Elinor Ostrom: Ganz schön schlau.

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So oft wie sie lacht wohl kaum ein Wissenschaftler auf dieser Welt. Nicht die leiseste Spur von Müdigkeit ist der 76-jährigen Politologin anzumerken, obwohl sie schon wochenlang durch Europa tingelt, von Konferenz zu Konferenz, von Workshop zu Workshop. In der Welt der Sozialwissenschaften ist Elinor Ostrom ein Star. Sie hat bahnbrechende Arbeiten geleistet zu der Frage, wie Gesellschaften mit Problemen umgehen könnten, die der Markt allein nicht richten kann.

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Jüngst erhielt die international anerkannte Politikwissenschaftlerin in Frankfurt den Reimer-Lüst-Preis. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis unterstützt das von ihr initiierte deutsch-amerikanische Austauschprogramm und ermöglicht ihr eine Forschungs-Kooperation mit der Humboldt Universität Berlin sowie mit Marburg. In der Preisbegründung heißt es: Ostrom "ist eine weltweit führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Institutionenanalyse mit Schwerpunkt auf der Nutzung von Gemeinschaftsgütern". Solche Güter sind beispielsweise Grundwasservorkommen, Fischgründe oder Wald- und Weidegebiete. Bei ihren Analysen setzt sie auf die Lösung von Ressourcenökonomik eher durch lokale Institutionen als durch staatliche Regelung oder "Marktmechanismen".

Ostroms Zauberformel heißt "Sozialkapital". Viele natürliche Ressourcen wie saubere Luft oder trinkbares Wasser sind nicht endlos verfügbar – mit welchen Institutionen und Eigentumsformen könnte es zuwege gebracht werden, dass die Menschen nicht noch mehr Raubbau betreiben? Wie bewahrt sich eine Gesellschaft vor dem Verfall der Sitten, wenn es für den Einzelnen doch viel einfacher wäre, ein egoistischer Regelbrecher zu sein? Ostrom hat die Antwort: mittels ihres Sozialkapitals.

Doch wie entsteht überhaupt ein solches "Sozialkapital"? Saubere Luft und Sozialkapital sind im Wissenschaftlerjargon "Allmendegüter", also lebenswichtige materielle oder immaterielle Güter für eine Gesellschaft, die, wenn sie der Einzelne ungezügelt ausbeutet, irgendwann aufgefressen sind, wie einst das grüne Weidegras auf der dörflichen Allmende. Die Amerikanerin schaut sich einfach an, ob und welche Lösungen verschiedene Gesellschaften für ein bestimmtes Allmendegut-Problem gefunden haben, welche davon funktionieren und welche nicht. "Sozialkapital" ist also nur eine besondere Erscheinungsform von Kapital, ähnlich wie physisches Kapital oder Humankapital: Etwas, wofür Menschen Zeit und Energie aufwenden, um daraus schließlich, individuell oder gemeinschaftlich, ein Kapital von Vorteilen, Nutzen oder Einkommen zu generieren.

Sozialkapital ist damit auch erst einmal ein neutraler, nicht zwangsläufig positiv besetzter Begriff: Auch das System der Mafia beispielsweise ist Sozialkapital, allerdings ein destruktives. "Grundsätzlich kann jede Form von Kapital gut oder schlecht sein", sagt Ostrom. Sie untersucht Datensätze, macht Umfragen, sieht sich vor Ort um, um zu erfassen, woraus das Sozialkapital im Einzelfall besteht. Und daraus entwickelt sie dann eine Theorie an der Schnittstelle zwischen Politologie, Ökonomie und Soziologie.

Manchmal funktioniert die staatliche Regelsetzung, hat sie herausgefunden. In vielen Fällen aber entstehen die Normen und Institutionen, die ein positives Sozialkapital ausmachen, ganz spontan – die Einmischung durch den Staat würde nur stören. Wenn man die Leute nur lässt, dann funktionieren Selbstorganisation und lokales Management ziemlich gut. Diese Erfahrung hat Ostrom weltweit gemacht. Wichtig ist für die Wissenschaftlerin die Wahrung der Vielfalt gesellschaftlicher Lösungsansätze, also dezentrales, selbstverantwortliches Handeln. Nur wenn Menschen experimentieren und voneinander lernen können, entsteht neues, nützliches Sozialkapital, gibt es also Fortschritt. Als Beispiel verweist Elinor Ostrom gern auf bäuerliche Kooperativen in Indien, die ihre eigenen Regeln für eine sparsame Wassernutzung entwickelt haben.

Dass der gesellschaftliche Fortschritt manchmal schmerzhaft langsam vonstatten geht, hat die Wissenschaftlerin am eigenen Leibe erfahren müssen. Ihr Weg war alles andere als vorgezeichnet, sie verdankt ihn ihrer unbekümmerten Hartnäckigkeit. 1933 in Los Angeles geboren, heiratet sie früh ihre Jugendliebe. Nach dem Collegeabschluss geht sie mit ihrem Mann nach Boston, wo er an der Harvard Law School weiterstudiert – und sie sich einen Job sucht, um den gemeinsamen Lebensunterhalt zu verdienen.

"Können Sie Steno?", lautete die typische Frage bei jedem Einstellungsgespräch, erzählt sie noch ein halbes Jahrhundert später genervt. Schließlich lässt "Lin" sich als Botenmädchen in einer Rechtsanwaltskanzlei einstellen und hofft auf Aufstieg. Sie bringt es in der Tat und trotz erheblicher Widerstände bis zum Assistenz-Personalmanager.

Als ihr Mann das Studium abschließt, gehen beide wieder nach Los Angeles zurück. Sie arbeitet in der Personalverwaltung der University of California und besucht nebenbei die eine oder andere Vorlesung in Politologie. Die Wissenschaft interessiert sie so, dass sie – obwohl die Ehe inzwischen zerbrochen ist – mutig ihren Job aufgibt und promoviert, entgegen aller Ratschläge. An der Universität trifft Elinor ihren "Seelenverwandten" Vincent Ostrom, einen Politikwissenschaftler. Zwischen den beiden entwickelt sich eine menschliche wie wissenschaftliche Symbiose.

An der Indiana University in Bloomington erhält Elinor Ostrom schließlich einen ordentlichen Lehrstuhl für politische Wissenschaften. Gemeinsam mit ihrem Mann baut sie in Bloomington ein inzwischen weltberühmtes Forschungszentrum auf, dem die beiden Ostroms den schlichten Namen 'Workshop für politische Theorie und Analyse'  geben.

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