FRAUEN & MILITÄR: Die Männlichkeit des

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Die Bundeswehr rüstet um, technisch wie ideologisch. Spätestens der Golfkrieg machte Anfang 1991 deutlich, dass das Ende des Kalten Krieges keineswegs einen warmen Frieden bedeutet. Mit der Militarisierung der deutschen Außenpolitik setzt ein neues Frösteln ein. Größe, Beschaffenheit und Einsatzspektrum, kurzum die Schlagkraft der Bundeswehr werden neu diskutiert.

In letzter Zeit wurde die Bundeswehr kleiner aber einsatzfähiger. So befanden sich in Kambodscha noch deutsche Sanitätssoldaten im Einsatz. In Somalia waren es nur noch 3100 deutsche Soldaten. Demnächst sollen in der Bundeswehr noch weniger Soldaten als "Krisenreaktionskräfte" einsatzbereit gehalten werden.

All dies geht weitgehend unbeobachtet von der breiten und insbesondere der weiblichen Öffentlichkeit vor sich. Für die Mehrzahl der Frauen ist Militär nach wie vor Männersache. Was sich hinterm Kasernentor abspielt, interessiert Frauen nicht: Es sind Männer, die zum Wehrdienst eingezogen werden, es sind Männer, die Krieg machen.

Die Zahl der Frauen in der Bundeswehr ist klein, und da macht auch die erste Generalin noch keinen Frühling: Bisher sind nur der Sanitätsdienst, zu dem auch die frisch ernannte Generalin Verena von Weymarn gehört, und das Musikkorps für Frauen zugänglich auf freiwilliger Basis. Die zentralen militärischen (Spitzen)Positionen sind fest in Männerhand.

Die weibliche Abwesenheit im Militär verschleiert, dass Frauen im Konfliktfall zwar nicht Täter(innen) sind, in jedem Fall aber Opfer sein können. Das Militär wurde übrigens erst im laufe der Geschichte zur Männersache. Der Ausschluss der Frauen aus dem Männerbund Militär ist noch gar nicht so alt. Er bahnte sich im 17. und 18. Jahrhundert an mit dem Aufstellen von nationalen Massenarmeen.

Vom 14. bis ins 19. Jahrhundert hinein war die Beteiligung von Frauen in europäischen Armeen durchaus weit verbreitet. Zwar nahmen diese Frauen in aller Regel nicht an direkten Kampfhandlungen teil. Sie erfüllten jedoch wichtige und unverzichtbare Funktionen in der Etappe, im Nachschub und in der Versorgung. Historikerinnen bewiesen gerade in letzter Zeit wieder, wie Frauen über viele Jahrhunderte hinweg als Marketenderinnen, Dienstmägde und sogenannte Trossweiber europäische Armeen begleiteten, oder auch als Damen hochgestellter Offiziere. Nicht selten griffen Frauen auch zu den Waffen, in Männerkleidung.

Endgültig verschwinden die Frauen aus dem Militär erst im laufe des 19. Jahrhunderts: Es nahm Zeit in Anspruch, die Armeen zu einem Männerbund umzubauen, der ganz auf die Frauen verzichten kann. Doch obwohl im 19. Jahrhundert der Ausschluss von Frauen erfolgreich abgeschlossen war, waren Frauen auch danach immer wieder aktiv an der Front beteiligt nicht zuletzt, weil in der Not das schiere Überleben aller davon abhing. Allerdings wurden diese Frauen nun entweder ignoriert oder als besonders gefährliche und "unnatürliche" Flintenweiber desavouiert.

Die Leugnung der bewaffneten Frauen ging so weit, dass sie in manchen Fällen sogar aus historischen Dokumenten gelöscht wurden. Gewalt wurde zur männlichen Tugend. Und das Militär wurde zu einem Ort, an dem Männlichkeit geübt, bestätigt und unter Beweis gestellt werden kann.

Wenn Gewalttätigkeit gleich Männlichkeit ist, so ist Krieg eben auch ein Mittel zur Demonstration und Bestärkung von Männlichkeit. Der amerikanische General Robert Barrow, der bis 1983 die amerikanische Marine kommandierte, spricht Klartext. Er sagt: "Krieg ist Männerarbeit. Biologische Überschneidungen (Anm. der Autorin: damit meinte er die Beteiligung von Frauen an Kampfhandlungen) wären nicht nur unbefriedigend im Hinblick auf das, was Frauen leisten können, sondern würden auch eine ungeheure psychologische Ablenkung für den Mann darstellen.

Das männliche Ego würde mit Füßen getreten. Im Grunde geht es darum, die Männlichkeit des Krieges zu erhalten." - Offene Worte. Während nationale Armeen, wie wir sie kennen, immer mehr zu rein männlichen Organisationen gemacht wurden, steigt gleichzeitig die weibliche Betroffenheit durch Kriege. Für die Historikerin Claudia Opitz führte diese Entwicklung von "Frauen im Krieg" zum "Krieg gegen Frauen". Die offizielle Argumentation lautet, Frauen sollten als Gebärende und Mütter so weit wie möglich von den schmutzigen Geschäften des Krieges ferngehalten werden.

Die Realität aber zeigt, dass Frauen als Opfer weitgehend schutzlos allen Arten von Kriegsgräueln und sexueller Gewalt ausgeliefert waren und sind, und das nicht nur in Ex-Jugoslawien.

Gewalt gegen Frauen im Krieg ist also keineswegs eine bedauerliche Nebenerscheinung, sondern ein systematisches Übel, das sich von Krieg zu Krieg zu verstärken scheint. Dass es der Gewaltorgien gegen Frauen im ehemaligen Jugoslawien bedurfte, um diese Zusammenhänge endlich ins öffentliche Bewusstsein zu bringen, zeigt, in welchem Ausmaß die fatale Entwicklung verdrängt und an die Ränder der Geschichte geschoben wurde.

Obwohl heute vor allem die Zivilbevölkerung "Kriegsmaterial" und taktisches Ziel von Kriegshandlungen ist, werden die Argumente vom "Schutz der Frauen und Kinder" und von der "Männlichkeit des Kampfes" nach wie vor benutzt und spielen auch beim Aufbau moderner Streitkräfte eine Rolle.

Das Kampfverbot für Frauen und Kampfgebot für Männer wird in den angelsächsischen Armeen gleichzeitig ins Feld geführt, um die sogenannte "combat exclusion", also den Ausschluss von Frauen aus Kampfeinheiten zu begründen. Das Kampfverbot für Frauen war von Anfang an fadenscheinig und bewirkte mitnichten den Schutz der Frauen. Und der Kampf "Mann gegen Mann" ist in modernen, technisierten Kriegen ohnehin nur für eine Minderheit der männlichen Soldaten vorgesehen. Die Mehrheit der Soldaten ist für Einsätze abseits des unmittelbaren Kampfgeschehens verplant.

Gleichzeitig aber bleiben unbewaffnete! - weibliche Angehörige von Armeen keineswegs von männlichen Kampfhandlungen verschont. Denn ob man sich in der Etappe oder an der Front befindet, ist im realen - und das heißt zumeist chaotischen - Kriegsgeschehen ziemlich egal. Trotz dieser Erfahrung hält zum Beispiel auch die israelische Armee, entgegen dem weit verbreiteten Bild der israelischen Kämpferin, am Kampf-Verbot für Frauen fest. Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang auch die Einsätze amerikanischer Luftwaffenpilotinnen für Hilfsflüge über Bosnien.

Die amerikanische Armee setzte früher aufgrund des Combat-Verbotes für Flüge dieser Art keine Frauen ein. Ab 1990 jedoch flogen die amerikanischen Air-Force-Pilotinnen Linda Torrens, Amy Smellie und Isabella Kenyon Hercules-Maschinen, mit denen die bosnische Bevölkerung aus der Luft versorgt wurde, sowie Hilfsflüge nach Sarajevo. Sie wurden mit schusssicheren Westen ausgestattet und erhielten eine Gefahrenzulage, da sie über serbisch kontrollierten Gebieten dem Beschuss durch den Feind ausgesetzt waren.

Bevor die Pilotinnen eingesetzt wurden, wurde jedoch die Kategorisierung dieser Flüge verändert: Dieselben Flüge galten von da an nicht mehr wie bisher als Kampfeinsätze, sondern nun als "Hilfsmissionen". Auch hier lautet die Botschaft: Wenn Frauen die gleiche Arbeit machen wie Männer, tun sie dennoch etwas anderes auf keinen Fall darf es "Kampf" genannt werden. Im Dezember 1992 wurde das sogenannte Combat-Verbot für Frauen nach langem und heftigem Tauziehen in den USA aufgehoben. Dazu dürften nicht zuletzt auch die Erfahrungen des Golf-Krieges beigetragen haben. Im Golf-Krieg starben elf amerikanische Soldatinnen, davon fünf im Kampf - obwohl Frauen nicht in Kampfeinheiten eingesetzt waren. Ungeachtet der militärischen Befehlslage war die Front wieder einmal Unvorhergesehenerweise dort, wo die Frauen waren.

Den Grund dafür, dass das Verbot so lange aufrechterhalten wurde, sieht die amerikanische Militärsoziologin Cynthia Enloe mitnichten im vielbeschworenen Schutz für Frauen. Für sie sind militärische Kampfeinheiten der "innere Gral der Männlichkeit", der von Männern eifersüchtig bewacht wird. Dieser Gral muss frauenlos gehalten werden - notfalls einfach durch neue Definitionen, wie im Fall der Bosnien-Flüge. Der Mythos von der "Männlichkeit des Kampfes" muss um jeden Preis aufrecht gehalten werden.

Das hat viele Gründe. Der Weg zur militärischen Karriere führt über die Kampfeinheiten. Der Mythos der speziell männlichen Gefährdung wird also nicht nur dazu benutzt, männlichen Kampfesmut und männliche Tapferkeit zu demonstrieren; sondern auch, exklusive Karriere und Privilegien für Männer zu rechtfertigen. Das zeigt sich deutlich in der amerikanischen Politik: Hier waren bis 1957 zehn von 33 Präsidenten Generäle, und militärische Erfahrungen waren ein entscheidender Faktor für die Nominierung sowohl von Roosevelt als auch von Kennedy.

Die Militärkarriere ist also eine männliche Traditionslinie in der Politik, die Frauen von Anfang an benachteiligt. Dass die Tradition des Feldherrn-Politikers noch nicht ausgestanden ist, zeigen die heftigen Diskussionen über die Eignung des "ungedienten" Vietnam-Verweigerers Clinton.

Auch Armeen, in denen keine oder wenige Frauen anzutreffen sind, können Auswirkungen haben auf die Verhältnisse der Geschlechter und damit die Situation von Frauen. Beispiel Ex-Jugoslawien: Auch hier zeigt sich, dass die Figur des "männlichen Kämpfers" hohes Ansehen genießt und eine starke öffentliche Präsenz hat. Offensichtlich ist es nicht nur der erklärte Kriegsgrund, der viele zum Kämpfen veranlasst, sondern auch das Kämpfersein an sich, das für viele Männer psychologisch attraktiv ist.

Diese zu neuen gesellschaftlichen Ehren gekommene Arbeitsteilung hat unmittelbare Auswirkungen auf das Verhältnis der Geschlechter. Die Slowenin Viasta Jalusic berichtet, dass Männer heute noch mehr als vorher die öffentlichen Räume dominieren, während Frauen aus der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden sind. Das gilt nicht nur für die unmittelbaren Kriegsgebiete, sondern auch für befriedete Gebiete wie Kroatien.

Dem neuen männlichen Kämpferimage entspricht ein neues Weiblichkeitsimage, genährt vom Bild einer Blut- und Bodenweiblichkeit mit pornographischem Touch, die für "weiblichere" und "natürlichere" Aufgaben als das des Politikmachens vorgesehen ist.

Betrachten wir diese internationalen Entwicklungen, so stellt sich die dringliche Frage, welche Bedeutung die massiven Veränderungen in der Bundeswehr für deutsche Frauen haben könnten. Das Soldatenbild der Bundeswehr entwickelt sich derzeit zusehends weg vom fast 40 Jahre lang vorherrschenden Bild des "Soldaten für den Frieden" und hin zum neuen "Kämpfertypus". Schon wird von etlichen ein "männlicherer" Soldatentyp gefordert als der, den die Bundeswehr in den letzten Jahrzehnten hervorbrachte.

Mit diesem "derberen Kämpfer" wird auch ein neuer Männlichkeitstypus gesellschaftsfähig. Oder wie es ein Bundeswehroffizier ausdrückte: "Es trifft einen schon, wenn ein Soldat einer anderen Nation sagt: Du, deutscher Soldat, bist feige. Wir müssen. Du nicht. Also mit Euch ist nichts los ... Ja, das ist das typische Macho-Denken: Bist feige, traust Dich nicht vom Sprungturm springen. Dieser Vorwurf trifft einen am meisten. Ich kann's nur bestätigen."

Diese explosive Mischung von männlicher Identität und militärischer Gewalt wird auch in Deutschland nationale Politik stärker als bisher beeinflussen. Das sollte nicht nur Frauen veranlassen, sich über die (Irr)Rationalität der Politik und des Militärs und die Dynamik von Männlichkeit und Weiblichkeit Gedanken zu machen. Und das bald, bevor es zu spät ist.


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EMMA Kampagne Frauen beim Militär

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