Frauen wählen Merkel, Männer AfD
Diesmal kamen die Kommentatoren bis hin zur Tagesschau am Tag darauf beim besten Willen nicht umhin, das Kind beim Namen zu nennen: Gender Gap. Fast doppelt so viele Männer (16%) wie Frauen (9%) haben die AfD gewählt, was den Herren Schönenborn & Co. am Wahlabend noch nur ein Säulendiagramm wert war.
Noch aufschlussreicher ist ein Blick auf die Geschlechterlücke im Osten: Dort ist die AfD bei den Männern die absolut stärkste Partei. 26 Prozent der ostdeutschen Männer (Männer West: 13%) wählten die Rechtspopulisten, aber „nur“ 17 Prozent der Frauen (Frauen West: 8%).
Im Osten ist die AfD bei den Männern die stärkste Partei
Das ist alarmierend, aber nicht neu: Schon bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2016 hatte jeder vierte Mann sein Kreuz bei der AfD gemacht, in der Altersgruppe zwischen 30 und 60 sogar jeder dritte. Auch bei dieser Bundestagswahl schnitt die AfD bei den Mittelalten am stärksten ab.
Es dürften jene Männer sein, die von der im Osten teilweise hohen Arbeitslosigkeit betroffen sind. Aber das allein kann nicht der Grund sein, denn darunter leiden auch die (im Osten einst traditionell berufstätigen) Frauen. Nicht wenige Männer - und das gilt auch für so manchen im Westen - erhoffen sich von den Rechtspopulisten, die in ihrem Wahlprogramm das Hohelied der Hausfrau singen, wohl auch die Wiederherstellung der guten alten Geschlechterordnung.
Die CDU hat ebenfalls einen historischen Gender Gap zu verzeichnen, allerdings mit umgekehrten Vorzeichen: Acht Prozent mehr Frauen (37%) als Männer (29%) wählten die Kanzlerinnen-Partei. Zwar verlor Angela Merkel auch bei ihren Wählerinnen sieben Prozent. Die Wähler aber straften die CDU (und die Frau an der Spitze?) noch härter ab: Zehn Prozent weniger Männer wählten die Kanzlerin als bei den Bundestagswahlen 2013.
Die Kanzlerin hat bei den jungen Frauen stark verloren
Am stärksten ist Merkel auch diesmal traditionell bei den Wählerinnen über 60. Da liegt die Kanzlerin bei 46 Prozent. Allerdings hatte sie in dieser Altersgruppe 2013 noch die absolute Mehrheit (53%) geholt. Bei den jungen Frauen verlor Merkel überdurchschnittlich: Nur noch rund jede vierte Frau (27%) zwischen 18 und 29 Jahren machte ihr Kreuz bei der Kanzlerin, bei der letzten Wahl war es noch weit über jede Dritte (37 Prozent) gewesen. Allerdings ist die CDU auch in dieser Altersgruppe immer noch stärkste Partei.
2009 hatte Merkel zum ersten Mal der SPD den Frauenüberschuss abgejagt, den die Sozialdemokraten seit den 1970er Jahren bei den Frauen gehabt hatten. Die Wirkung einer Frau an der Spitze der Regierung dürfte dazu ebenso beigetragen haben wie die fortschrittliche Familienpolitik (Elternzeit, Vätermonate, Kita-Ausbau etc.) von Ursula von der Leyen.
Dass sich die Entwicklung nun wieder umkehrt, ist allerdings nicht zu erwarten. Die SPD profitiert keineswegs von den Verlusten der CDU. Auch die Sozialdemokraten verloren mit ihrem Spitzenkandidaten Martin Schulz durchweg bei Frauen und Männern, je nach Altersgruppe zwischen drei und sechs Prozent. Mit 20 Prozent liegen die Sozialdemokraten bei den Wählerinnen nur minimal schlechter als bei den Wählern (21%).
Überraschung: nur eine Partei hat keinen Gender Gap
Etwas größer ist der Gender Gap bei der FDP und den Grünen: jeweils drei Prozent. Doch während die Grünen häufiger von Frauen gewählt werden, holt der liberale Quoten-Gegner Christian Lindner mehr Männerstimmen.
Die einzige Partei ohne Gender Gap ist Die Linke. Auch das allerdings ist interessant. Denn Die Linke wurde traditionell stets von mehr Männern als Frauen gewählt. Könnte es sein, dass das schlagkräftige Frauen-Duo Kipping/Wagenknecht gerade dabei ist, das zu ändern?