Frauen ins Militär?
Anlass war die jüngste Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, der - unter Berufung auf angebliche Verfassungsfeindlichkeit - die von der SPD/FDP-Fraktion verabschiedete Gesetzesreform zur Erleichterung der Wehrdienst-Verweigerung wieder aufhob. (Womit die Herren in der Roten Robe erneut ihre Entwicklung vom einst gewollten Hitler der Verfassung zum Herrn der Verfassung demonstrierten. Man denke nur an die Fristenlösung, die sechs alte Männer in Karlsruhe Millionen Frauen zum Trotz einfach vom Tisch wischten ...)
Den live Debattierenden ging es diesmal um die Frage, ob der Ersatzdienst nun auch noch zu verschärfen sei oder nicht. Eine "Einschränkung des Grundrechtes auf Wehrdienst-Verweigerung" und "Bestrafung" witterten die Wehrdienstgegner, einen "gerechten Ausgleich zwischen Ersatz und Wehrdienst" die Befürworter.
Nun, wäre ich ein Mann, ich wäre auch Wehrdienst-Verweigerer. Das war für mich schon immer klar, schon als junges Mädchen empörte mich die Wiederaufrüstung, schockierten mich Kasernendrill und Waffengeprotze.
Genauso fühle ich auch heute noch. Aber - ich habe seither dazulernen müssen. Ich habe begreifen müssen, dass Ideal nicht immer gleich Realität ist, dass. wer den Frieden will, ihn notfalls auch verteidigen oder gar erkämpfen muss.
Ich habe auch gelernt, dass Waffen Macht, und wie sehr Waffengewalt und Männlichkeitswahn miteinander verquickt sind: Als französische Feministinnen 1970 zum ersten Mal demonstrierten, schleuderte ihnen eine Gruppe linker Studenten in Abwandlung eines Mao-Wortes entgegen: "Die Macht liegt im Laufe des Phallus!" Und die Amerikanerin Susan Brownmiller beweist in ihrer umfassenden Analyse der Funktion von Vergewaltigungen (,,Gegen unseren Willen"), dass Vergewaltigungen auch in Kriegszeiten nicht die Untat Einzelner, sondern systematisch eingesetzte Waffe eines Männerbundes ist, der hier in höchster Potenz seinen Männlichkeitswahn austobt.
Über den realen Stellenwert der Bundeswehr heute sagt schon die folgende Zahl einiges aus: last ein Fünftel des gesamten Haushalts-Budgets (nämlich 35 Milliarden Mark!) gehen in die Verteidigung. Es zeichnet die neuen Emanzipationsbewegungen seit 1968 aus - auch die der Frauen -, dass sie nicht nur in Zahlen und Machtkategorien denken. Sie interessieren sich vor allem für den Menschen und darum auch für seine Veränderung, die Voraussetzung für die Veränderung unmenschlicher Verhältnisse ist.
Der Kampf auf der Bewusstseinsebene ist darum gut und wichtig nur: er allein, ohne den Kampf um Macht, ist gefährlich. Was nutzt schon das schönste Bewusstsein angesichts blanker Gewehrläufe? Und was nutzt der lauterste Friedenswille, wenn der, der die Waffen hat, nicht mitspielt?
Es ist also kein Zufall, dass das Thema Frauen und Waffen so tabuisiert ist. Unsere Ausschaltung aus diesem Bereich ist nicht etwa Galanterie, sondern eine reine Machtfrage. Das signalisiert schon die Art der Argumentation. Frauen und Waffen? lächerlich. Flintenweiber. Und was wäre grotesker? (Die Spezifizierung "Flintenmann" existiert bezeichnenderweise gar nicht erst und wenn es sie gäbe. wäre sie wohl als Kompliment gemeint.)
Frauen sind von Natur aus friedfertig, heißt es. Dabei weiß jeder Mann. der den Frieden will. dass der ihm selten geschenkt wird. So leitete zum Beispiel Ex-Verteidigungsminister Leber die Broschüre "Bundeswehr 77" mit den hehren Worten ein: "Wir wollen nichts anderes. als in Freiheit und in Frieden unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen ohne Druck und Nötigung von außen gestalten." - Wir auch. Nur wird uns Frauen das Recht auf vorsorgliche Verteidigungsmaßnahmen als "widernatürlich" versagt.
Mehr noch: Frauen wird, wider alle Erfahrung, die Fähigkeit zur Verteidigung und zum Kampf überhaupt abgesprochen. In Kriegs- wie in Friedenszeiten. Dabei beweisen Frauen ohne Unterlass, dass sie - im guten wie im bösen - durchaus so militant handeln können wie Männer. An "Heimatfronten" halten Frauen die Stellung und dürfen, wenn sie die Bombadierungen und Vergewaltigungen überleben, die Trümmer wieder aufschichten.
Und im Notfall müssen sie sowieso mannhaft ans Gewehr. Von ihrer "natürlichen" Friedfertigkeit und Häuslichkeit redet da niemand mehr die fällt den Männern immer erst nach dem Sieg wieder ein. Nämlich dann, wenn sie mit diesem Argument die Frauen zurück ins Haus schicken wollen (so zum Beispiel nach der von Frauen mit erkämpften französischen Revolution oder nach dem Algerienkrieg).
Linke argumentieren da wie Rechte, bestens gestützt von ihren Theorien. Bezeichnenderweise wurde in kaum einem sich als sozialistisch begreifenden Land die Frage nach einer gleichberechtigten Integration von Frauen in die Armee auch nur gestellt. Und schon Sozialisten-Vater Bebel schrieb um die Jahrhundertwende in seiner in vielen Punkten durchaus emanzipierten "Frau im Sozialismus": "Auch wir glauben, dass es eine zweckmäßige Arbeitsteilung ist, den Männern die Verteidigung des Landes zu überlassen, den Frauen die Sorge für Heimat und Herd."
Mit derselben Radikalität, mit der wir Frauen uns gegen die Festlegung auf den heimischen Herd wehren, und Zugang zu allen wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen fordern, müssen wir uns darum die Frage nach unserem Verhältnis zum Militär stellen. Denn der von uns so selbstverständlich hingenommene Ausschluss hat frauenfeindliche und gefährliche Gründe:
1. geht es um Macht: und da, wo es um Macht geht, glänzen Frauen in Männergesellschaften generell durch Abwesenheit;
2. geht es um die ideologische und reale Verfestigung des Männlichkeitswahns. ("Der muss zum Bund, damit ein richtiger Mann aus ihm wird"), Frauen bleibt durch ihren Ausschluss nicht nur absurder Drill erspart, sie lernen im Gegensatz zu den Männern auch weder Selbstverteidigung noch den Umgang mit Waffen - und bleiben rührend hilflos wie eh und je;
3. ist das Männer-Militär extremster Ausdruck der Aufgabenverteilung zwischen Männern und Frauen: hier stellt ein Jahr Wehrdienst gegen 20 Jahre Mutterdienst.
Dennoch kann es uns nicht um die Integration von Frauen in diese Männerbünde, nicht um unseren jetzigen Eintritt in diese Bundeswehr, die den Frieden eher schwerer als leichter macht, gehen (Schon gar nicht nach der von einigen Spaßvögeln aufgestellten Milchmädchenrechnung, wenn wir die Gleichberechtigung wollten, müssten wir auch zum Militär - darüber können wir dann reden, wenn auch alle "Frauenpflichten" für Männer selbstverständlich geworden sind ...)
Aber es muss uns um die grundsätzliche Forderung des Zugangs für Frauen zu allen Machtbereichen gehen, auch zum Militär! Mir ist klar. wie ungewohnt und zunächst schockierend dieser Gedankengang für die meisten ist - ich finde es darum besonders wichtig, dass möglichst viele EMMA-Leserinnen sich zu der Frage äußern.
Ich meine: Frauen und Frieden - ja. Aber die Bemühung um Frieden sollte eine menschliche und nicht nur eine "weibliche" Qualität sein. Und von der Möglichkeit, den eigenen Frieden auch selbst verteidigen und notfalls sogar erkämpfen zu können davon können und dürfen Frauen sich nicht länger ausschließen lassen!