning alt. Für 86 Lebensjahre gibt es kein anderes Wort. Sie ist nicht mehr ganz so alt, seit sie wieder angefangen hat zu schreiben. Den Gedanken, es sei nun genug, hat sie verworfen. Das ist gut so. Denn noch immer fährt sie mit dem Auto zu den Leserinnen, die sich nach all dem Wendedusel wieder auf sich besinnen und damit auch auf ihre natürlichen Verbündeten, die solidarischen Autorinnen.
Früher habe ich gedacht, im Alter sind wir abgehärtet, weniger durchlässig für Wehtun, und das könnte ein Teil der Weisheit sein. Aber es ist anders, die Haut wird dünner, doch was nicht zum Kummer gedeiht, kann trotzdem verletzen.
Es gibt Unachtsamkeiten, die hat eine nicht verdient. Weil sie ihr Leben lang gearbeitet hat und ihr Erfolg verdient war. Und der Weg allemal schwierig genug.
Was sie erworben hat, füllt zwei Zimmer, die ihr reichen. Das dritte in der Wohnung dient nun der erwachsenen Enkelin als Arbeitszimmer. Elfriedes Zeug wird gebraucht, vererbt hat sie mit warmer Hand und nur behalten, was eine haben muß, oder weil es schön ist, oder kostbares Andenken.
Elfriede Brüning wurde am unteren Zipfel des Mittelstandes hineingeboren in das Jahr 1910. Wer möchte sich solch ein Geburtsjahr aussuchen.
Die Liebe der Mutter leuchtet nach, bis heute, sie war Zuflucht, solange sie lebte. Das erlegt Töchtern auch auf. Vielleicht daher die nie abreißende Sorge Elfriedes für ihre Nachgeborenen, nicht nur die eigenen Töchter. Und maßlos bescheiden geblieben ist sie. Wenn sie verschwendet, dann für Bücher.
Die junge Elfriede war von jener zierlichen Leiblichkeit, die von Männern in Schlagern besonders gern und perfid besungen wird. Die Blonde, Braunäugige hätte "nur eine Verkäuferin in einem Schuhgeschäft" sein können, oder Betthaserl mit Tippverpflichtung für den Herrn Doktor.
Aber sie verlangte nicht nach Versorgung, sondern nach Wissen, Austausch und Anregung. Ohne Lust dazu lernte sie das Nötigste fürs Büro und war ständig auf der Suche nach Chancen. Sie wollte schreiben, schrieb, konnte ein paar Sächelchen veröffentlichen und kam in den Bund Proletarischer Schriftsteller zwischen schon bedeutende Leute wie Anna Seghers und F.C. Weiskopf.
Als es gegen Hitler ging, engagierte sie sich und landete im Untersuchungsgefängnis. Mangels Beweisen kam es nicht zur Verurteilung. Es reichte auch so.
Die Frauen hatten es in der DDR leichter, aber litten dennoch
Geblieben ist ihr aus jener Zeit die lebenslange Überzeugung, daß rechts nicht taugt und es gerechter zugehen müßte, wohin es nicht Dutzende Wege gibt. Erdulden, Hinnehmen und Verlieren mag für Frauen ihrer Generation typisch sein, darin nicht zu erliegen bleibt trotzdem die eigene Leistung.
Sie hatte es auch in der DDR nicht ganz leicht. Die Partei hatte die "Befreiung der Frau" und damit ihre Gleichberechtigung verkündet, was gab es da noch zu zicken. Die Männer sahen nicht, daß ein langer Prozeß der Veränderung männlichen Machtgehabes nötig gewesen wäre, so hatten die Frauen es hier leichter als anderswo und litten dennoch an der Dreifachbelastung. Darüber war zu schreiben.
Über die Frauen in den Lagern Stalins hätte die Brüning gewiß früher veröffentlichen wollen, denn das Wissen beschäftigte sie seit Mitte der 50er. Sie hätte das nur im Westen veröffentlichen können. Aber sie dachte wie ich, daß wir auf der richtigen Seite der Barrikade stehen.
Wer wissen will, wie sie heute darüber denkt, der mag es bei ihr nachlesen, sie schreibt da ohne Scheu. Hier bei uns kennt sie jedes Kind, noch, hier wäre ihr 85. Geburtstag sicher ein Anlaß gewesen, für Blumensträuße und irgendeinen Orden.
Die neue Welt aber hat auch ihre Bücher erst einmal auf die Halde gekippt, den Film nicht gedreht, auch ihr Fernsehspiel blieb Manuskript.
Es gibt aber zunehmend Frauen, die legen die Uta Danella wieder aus der Hand und greifen nach Elfriede Brüning: "Partnerinnen" oder "Ein Kind für mich allein", auch dieses Buch ist keineswegs überholt. Die bitteren Protokolle der Frauen aus Stalins Lagern gibt es nun auch - und unbeschönigt, ihre Autobiographie. Von 1910 bis heute - ein Frauenleben.
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Elfriede Brüning: Und außerdem war es mein Leben. Bekenntnisse einer Zeitzeugin (Verlag Neues Leben)