Welcome to Lilith Fair

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Das Frauenfestival macht in den USA Furore. Wie berühmte Musikerinnen Erfolg und Femismus vereinen.

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Die Sommerhitze steigt. Die Wolken haben einen gleißend metallenen Himmel freigegeben. Die Menge wird unruhig. Das aufgeregte Murmeln schwillt an, die Namen von Stars kreisen von Mund zu Ohr zu Mund durch die dichtgedrängte Menge. Alle Augen sind auf die Bühnenmitte gerichtet, wo ein Mikrophon und eine Gitarre geduldig warten. Dann ein Rascheln: Eine Frau springt barfuß auf die Bühne, schreitet zum Mikrophon, schnallt sich die Gitarre um, strahlt in die Menge und ruft: "Welcome to Lilith Fair!"“ Die so hingerissen über eines der ersten Lilith-Konzerte im Sommer 1997 in Vancouver schreibt, ist die junge kanadische Reporterin Buffy Childerhose. Am 8. Juli starten die "Liliths" in derselben Stadt zu ihrer dritten (und letzten) Open-Air-Tour quer durch Kanada und die Vereinigten Staaten. Und wieder sind fast alle dabei. Nur Tracy Chapman und Sinéad O'’Connor fehlen diesmal. Dafür sind und Chrissie Hynde mit ihren "Pretenders"“ und Courtney Love eingesprungen.
Die Erfolgsbilanz ist überwältigend: allein im ersten Jahr kamen zu 35 Auftritten 700.000 BesucherInnen –- mehr als im selben Jahr zu den Rolling Stones. "The „summers hottest ticket"“ bejubelte die „"Entertainment Weekly“", und "„Time“" titelte mit Lilith-Gründerin Sarah McLachlan. Und „"Songwriter"“ befand, das Festival der berühmten Emanzen grenze geradezu "„ans Revolutionäre"“.
Revolutionär ist, dass jede einzelne der Liliths ein Star ist, der Stadien füllt; dass diese Stars sich aber dennoch für drei heiße Sommer zu einer Gruppe zusammengetan haben. Revolutionär ist, dass die Sängerinnen und Musikerinnen berühmt und begehrt sind; es aber dennoch selbstverständlich finden, sich für andere Frauen einzusetzen und einen Teil ihrer Einnahmen an Frauenprojekte gegen Gewalt und gegen Brustkrebs zu spenden. Revolutionär ist, dass die Frauen das Kommerz-System unterliefen und auf eigene Kosten und eigenes Risiko Konzerte für Millionen machten. Und CDs und ein Buch gleich dazu: Von Lilith (der Gleichberechtigten) to Lilith Fair (dem Lilith Frauenfestival).
Dass sich gerade dieses Dutzend zusammenfand, ist kein Zufall. Liz Phair, 32, gehört zu der neuen Generation selbstbewußter junger Feministinnen, die trotz Sohn und Ehemann (ein Musiker aus ihrer Band) kein Blatt vor den Mund nimmt und was hat gegen "Fuck-and-run-Typen". Suzanne Vega, 40, hat nie ein Geheimnis aus ihrer Herkunft aus Spanish Harlem und ihrem Missbrauch gemacht. Auch sie ist mit einem Musiker verheiratet.
Die Indigo Girls haben schon auf der High School zusammen Musik gemacht, ihre erste Platte erschien 1985. Sie sind bekennende Lesben und in Amerika Kult: „"Jede Frau, die auf sich hält, hat neben einem Buch von Virginia Woolf auch eine CD von den 'Indigo Girls' im Regal."“ Offensiv frauenliebend sind auch die drei girls von "Luscious Jackson", die „mit dem lustbetonten femininen Groove und Wortwitz“. Und mit ihren Kindern zusammen machen Me’'Shell Ndegeocole und Angélique Kidjo am liebsten Musik. Denn alle wissen, trotz der Unterschiede,
was es heißt, eine Frau zu sein. Und alle stehen dazu –- aber sie wollen mehr.

Ein Interview mit der Lilith Fair-Initiatorin Sarah McLachlan

Emma Am 8. Juli steigst Du wieder in den Lilith- Fair-Tourbus, der Dich bis Ende August durch 40 Städte in Nordamerika bringt. Wie bist Du eigentlich auf die Idee gekommen?
Sarah McLachlan Durch einen Streit mit meiner Plattenfirma. Das war vor etwa sechs Jahren. Ich wollte Paula Cole und ihre Band als Vorgruppe für meine eigene Tournee, und da haben die behauptet: zwei Frauen zusammen, das wäre uninteressant. Dabei ist die Musik von Paula ganz anders als meine. Ich nahm Paula mit ?- auf mein Risiko. Natürlich war die Tournee ein voller Erfolg. Da bekam ich Lust, weiter mit Frauen aufzutreten. Als ich eine Frauenmusiktour vorschlug, waren die Promoter entsetzt: "Bist du verrückt geworden? Du kannst doch nicht elf Frontfrauen auf einem Ticket verkaufen.?" Na ja, schon im ersten Jahr, 1997, wurde 'Lilith Fair' zum größten tourenden Musikfestival der USA.
Emma Lilith Fair ist also deine Antwort auf die Frauenfeindlichkeit in der Musikindustrie?
Sarah Nicht nur meine. Wenn man mich vor sechs Jahren gefragt hätte, ob die Musikindustrie sexistisch ist, hätte ich geantwortet: ?Das glaube ich nicht. Mir hat man meinen Plattenvertrag 1985 auf einem Silberteller serviert. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Schon als Kind hatte ich ziemliches Glück: Meine Eltern haben mir 12 Jahre Klavier-, acht Jahre Gitarren- und fünf Jahre Gesangsunterricht bezahlt und hatten nichts dagegen, als ich mit 17 zusammen mit einigen Jungs eine Undergroundband gegründet habe. Als ich mit 19 von einer Plattenfirma angesprochen wurde, hatte ich noch nicht mal eine Demokassette vorzuweisen. Trotzdem haben sie mich unter Vertrag genommen und mir die Chance gegeben, mich zu entwickeln. Ich hatte großes Glück. Als ich dann die Arena betrat, um die Gunst der Musiksender zu erringen, mußte ich feststellen, dass meine Chancen nicht sonderlich hoch waren -? weil ich eine Frau bin. Es war üblich, in einer Sendung 15 Stücke zu spielen, davon maximal eines von einer Frau. Zwei Frauen in einer Sendung geht nicht, hieß es. "Warum nicht?" wollte ich wissen. Keine Antwort. Ich fragte die Moderatoren, ob sie ernsthaft glauben, dass alle Frauen sich gleich anhören. Da haben sie rumgestottert.
Emma Und wie hast Du es dann trotzdem geschafft, Veranstalter für Lilith Fair zu finden?
Sarah Na ja, ich bin ein gutes Zugpferd und genieße als Einzelmusikerin ein hohes Ansehen bei einer Reihe von Promotern. Denen habe gesagt: "Schaut mal, Jungs, ich kann alleine schon fünftausend und mehr Leute auf die Beine bringen. Tracy Chapman auch, die 'Indigo Girls' auch. Wenn ihr uns als Team in einem Paket verkauft, vervielfacht sich die Menge." Sie haben uns dann machen lassen. Wir haben zugesagt, den größten Teil des Risikos selbst zu tragen.
Emma Und wie habt ihr die Million Dollar zusammengekriegt, die zur Vorfinanzierung der ersten Tour nötig waren?
Sarah Wir haben uns an Sponsoren gewandt, die bekannt sind für ihre Unterstützung von Frauengruppen. Die haben sich auf den Deal eingelassen, dass wir mindestens die Hälfte der Summe, die sie uns gegeben haben, später an diese Frauengruppen spenden. 1999 sind unsere Hauptsponsoren der Autokonzern Chevrolet, die Computerfirma XOOM und die Musikladenkette Tower Records.
Emma Und die Sache rechnet sich?
Sarah Oh yeah! Das ist ja das Tolle. Wir wussten ja, dass wir damit Geld machen können. Die Überschüsse gehen jetzt an uns, und nicht an irgendwelche Promoter. Doch sind es ja nicht die Stars allein, es ist die 'women?s community', die Lilith Fair zu einem solchen Erfolg macht. Der wollen wir etwas zurückgeben. Und wir sind stolz, dass es weit mehr ist als die mit den Sponsoren vereinbarte  Summe. Pro Eintrittskarte geht ein Dollar an ein Frauenhaus, manchmal sind das 25.000 Dollar an einem Tag. In zwei Jahren haben wir zwei Millionen Dollar gespendet, Schwerpunkt häusliche Gewalt. In diesem Jahr kommt noch der Kampf gegen Brustkrebs dazu.
Emma Waren denn die Musikerinnen, die du angesprochen hast, ausnahmslos begeistert von der Idee -? oder wollten manche nicht mitmachen, weil sie um ihre Karriere fürchten?
Sarah (lacht) Du meinst, dass sie Angst haben, als Feministinnen beschimpft zu werden? Nein, das war einmal, heute ist das längst nicht mehr so in Amerika. Und wenn man es einmal geschafft hat, zu zeigen, dass Frauen zusammen auf einer Bühne ein Riesenerfolg sind, wird es danach leichter. Die Musikindustrie nimmt die Frauen ernster -? und die Frauen nehmen sich gegenseitig ernster.
Emma Und wie haben die Jungs reagiert?
Sarah Als wir zum Start 1997 die ersten Pressekonferenzen gaben, reagierten die Journalisten ziemlich nervös. Ob wir Männerhasserinnen seien, wurde gefragt. Wir haben gelacht und ihnen erklärt, dass der Feminismus eine Bestärkung für Frauen und keine Bestrafung für Männer ist. Wir haben ihnen gesagt, Männer bräuchten nicht gleich panisch zu reagieren, wenn es einmal nicht um sie geht. Ich liebe Männer, und ich bin mit einem verheiratet, dem Drummer aus meiner Band. Aber ich liebe auch Frauen. Was ist denn so bedrohlich an einer Frauentournee, hey? Es gibt so viele tolle Frauen da draußen, die tolle Musik machen ? warum sollten wir uns keine gemeinsame Plattform schaffen?
Emma Hat sich auch Dein Leben durch Lilith Fair verändert?
Sarah Ein besonderer Moment ist für mich jedes Mal das Finale. Da wird ein Traum für mich wahr: mit Frauen zu singen, die ich seit Jahren verehre. Im letzten Jahr haben wir ?"The water is wide?" gesungen, einen Folksong, mit dem wir alle großgeworden sind. Als ich zum ersten Mal oben auf der Bühne stand und das Lied zusammen mit den Indigo Girls und mit Emmylou Harris sang ?- das war überwältigend für mich. Jetzt singt Emmylou mit mir das Lied "?Angel"? auf meiner neuen CD, und wir sind damit vor ein paar Wochen in die Top Ten gekommen. Seit Lilith gehen wir alle auf Wolken.
Emma Bleibt?s bei der Gemeinsamkeit auf der Bühne?
Sarah Letzte Weihnachten organisierte Bonnie Raitt ein Benefiz-Konzert für die Flutopfer in Honduras. Sie hat mich angerufen, und ich habe mitgemacht. Unser Netzwerk funktioniert. Wir haben es geschafft, die Abschirmungen zu durchbrechen, mit denen die Plattenfirmen uns voreinander abschotten. Und wir trauen uns mehr zu. Meine letzte CD habe ich selbst produziert, Sheryl Crow und Paula Cole haben das gleich getan -? mit Erfolg.
Emma Für deinen Song ?"Building a Mystery"? hast Du einen Grammy gewonnen, und Deine letzte CD ?'Surfacing'? gewann mehrfach Platin.
Sarah '?Surfacing'? ist eine sehr persönliche CD, wenn auch verschlüsselt. Ich war 29, als ich die Texte schrieb, und ich habe versucht, mich den dunklen Seiten meines Lebens zu stellen. "Setze dich durch, sei egoistisch", ist die Botschaft meiner Songs: Sei nicht Eva, die Frau aus Adams Rippe, sondern Lilith, die Ebenbürtige.
Emma Und was gibt es 1999 Neues bei Lilith Fair?
Sarah Einen Talentwettbewerb. Im letzten Jahr haben drei Newcomerinnen durch ihre Lilith-Auftritte Plattenverträge ergattert. Das wollen wir in diesem Jahr ausbauen. An 16 der 40 Konzertorte finden Ausscheidungen statt, und lokale Juries wählen die Preisträgerinnen. Den Hauptgewinn, einen Beetle-Kleinwagen, stiftet VW. Und die Computerfirma XOOM richtet allen Gewinnerinnen eine professionelle Internet-Homepage ein.
Emma Pünktlich zur Eröffnung von Lilith Fair erscheinen zwei weitere CDs mit Live-Mitschnitten, Produzentin: Sarah McLachlan.
Sarah Ja, und diesmal können wir statt einem Dollar pro verkaufter CD sogar 50 Prozent vom Erlös für Frauenprojekte spenden. Das bedeutet, dass wir 30.000 Dollar pro Konzert an ein Frauenhaus geben. Ich bin die glückliche Fee, die die Schecks überreichen darf. Diese Pressekonferenzen sind merkwürdig. (Lacht) Da sitzt eine ganze Phalanx hochkarätiger Musikerinnen zusammen mit den örtlichen Frauengruppen am Tisch. Das Pressezelt ist gestopft voll mit Journalisten, und niemand hat eine Frage. Inzwischen bin ich das gewöhnt, also fordere sie auf, in ihren Berichten über Lilith Fair auch über häusliche Gewalt zu schreiben. Schweigen. Dann steht die Frau vom Frauenhaus auf und erklärt vor laufender Kameras ihre Arbeit. Und es funktioniert ? zwei von drei Zeitungen und Sendern erwähnen das Thema.
Emma Hast du schon einen Anstecker ?"Sarah for President"??
Sarah (lacht) Bloß nicht! Ich bin Musikerin und bleibe es auch. Für das Oval Office schlage ich Hillary Clinton vor -? eine ganz starke Frau. Bei der kommenden Wahl will sie Senatorin für New York werden, danach ist der Präsidentenjob ihr Ding, wenn ihr mich fragt...
Emma Und was würdest du dir von einer Präsidentin im Kosovo-Krieg erhoffen?
Sarah Peace!
EMMA 4/1999

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