Front gegen Leihmutterschaft

Foto: biky/imago images
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Gegen diesen Vorstoß der Leopoldina, der übrigens auch von der FDP flankiert wird, machten nun Wissenschaftlerinnen, Publizistinnen und Journalistinnen Front und forderten ihrerseits das Verbot von "Eizellspende und Leihmutterschaft aufrechtzuerhalten". Das Netzwerk möchte die recht eingeschlafene Diskussion um Leihmutterschaft neu entfachen. Und die Aktivistinnen stellen klar: "Es geht um den Schutz vor Frauen vor Ausbeutung". Auch das Netzwerk GenEthik hat sich angeschlossen. Sie sollen vor Eingriffen bewahrt werden, die nur Dritten nützen. "Invasive und risikobehaftete medizinische Eingriffe, die nicht dem Wohl der Patientin, sondern der Erfüllung des Kinderwunsches Dritter dienen, sind ethisch fragwürdig", heißt es in einer Stellungnahme. Eine Legalisierung solcher Praktiken stelle eine Abkehr vom zentralen Prinzip ärztlicher Ethik, den Patientinnen nicht zu schaden, dar. Hormongaben, Vollnarkose, die Operation zur Eizellentnahme oder die Risiken einer Schwangerschaft seien nicht mit einem Nutzen für Fremde zu rechtfertigen. Auch eine Einwilligung der Spenderinnen schaffe dieses grundlegende Problem nicht aus der Welt.

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Das Verbot muss aufrecht erhalten bleiben!

Sigrid Graumann, Rektorin der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Mitglied des Deutschen Ethikrates und eine der Initiatorinnen der Stellungnahme sagte dazu: "Wir schenken allen Familienmodellen Anerkennung, solange nicht Dritte in Mitleidenschaft gezogen werden. Eizellspende und Leihmutterschaft sind inakzeptabel, weil sie nicht ohne die Ausbeutung von Frauen zu haben sind." Die Autorinnen der Stellungnahme weisen zudem darauf hin, dass die beiden reproduktionsmedizinischen Verfahren ohne die globalen sozialen Ungleichheitsverhältnisse nicht zu realisieren wären. Die feministische Forderung nach reproduktiven Rechten habe nie ein explizites Recht auf ein eigenes Kind gemeint.

Von Seiten der BefürworterInnen wird genau dieser Anspruch ins Feld geführt: das Recht auf ein eigenes Kind. Und das Argument: Andere Länder machen es doch auch. Und sie lassen es sich gut bezahlen. Je nach Land und Betreuungsprogramm kostet das Austragen eines fremden Embryos zwischen 25.000 US-Dollar (in Indien), 30.000 Euro (in der Ukraine) und 45.000 bis 100.000 US-Dollar (in den USA). Der Löwenanteil des Geldes fließt allerdings an die Fruchtbarkeitsklinik. Wie viel die Leihmutter erhält, ist je nach Land und Vertrag unterschiedlich. In Indien sind es zwischen 2.000 und 5.000 Euro, in der Ukraine um die 10.000 Euro, in den USA können es bis zu 80.000 Euro sein.

Die größten Märkte sind die ärmsten Länder

Die größten Märkte für Leihmutterschaft sind mit Ausnahme der USA die ärmsten Länder: Die Ukraine, Russland, Indien (eingeschränkt), Georgien, Mexiko, Südafrika, Zypern. In der Regel mieten Menschen aus wohlhabenden Ländern die Leihmütter in ärmeren Ländern.

Oft werden der Wunsch-Mutter Eizellen entnommen, der Wunsch-Vater gibt seinen Samen. Die Leihmutter ist sozusagen nur noch der Brutkasten. Das genetische Nicht-Verwandt-Sein mindert dann den Rechtsanspruch der Leihmutter und selbstverständlich wollen die KäuferInnen für möglichst „gute Erbanlagen“ sorgen, sich „fortpflanzen“. Deutsche Paare mit Kinderwunsch ordern die „Ware“ neuerdings in der Ukraine. Die besetzt zurzeit international Platz Nummer 1 als Babyfabrik.

Neoliberale und auch so manche Feministin argumentieren hingegen gern mit der „Wahlfreiheit“ der Frau – genau wie im Prostitu­tions­gewerbe. „Ist es deine freie Wahl, wenn dein Ehemann dich zur Leihmutterschaft zwingt, weil dein Jahresgehalt als Näherin in einer indischen Kleidungsfabrik nur ein Bruchteil von dem ist, was du als Mietmutter in neun Monaten verdienen kannst?“, fragt dagegen Renate Klein. Die schweiz-australische Biologin und Frauengesund­heitsaktivistin hat eine umfassende Studie zu dem Thema „Mietmutterschaft“ herausgegeben, in der die Abgründe des Baby-Marktes deutlich werden.

Hier den Appell gegen Leihmutterschaft unterzeichnen!

 

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Alice Schwarzer schreibt

Leihmutter? Geht gar nicht!

Leihmütter in Indien. © Doreen Fiedler/dpa
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Es ist eine rührende Geschichte, die die Frauenzeitschrift Brigitte uns da im Wonnemonat Mai erzählte: Die Geschichte von Antje und ihrem Mann Lars, 32 und 33 Jahre alt, Eltern einer Tochter und beide berufstätig. Sie wohnen „wie in Bullerbü“ und haben immer „von einer großen Familie geträumt“. Doch nachdem Antje nach der Geburt ihrer Tochter die Gebärmutter entfernt worden war, sollte sie von ihrem Traum Abschied nehmen, riet die Klinikpsychologin. Aber: „Für Lars und mich kam das nicht infrage.“ Was also tun? Eine Adoption ­gestal­tete sich schwierig (Warum ist das in Deutschland eigentlich so schwer?!). Also spürte das wirklich nette Ehepaar eine Leihmutter in Amerika auf: Candice trug die Zwillinge aus, produziert mit den Eiern von Antje und dem Samen von Lars. Genetisch sind sie also die Kinder der beiden – rechtlich jedoch sind es die Kinder der Frau, die sie ausgetragen und geboren hat. Zumindest nach deutschem Recht. Dazu, dass sich das bald ändert, wollen Antje, Lars und offensichtlich auch Brigitte beitragen.

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Zwei Männer aus Berlin haben allerdings schon einiges erreicht in Richtung Legalisierung der Leihmutterschaft. Homosexuelle Männer sind in Sachen Leihmutterschaft die Avantgarde. Am 10. Dezember 2014 erkannte der Bundesgerichtshof (BGH) eine Gerichtsentscheidung aus Kalifornien an (wo die Leihmutterschaft legal ist), nach der die beiden Männer die „Eltern“ des gekauften Kindes sind. Das Paar hatte mit Hilfe ihres Samens, dem Ei einer unbekannten Frau sowie einer gemieteten „Surrogate ­mother“ ein Kind produzieren lassen. Das im Mai geborene Baby nahmen sie gleich im Juni mit nach Deutschland. In seinem Geburtsregister existiert keine Mutter, sondern stehen zwei Väter.

Frauen werden angemietet und zu rechtlosen Legehennen gemacht

Das findet nicht nur der Evolutionsbiologie Prof. Ulrich Kutschera „zutiefst frauenverachtend“. Er schreibt: „Frauen werden in dieser pseudowissenschaftlichen Bio­politik als anonyme, genetisch tote Eizellen-Spenderinnen bzw. zum Gebären angemietet. Rechtlose Legehennen.“ Der Kasseler Wissenschaftler ist empört: „Feministen-Verbände sollten dagegen protestieren!“

Es protestiert aber niemand. Zumindest nicht in Deutschland. Dabei wäre es höchste Zeit! Denn demnächst berät das für die Vereinheitlichung des Rechts zuständige „Ständige Büro der Haager Konferenz für internationales Privatrecht“ darüber, ob die Leihmutterschaft international legalisiert werden soll.

In Deutschland ist die Leihmutterschaft bisher verboten, es drohen bis zu drei Jahren Gefängnis. In Ländern wie Amerika und Indien ist die Leihmutterschaft bereits legal (also in einem der reichsten und einem der ärmsten Länder). In Belgien und Großbritannien zum Beispiel ebenfalls, jedoch nur nicht-kommerziell: Die Leihmutter darf nicht bezahlt werden. Doch in Thailand, bisher eines der beliebtesten Einkaufsländer für ­Kinderkäufer­Innen, ist man gerade im Begriff, die ­Leihmutterschaft zu verbieten.

In Europa jedoch, dem Kontinent der Käufer-Länder, ist die Tendenz gegensätzlich. Darauf deutet nicht nur die BGH-Entscheidung im Dezember 2014 hin, sondern auch die Haltung des „Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte“. Der rügte im Juni 2014 Frankreich, weil das Land drei von einem französischen Ehepaar in den USA gekaufte Kinder nicht anerkennen wollte; und forderte im Januar 2015 Italien auf, ein illegal im Ausland erworbenes Kind zu legalisieren. Wer mag auch schon ein einmal vorhandenes Kind wieder wegschicken?

Von etwa 150 Leihmütter-Kindern in Deutschland ist heute die Rede, international wird ihre Zahl auf Zehntausende in den letzten Jahrzehnten geschätzt. Tendenz rapide steigend. Wobei in der Regel Menschen aus wohlhabenden Ländern Leihmütter in armen Ländern mieten. Immer geht es dabei um Geld, klar. Aber nur 10 bis maximal 30 Prozent des Milliardengeschäftes landen bei den Leihmüttern, der Löwenanteil bei den Agenturen, die sie vermitteln. In den armen Ländern erhalten die Frauen ein paar hundert Dollar für das Austragen eines Kindes, in den USA ein paar tausend. Der Leihmütter-Markt boomt. Am billigsten sind die Kinder in Asien. Dort blühen die Babyfabriken und gibt es Dumpingpreise von bis zu 5.000 Dollar für ein Kind (USA: 100.000 Dollar). Weltweit sollen mit den käuflichen Kindern zurzeit etwa vier Milliarden Dollar im Jahr umgesetzt werden.

Der Leihmütter-Markt boomt. Am billigsten sind die Kinder in Asien.

Die BefürworterInnen der Leihmutterschaft argumentieren, die Frauen täten es schließlich „freiwillig“. GegnerInnen wie ich hingegen stellen die Frage: Sollen wir wirklich zulassen, dass Menschen mit ihrem eigenen Körper alles tun, was sie tun können? Das Gegenteil war bisher ethischer Konsens in unseren Breitengraden. Darum verbieten wir zum Beispiel auch den Organhandel.

Wie funktioniert die Leihmutterschaft eigentlich genau? Manchmal ist das Kind genetisch halb von der Leihmutter und ihr eigenes Ei befruchtet worden. Meist jedoch wird das Ei einer anderen Frau befruchtet, in der Regel mit dem Samen des Käufers, und sodann dieser so genannte „Zygote“ aus dem Reagenzglas in die Gebärmutter der Austragenden eingepflanzt. Direkt nach der Geburt muss sie das Kind abgeben.

Es kann allerdings vorkommen, dass die KindskäuferInnen von ihr verlangen, abzutreiben. Zum Beispiel, weil es unerwünschte Mehrlinge sind. Oder, weil der Fötus Behinderungen aufweist. Treibt die Schwangere dann nicht ab, ist sie vertragsbrüchig geworden und muss das Kind ­behalten. Ist das Kind nicht gesund, erhält sie keinen Cent.

Das Kind ist also eine Ware. Und die Mutter ist eine Gebärmaschine. Den Haag hat nun darüber zu entscheiden, ob solche Praktiken, ob diese „frauenfeindliche ­Menschenzucht“ (Kutschera) legalisiert werden soll.

Das hat die französische Organisation CoRP (Collectif pour le Respect de la Personne) auf die Barrikaden gebracht. Der Verein, der auch gegen die Verharmlosung und Legalisierung der Prostitution kämpft, appellierte an das Den Haager Büro, die Leihmutterschaft nicht zu legalisieren, sondern im Gegenteil zu verbieten! Die Akzeptanz der Leihmutterschaft widerspreche dem Übereinkommen des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde, sowie den internationalen Kinderrechtskonventionen (collectif-corp.com).

Zu den ErstunterzeichnerInnen des Appells gehört die Europäische Frauenlobby ebenso wie die Frauenlobbys von Schweden und Rumänien. In Frankreich ist die Mehrheit der aktiven Feministinnengruppen dabei: von Osez le Féminisme, über die Coordination Lesbienne, bis hin zu der den Sozialisten nahestehenden Assemblées des Femmes (darunter die Philosophin Sylviane Agacinski, Ehefrau des sozialistischen Ex-Premierministers Jospin). Und im Mai schlossen sich Amerikanerinnen dem Protest an, darunter zahlreiche Feministinnen der ersten Stunde (www.stoppsurrogacynow.com). Ein sehr breites Bündnis also. Nur in Deutschland haben bisher nur ich und die Soziologin Maria Mies unterzeichnet. Aber das kann ja noch kommen.

Auffallend ist, dass die Linie Pro & Contra Leihmutterschaft ganz ähnlich verläuft wie das Pro & Contra Prostitution. Was kein Zufall ist. In beiden Fällen wird der Körper zur Ware degradiert und elementar gegen die Menschenwürde verstoßen.

Es gibt Proteste in Amerika, Frankreich, Schweden & Rumänien. Und Deutschland?

Die Pro-Leihmutterschafts-Fraktion ist bunt und ihre Motive sind vielfältig: es geht von Ehepaaren wie Antje und Lars, bis hin zu homosexuellen Männerpaaren; von der bürgerlichen Mitte bis zur Queer-Szene; von privaten Sehnsüchten bis zu kommerziellen Interessen. Sie alle argumentieren mit einem Recht auf ein Kind. Aber gibt es das?

Sicher, es gibt unerfüllte Kinderwünsche. Und die sind schmerzlich. Aber ließen die sich nicht auch anders erfüllen? Durch die Übernahme von Verantwortung für bereits lebende, vernachlässigte Kinder zum Beispiel? Oder durch einen Elternverbund zwischen schwulen Männern und lesbischen Frauen?

Ein Recht auf ein Kind gibt es auf jeden Fall nicht. Und es gibt schon gar nicht das Recht, einen Menschen zur Gebärmaschine zu degradieren – selbst wenn dieser Mensch, warum auch immer, dazu bereit ist. In einer humanen, zivilisierten Gesellschaft kann man eben nicht alles tun. Und auch nicht alles kaufen.

Wobei wir bisher noch gar nicht von dem Recht des Kindes geredet haben. Das Recht darauf, seine Herkunft zu kennen; das Recht darauf, zu wissen, aus welchen Genen die seinen sich zusammensetzen; und das Recht darauf, zu erfahren, in wessen Körper es ausgetragen wurde.

Anfang 2016 wird sich die Kommis­sion Leihmutterschaft in Den Haag zur Entscheidung zusammensetzen. Noch ist es also nicht zu spät.

Alice Schwarzer

Mehr zum Thema
www.stoppsurrogacynow.com
collectif-corp.com

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