Frauen raus: Iranische Hochschulen
36 Universitäten in Iran haben Frauen aus mehr als 70 Studiengängen ausgeschlossen. Dazu zählen Englische Literatur und Übersetzung, Archäologie, Nukleare Physik, Informatik, Elektrotechnik und Betriebswirtschaft. Es handele sich um einen „notwendigen Ausgleich zwischen den Geschlechtern“, sagt der iranische Wissenschaftsminister Kamran Daneshjoo. „Manche Fächer eignen sich nicht für die weibliche Natur“, verkündete auch Abolfazl Hasani aus dem iranischen Bildungsministerium. Frauenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi hat sich nun mit einem Protest-Brief an den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon und die UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay gewandt und fordert eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen.
„Ziel dieser Maßnahme ist, dass Frauen ihren Widerstand und ihre Forderungen nach eigenen Rechten aufgeben“, sagt die iranische Richterin Ebadi, die seit der Revolution 1979 als Frau ihr Amt nicht mehr ausüben darf. Es handele sich um eine Politik, mit der die Islamisten Frauen noch stärker in den häuslichen Bereich zurück drängen und die feministische Bewegung in dem Land schwächen wollen.
Bisher stand der Zugang zu Wissenschaft und Forschung Iranerinnen relativ offen. Laut UNESCO liegt der Anteil an weiblichen Studierenden bei 65 Prozent. Das provozierte die religiösen Führer des Landes, die die angeblichen „sozialen Nebeneffekte“ dieses Bildungsniveaus der Frauen anklagen: weniger Eheschließungen und eine rückläufige Geburtenrate.
Dabei ist das Signal klar: Wissen (und Wissenschaft) ist in dem Mullah-Regime das letzte Feld, auf dem die Frauen den Männern halbwegs gleichgestellt waren und einen Blick auf die Welt jenseits der häuslichen Sphäre erhaschen konnten. Nun wird ihnen auch diese letzte Fluchtmöglichkeit aus der totalitären Geisteshaltung des iranischen Regimes Stück für Stück abgeschnitten.
Nicht ohne Grund kamen die Proteste gegen das Regime in den vergangenen Jahren vor allem aus studentischen Kreisen. EMMA erhält seit 2005 Briefe einer Organisation, die sich als die „feministischen Studentinnen in Iran“ bezeichnet und den Westen in regelmäßigen Abständen um Hilfe anfleht. „Wir sind eine Gruppe feministischer Studentinnen, die persönlich unter der Diskriminierung durch die ignorante Herrschaft der Mullahs leidet. Seit Jahren verschließt die internationale Gemeinschaft die Augen gegenüber diesem grausamen Regime“, schrieben sie 2005 in ihrem ersten Brief. Seitdem hat sich die Situation der Frauen kontinuierlich verschärft, erklärte Ebadi zuletzt im Interview mit Alice Schwarzer.
EMMAonline, 22.8.2012
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