Zum Friseur ist sie ganz allein gegangen. Und sie hat auch vorher niemanden um seine oder ihre Meinung gefragt. „Ich hatte keine Lust auf Sprüche wie: ‚Wie furchtbar, mit kurzen Haaren wirst du aussehen wie ein Junge!’“ Und zur Überraschung ihres Hairstylisten hat sie weder geweint noch geschrieen, als ihre langen, dunkelblonden Locken fielen. „Ich war total ruhig. Weil ich wusste, dass es absolut richtig war, was ich tat.“ So kennen wir Emma Watson.
Das heißt: Eigentlich kennen wir so Hermine Granger, die superschlaue Co-Heldin von Harry Potter. Im zarten Alter von elf Jahren hat Emma Watson die Rolle der Zauber-Kumpelin in den Kino-Verfilmungen der Kultbücher von Joanne K. Rowling übernommen. Aber es darf als gesichert gelten, dass es gewisse Parallelen zwischen den beiden Damen gibt.
„Wenn ich ehrlich bin: Ich war sie“, sagt Watson über ihre Filmfigur. „Ich war auch sehr aufgeweckt und super-ehrgeizig. Und ich war auch ein bisschen rechthaberisch.“ Sie ist auch „der verschrobene Bücherwurm, über den die anderen sich lustig machen“. Und eine weitere Übereinstimmung stellt die heute 20-Jährige zwischen Emma und Hermine fest: „Wir sind beide eine Art Feministin.“
Watsons Definition vom Feministinsein lautet: 1. „Ich finde, dass Männer und Frauen gleich sind, was unsere Stärken und Fähigkeiten angeht.“ 2. „Ich habe mich immer im Wettbewerb mit den Jungs gesehen. Und ich habe diese Herausforderung gesucht, im Sport in der Schule und intellektuell. Das macht mir großen Spaß.“
Nun hat Emma Watson weltweit für Schlagzeilen gesorgt, indem sie sich ihre lange Locken zu einer Kurzhaarfrisur kappen ließ. Dafür gab es zwei Anlässe: Der allerletzte Harry Potter ist endgültig abgedreht. Damit konnte Watson den Hermine-Look zu den Akten legen und den „befreienden Schritt“ tun, den sie seit ihrem 17. Lebensjahr geplant hatte.
Außerdem hat sich die Schauspielerin, die sich gleich nach dem ersten Harry Potter-Film 2001 den „Young Artist Award als beste Jungschauspielerin“ mit Scarlett Johansson teilte, für eine Rolle beworben, die kurze Haare quasi zwingend voraussetzt: die der Lisbeth Salander aus Stieg Larssons großartiger Krimi-Trilogie, die Hollywood nun auch noch einmal persönlich verfilmen möchte. Emma und Lisbeth, die hyperintelligente Hackerin, die mit ihren Computerkenntnissen auch eine Art Zauberei betreibt, das hätte gepasst. Doch Emma Watson musste zugunsten der Newcomerin Rooney Mara zurückstecken.
Aber an Rollenangeboten mangelt es der bestbezahlten Jungschauspielerin der Welt nicht. Sie sei froh, sagt sie, dass ihre geschätzen 20 Millionen Euro Vermögen „mich in die Lage versetzen, mir meine Rollen sehr gut auswählen zu können“.
Emma Watson, die ihre ersten fünf Lebensjahre in Frankreich verbrachte, dem Heimatland ihrer Mutter Jacqueline, verkündete bereits mit sechs, Schauspielerin werden zu wollen. Neben der Schule besuchte sie die „Stagecoach Theatre Arts“, eine Art Teilzeit-Theaterschule in Oxford. Dorthin war ihre Mutter mit Emma und dem kleinen Bruder gezogen, nachdem sich die Eltern, beide Rechtsanwälte, hatten scheiden lassen. Mit sieben gewann Emma einen Gedichtwettbewerb, mit zehn meldete der Theaterlehrer seine begabte Elevin zum Harry Potter-Casting an. In vier Runden stach Emma 3.999 Bewerberinnen aus. Es heißt, Joanne K. Rowling habe die vorwitzige Elfjährige gleich beim ersten Vorsprechen zu ihrer Favoritin erkoren.
Die Interviews, die Emma damals gab, ließen schon ahnen, dass die kleine Neunmalkluge, deren braune Augen vor Intelligenz und Energie blitzten, eine große Zukunft haben würde. Während ihr Filmpartner Rupert Grint, der rothaarige Ron, auf die Frage, wie er mit dem ganzen Harry Potter-Hype umgehe, überwiegend mit „cool“ und „weird“ antwortet, erklärt die kleine Emma, die während des Drehs noch ihre Milchzähne verlor: Nein, sie sei mit ihrer Leistung nicht durchgängig zufrieden, aber das sei schließlich bei allen ernsthaften Schauspielerinnen so. Ob sich denn die Schule mit den Dreharbeiten vereinbaren ließe? Kein Problem, erläutert Emma, denn die Eins-zu-eins-Lernsituation mit dem Tutor am Filmset sei schließlich im Vergleich zum Lernen im Klassenverband erheblich effizienter.
Emma Watson schloss ihr Abitur auf einer Oxforder Mädchenschule mit Spitzennoten ab. Die reichten für die Brown-University, eine der acht amerikanischen Spitzenuniversitäten der so genannten Ivy-League, an der sich die Abiturientin im Herbst 2009 für die Fächer Literatur, Kunstgeschichte und Geografie einschrieb. Emmas Wechsel in die USA war auch eine Flucht vor der britischen Potter-Mania in die Anonymität des Studentenwohnheims, in dem ihre Zimmergefährtin Sophie „sich glücklicherweise nicht für Harry Potter interessiert“.
Dafür interessiert sich die Werbewelt für Emma Watson. Sie wurde Chanel-Gesicht und Burberry-Model, will sich aber „nicht für die Vision eines Stylisten verbiegen“. Offenbar weiß Emma Watson inzwischen noch mehr zu schätzen, was die (Mädchen)Welt an der schlauen Hermine hat. „Es gibt so viel Druck, schön sein zu müssen. Hermine ist es egal, wie sie aussieht“, sagt Watson nostalgisch über ihr Alter Ego. „Damals fand ich blöd, dass sie mich in der Rolle so streberhaft dargestellt haben, aber heute finde ich das absolut super“. Denn: „Es gibt zu viele dumme Mädchen in den Medien. Und ich fürchte, dass sich etliche intelligente Mädchen absichtlich etwas dümmer stellen. Hermine hingegen hat keine Angst, schlau zu sein.“ Emma glücklicherweise auch nicht.