England verbietet Pubertätsblocker!

Foto: Alexander Grey/Unsplash
Artikel teilen

Künftig dürfen in Großbritannien sogenannte „Pubertätsblocker“ nicht mehr bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden, die unter sogenannter „Geschlechtsdysphorie“ leiden. Die Blocker dürfen nur noch im Rahmen klinischer Studien angewandt werden. Das hat soeben die staatliche englische Gesundheitsbehörde beschlossen. Grund für die Entscheidung des „National Health Service“ (NHS) ist der „Mangel an Daten und Erkenntnissen über die langfristigen Auswirkungen der Medikamente“. England ist damit nach Finnland, Schweden und Norwegen das vierte westliche Industrieland, das bei der angeblich fortschrittlichen Behandlung von „Transkindern“ die Reißleine zieht. Auch in Australien und immer mehr Bundesstaaten der USA sind die Blocker inzwischen verboten.

Anzeige

Was sind Pubertätsblocker? Ein Hormon-Präparat, das Kindern verschrieben wird, die glauben, „transsexuell“ zu sein. Diese Pubertätsblocker verhindern, dass mit beginnender Pubertät die Geschlechtshormone ausgeschüttet werden, die für das Wachstum von Bart oder Brüsten zuständig sind und dafür sorgen, dass die altersgemäße Menstruation bzw. der Stimmbruch einsetzen.

Über die langfristigen Auswirkungen von Pubertätsblockern ist viel zu wenig bekannt

Die Idee laut den Verfechtern der Blocker: Man verschafft den Kindern Zeit herauszufinden, ob sie im anderen Geschlecht leben wollen. Man stoppt also mit einer hohen Hormondosis die normale pubertäre Entwicklung des Kindes.

Doch die Kritik an den Pubertätsblockern wird immer lauter. Auch in Deutschland. Denn erstens sind die Medikamente für diesen Zweck in Deutschland bis heute nicht zugelassen. Eigentlich sind sie ein Krebsmedikament für hormonabhängig wachsende Tumore. Außerdem setzt man sie zur „chemischen Kastration“ von Sexualstraftätern ein. Es sind also ziemlich schwere Hämmer. Sie werden im sogenannten „Off-Label-Use“ verwendet.

Wie eine EMMA-Recherche bei großen deutschen Krankenkassen ergab, liegen deshalb keinerlei Daten darüber vor, bei wie vielen und welchen Kindern die Medikamente eigentlich eingesetzt werden. Steigt die Zahl der Einnahmen von Pubertätsblockern? Und wenn ja, in welchem Ausmaß? Sind es mehr Mädchen? Wie alt sind sie? Niemand weiß es. Auch die Krankenkassen nicht, die das alles bezahlen. Schon erstaunlich.

Auch über die Spätfolgen der so frühen Hormonbehandlungen bei Kindern liegen keine belastbaren Daten vor. Das haben nach den oben genannten staatlichen Gesundheitsbehörden inzwischen auch deutsche Experten festgestellt. Eine Gruppe deutscher PsychiaterInnen (unter Leitung von Prof. Florian Zepf von der Uniklinik Jena) veröffentlichte Ende Februar einen Bericht zur Studienlage. Fazit: „Die derzeitige Studienlage zu einer PB- und/oder CSH-Gabe bei Kindern und Jugendlichen ist sehr begrenzt und basiert auf wenigen Studien mit meist unzureichender Methodik aus wenigen Zentren.“

Die Ergebnisse der wenigen vorliegenden Studien seien von "niedriger Qualität"

Die Ergebnisse seien folglich von „niedriger Qualität“ und das „klinisch-wissenschaftliche Vertrauen“ in sie „gering“. Die Dokumentation und Kontrolle des Einflusses psychischer und somatischer Komorbidität sowie von Begleitbehandlungen war in allen Studien unzureichend.“ Will heißen: Es wurde nicht ausreichend untersucht, ob womöglich andere Faktoren wie Depressionen, Autismus oder sexuelle Traumata Auslöser für den „Transitionswunsch“ des Kindes waren.

Umso dramatischer ist die einzige bekannte Zahl: „Früher lag der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die sich für trans halten und auch nach einer Behandlung bei dem Wunsch nach körperverändernden Maßnahmen blieben, bei 15 bis 20 Prozent. Seit Pubertätsblocker gegeben werden, liegt er bei nahezu 100 Prozent“, weiß Alexander Korte. Der Kinder- und Jugendpsychiater am Münchner Universitätsklinikum, der seit fast 20 Jahren Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie behandelt, war mit seinen Warnungen vor Pubertätsblockern in Deutschland lange allein auf weiter Flur und wurde deshalb als „rückschrittlich" und "rechts" verunglimpft. Doch inzwischen melden sich mehr und mehr seiner KollegInnen zu Wort und schlagen Alarm.

Denn: Man macht heute mit der Gabe von Pubertätsblockern Jungen und Mädchen, die sich mit ihrer Geschlechterrolle und ihrem Körper unwohl fühlen, nahezu hundertprozentig automatisch zu „Transkindern“. Dabei liegt das Problem mit hoher Wahrscheinlichkeit woanders. „Es gibt überhaupt keine Datengrundlage, um diese Entscheidungen bei Kindern und Jugendlichen verantwortungsvoll zu treffen“, erklärt auch Prof. Veit Roessner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Dresden.

Prof. Georg Romer, Verfechter der Pubertätsblocker, musste zurückrudern

Dennoch verkündet der Spiegel (auf Basis einer dpa-Meldung) in seinem Bericht über das Pubertätsblocker-Verbot in England prompt: Studien zeigten, dass die „Effekte der Medikamente umkehrbar“ seien. Außerdem trügen sie dazu bei, „die Depressions- und Selbstmordraten bei transgeschlechtlichen Jugendlichen zu senken“. Beides ist schlicht falsch, denn die wenigen mangelhaften Studien lassen diese Schlussfolgerungen nicht zu.

Deshalb musste gerade der große Verharmloser von Pubertätsblockern zurückrudern: Prof. Georg Romer. Der Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Münster hatte in den letzten Monaten in zahlreichen Interviews für den Einsatz von Pubertätsblockern plädiert. Romer ist zu allem Überfluss ausgerechnet Vorsitzender der Kommission, die gerade die „Leitlinien" zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit der Diagnose „Geschlechtsdysphorie“ aktualisiert. Darin sollte die Behandlung von Kindern mit Pubertätsblockern als normale Behandlungsmethode festgeschrieben werden.

Doch nun hat sich die Veröffentlichung der Leitlinien ein weiteres Mal verschoben. Bekannt ist jedoch schon jetzt: Der „Evidenzgrad“, also die Verbindlichkeit der Behandlungs-Leitlinien, musste herabgestuft werden. Nun heißt es: „Die Angabe von schematischen Empfehlungsgraden oder Evidenzgraden ist nicht vorgesehen, da keine systematische Aufbereitung der Evidenz zugrunde liegt.“ Mit anderen Worten: Die routinemäßige Vergabe von Pubertätsblockern an Kinder hat keine wissenschaftliche Basis.

Die britische Regierung hat die Entscheidung ihrer nationalen Gesundheitsbehörde begrüßt. Dort werden ab sofort Kinder nicht mehr schutz- und grundlos schweren Hormonhämmern ausgeliefert. Und was sagt deutsche Gesundheitsminister?

CHANTAL LOUIS

Artikel teilen
 
Zur Startseite