Frauenfußball: Ein Wintermärchen?
Es weihnachtet noch nicht so ganz. Aber Stimmung kommt auf. Weder bei der FIFA, noch beim DFB ist der große Feminismus ausgebrochen – sondern vielmehr die Einsicht in die Notwendigkeit geschehen. Weltweit dreht sich nun wirklich was im Frauenfußball. Neuerdings sehen die FIFA, die Nationalmannschaften und einige Spitzenvereine großen Handlungsbedarf. Nur Deutschland trottet noch hinterher.
Der deutsche Frauenfußball wurde seit 2011, der Glanzzeit der Ära Birgit Prinz, total vernachlässigt, vor allem vom DFB. Deutschland verliert seither auf internationaler Ebene den Anschluss an die Spitzengruppe. Frankreich, England, Spanien, Brasilien und die USA sorgen für mehr Geld, mehr Fans, mehr Anerkennung. Internationale Frontfrau: US-Fußballerin Megan Rapinoe, die ihre Mannschaft bei der jüngsten WM nicht nur zur Weltmeisterschaft führte, sondern auch in einen Zweikampf mit Donald Trump ging („Der Mann ist ein Sexist, Rassist und außerdem geistesgestört") und eine Klage auf „Equal Pay“ einlegte.
Die ersten Nationalmannschaften zahlen den Frauen die gleichen Preisgelder!
Wäre Rapinoe Brasilianerin, hätte sie gar nicht erst klagen müssen. Die Fußballnation zahlt den Frauen ab sofort gleich viel Geld wie den Männern! Die sechsmalige Weltfußballerin Marta und Rekordspielerin Formiga – die seit Jahren für Gleichberechtigung kämpfen – erhalten nun das gleiche Preisgeld und die gleichen Prämien wie Neymar und Co.
Und die Konkurrenz schläft nicht. Norwegen, Neuseeland, Australien, Finnland, Fiji und England ziehen nach und wollen jetzt auch keinen Unterschied mehr in der Bezahlung zwischen der Nationalmannschaft der Männer und der der Frauen machen. Nur Deutschland weilt noch im Dornröschenschlaf. Das Kaffee-Service wurde wohl immer noch nicht ganz abgeräumt. (Siehe EMMA-Dossier von 1998!)
Das Thema Gleichberechtigung ist aber aus dem Fußball nicht mehr wegzudenken. Das sehen auch die Sponsoren so. Und die möchte der DFB dann doch auch ganz gerne haben. Während der DFB noch in der „Umdenken-Phase“ ist, handeln Bundesligavereine wie zum Beispiel RB-Leipzig. Die Zweit-Liga Frauenmannschaft ist dort bereits besser ausgestattet als so mancher Erstliga-Club: mit SportpsychologInnen, Athletik-TrainerInnen, Cheftrainerin und zwei Co-TrainerInnen und allem Pipapo, was der Spitzenfußball halt so braucht.
Es ist ja auch alles da. Die Frauenfußball-Abteilung von RB Leipzig greift einfach auf die Infrastruktur der Männer-Abteilung zurück. Eine Blaupause für viele Vereine. Auch der FC Bayern zieht mit und hat bereits eine Reihe von Top-Spielerinnen wie Marina Hegering verpflichtet. Bislang wurden Ausnahmetalente vom Ausland weggeschnappt - wie zuletzt Pernille Harder, die der VfL Wolfsburg an den FC Chelsea verloren hat. Auch Wolfsburg will „in Zukunft mit Frauenfußball bald Geld verdienen“.
Profi-Fußballerinnen in allen Ligen weltweit können in bezahlten Mutterschutz gehen
Und die FIFA, die hauptsächlich für Regelwerke zuständig ist, hat verstanden, was bereits im Damen-Tennis erfolgreich umgesetzt wird (siehe die November/Dezember-EMMA): Spitzensportlerinnen, die ein Kind wollen, dürfen nicht mehr links liegen gelassen werden. Siehe Serena Williams. Professionelle Fußballerinnen in allen Ligen weltweit sollen in bezahlten Mutterschutz gehen können. Drei Punkte hat die FIFA festgeklopft: Spielerinnen erhalten einen Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen, der zu mindestens zwei Dritteln des vertraglich vereinbarten Gehalts bezahlt sein soll. Die Clubs sollen sich verpflichten, Spielerinnen nach der Rückkehr wieder einzugliedern und für medizinische Betreuung sorgen. Die Diskriminierung von Frauen aufgrund von Schwangerschaft ist verboten.
FIFA-Präsident Gianni Infantino fasst zusammen: „Der Frauenfußball nimmt damit seine nächste Entwicklungsstufe!“
Der deutsche Frauenfußball ist in diesem Jahr übrigens 50 Jahre alt geworden. (Film dazu in der ZDF Mediathek). 1970 hob der DFB sein Frauenfußballverbot auf, weil der Druck aus der Basis zu groß war. Gerd Müller, Weltmeister von 1974 sagte zu der Zeit noch öffentlich: "Warum sollen Frauen hinter dem Ball herlaufen? Sie gehören doch hinter den Kochtopf. Meiner Frau würde ich nicht erlauben Fußball zu spielen." Und der DFB war 1955 noch überzeugt: "Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen. Das ist keine Sache für den DFB." So wirklich Weltklasse war der DFB einfach noch nie. Das mussten die Frauen schon selbst in die Hand nehmen.
Und das machen auch die amtierenden Profis. Wolfsburgerin Lena Oberdorf, Bayern-Star Marina Hegering oder Gina Chmielinski gelten als „absolute Ausnahme-Talente, von denen Jogi nur träumen kann“ so die Fachpresse. Und sie haben Format: Oberdorf hat sich eine „ungewöhnlich hohe Ablöse“ ausgehandelt, Gina Chmielinski von Turbine Potsdam spricht offen und unbefangen, darüber, dass sie Frauen liebt. Sämtliche Spielerinnen kämpfen für mehr Präsenz, mehr Fans und für echte Gleichberechtigung.
Damit das alles noch viel lauter in Deutschland zu hören ist, hat die Frauenbundesliga die Initiative „#MachtLärm!“ gegründet – Corona-bedingt erstmal online auf Instagram. Spielerinnen aller Bundesliga-Vereine posten die besten Videos eines Spiels (die sind ja gerade nicht öffentlich zu sehen) oder haben eine Message für den weiblichen Nachwuchs. Der Dornröschenschlaf ist vorbei.
Mehr zu Müttern im Spitzensport auch in der aktuellen EMMA!