Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit
... unter diesem Titel veröffentlichte der Pariser Fotograf Alain Bizos seine Serie von 15 Jungen mit Kopftuch.
Es sind Freunde seiner 16-jährigen Tochter, die selber nicht religiös ist und auch kein Kopftuch trägt, aber dennoch zunehmend mit dem Problem konfrontiert wird. Bizos ist 1947 in Frankreich geboren und seine Eltern sind Tunesier. Es ist nicht seine erste Ausstellung, die Aufsehen erregt, aber diese wurde bis hin nach Mali diskutiert. Frauen mit Kopftuch? Die sind wir inzwischen auch in Westeuropa gewohnt – der Schock ist, dass es Männer sind. Und der noch größere Schock ist: Sie sehen kaum anders aus als verschleierte Frauen.
Die Diskussion um das Kopftuch begann in Frankreich im Herbst 1989. Damals bewegte die sogenannte „Schleieraffäre“ alle Gemüter. Ausgelöst worden waren sie von drei Mädchen – Leila, Fatima und Samira – die in einem Pariser Vorort das Kopftuch in der Schule erzwingen wollten. Die beiden arabischen Väter waren bekannt als fanatische Fundamentalisten (und übrigens von Deutschland zugezogen).
Die Affäre erschütterte das Selbstverständnis der strikt laizistischen Republik, denn eine Mehrheit war für „Toleranz“, darunter die meisten Sozialisten, Christen und Juden. Nur einige Individuen stellten sich dagegen. So die Philosophin Elisabeth Badinter, die 1990 in dem EMMA-Sonderband ‚Krieg’ schrieb: „Der Schleier verstößt gegen die Menschenrechte!“ (Nachdruck in dem TB ‚Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz’.)
Seither hat auch Frankreich seine Lektion gelernt. Das Kopftuchverbot für Lehrerinnen war jenseits des Rheins schon immer eine Selbstverständlichkeit. Seit September 2004 jedoch ist das Kopftuch auch für Schülerinnen grundsätzlich verboten. Und die Reaktionen darauf waren um ein vieles geringer als 15 Jahre zuvor bei der „Schleieraffäre“. Selbst die Köpfe der islamischen Interessenverbände haben letztendlich eingewilligt.
In Wahrheit, schrieb die Philosophin Badinter schon 1979, „steckt hinter diesem Streit im Namen des Rechts auf den Unterschied, im Namen des Differenzialismus eine tiefe grundsätzliche Meinungsverschiedenheit. Auf der einen Seite stehen die 68er, die Differenzialisten, die Erben von Michel Foucault und Levi-Strauss. Sie fordern das Recht auf den Unterschied, auf die Differenz. Auf der anderen Seite stehen die Universalisten, die Erben der Aufklärung und der französischen Revolution.“
Diese Debatte wird in Deutschland unter Intellektuellen bis heute nicht grundsätzlich geführt.
Alain Bizos, der auch im Iran der Mullahs schon bemerkenswerte Reportagen gemacht hat, kann mit dem Resultat seiner Fotos verschleierter Jungen zufrieden sein. Angefangen hatte er mit drei Freunden seiner Tochter. Dann wurden es mehr, weil immer mehr Jungen ausprobieren wollten, wie sich das anfühlt, wenn... Und wie sie aussehen, wenn...
Es sieht ganz so aus, als seien sie keineswegs glücklich mit ihren Kopftüchern. Aber sie haben Glück: Sie müssen das Tuch nicht ein Leben lang, sondern nur ein Foto-Shooting lang tragen.
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"Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz", Hrsg. Alice Schwarzer (KiWi TB).