Flensburg: Keine Abtreibungen mehr
Es sollte ein Vorbild-Projekt werden: Das „Malteser-Diako“-Klinikum in Flensburg, das erste ökumenisch geführte Krankenhaus in Deutschland, das größte und modernste Krankenhaus Schleswig-Holsteins. Läuft alles nach Plan, wird es 2024 am Stadtrand eröffnet. Ein Paradebeispiel für die Art Zusammenarbeit, die sich auch viele Menschen von der katholischen und evangelischen Kirche wünschen.
Nur eine Sache passte ganz und gar nicht zusammen: die jeweilige Haltung zum Thema Abtreibung. Lange hatten die katholischen Malteser mit der evangelisch-lutherischen Diakonissenanstalt verhandelt. Resultat: Die Katholiken sagten Nein, die Protestanten gaben kleinlaut nach, um den Bau nicht zu gefährden.
Keine Abtreibungen mehr im Krankenhaus
Beide Träger verkündeten dann stolz: „In Notfällen, etwa wenn der Frau Lebensgefahr droht, wird ein Abbruch möglich sein.“ Beide Krankenhauschefs betonten zudem, dass Schwangerschaftsabbrüche generell nicht in den Aufgabenbereich eines Krankenhauses gehörten und zu 90 Prozent ohnehin beim Frauenarzt durchgeführt würden.
„Steinzeitlich“, „Katastrophe“ – die Empörung über die Entscheidung der beiden Kirchen wächst seitdem von Tag zu Tag. Empörte BürgerInnen, Pro Familia, der Berufsverband der Frauenärzte Schleswig-Holstein sowie die Flensburger Gleichstellungsbeauftragte Verena Balve schlagen Alarm.
Balve gehört, ebenso wie Pro Familia-Leiterin Anne Redmann und der Flensburger Frauennotruf, zu den Erstunterzeichnerinnen einer Petition gegen die Entscheidung der Krankenhäuser. „Das Wegbrechen des stationären Angebotes bedeutet für betroffene Frauen, dass sie nun zukünftig weite Strecken bewältigen müssen, wenn sie den Schwangerschaftsabbruch in einer Klinik vornehmen lassen möchten. Für Mütter mit kleinen Kindern oder für Frauen ohne Auto und Führerschein wird solch eine Strecke zum unüberwindbaren Problem“, erklären sie.
Und sie weisen darauf hin, dass „die Versorgungslage in Flensburg bereits jetzt schlecht aussieht: Denn auch die Anzahl der Praxen in Flensburg, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, hat sich seit 2012 von neun auf vier Praxen reduziert. Für die betroffenen Frauen ist es oft schwierig, zeitnah einen Termin zu bekommen, da die Praxen stark ausgelastet sind.“ Allein Pro Familia hat aber im vergangenen Jahr 233 Frauen zu einem Schwangerschaftsabbruch beraten.
Nur noch vier Praxen bieten Abtreibung an
Auch die Flensburger SPD und Grünen halten die Entscheidung für unakzeptabel: „Bei uns melden sich viele Frauen und Männer, die vor 50 Jahren für das Recht auf straffreien Schwangerschaftsabbruch auf die Straße gegangen und nun empört sind – zu Recht! Frauen brauchen auch in Flensburg und Umgebung weiterhin die Möglichkeit, für einen Schwangerschaftsabbruch in eine Klinik gehen zu können.“
Der Knackpunkt: Im „Schwangerschaftskonfliktgesetz“ ist geregelt, dass die Länder für die Krankenhausplanung und Sicherstellung der ambulanten Versorgung zuständig sind. Allerdings kann das Land Schleswig-Holstein ÄrztInnen nicht vorschreiben, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Und das, obwohl die Klinik mit Millionen Euro vom Land gefördert wird. Desahlb fordert die Petition eine "medizinische Grundversorgung unbahängig von Glaubensgrundsätzen".
Doch nicht nicht nur der Glaube der katholischen "Lebenschützer" ist das Problem, sondern auch die weltliche Gesetzgebung. Schließlich ist ein Schwangerschaftsabbruch nach deutschem Recht immer noch eine Straftat, die nur unter bestimmten Bedingungen straffrei bleibt. Solange sich das nicht ändert, wird das Recht der Frauen, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, immer weiter ausgehöhlt werden.