WM: Deutschland im Viertelfinale!

Celia Sasic jubelt nach dem 2:0. Foto: Carl Sandin/Imago
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Es hätte das letzte Spiel der deutschen Fußballfrauen in dieser WM sein können. Denn die Schwedinnen, immerhin die Gegnerinnen im WM-Finale 2003, sind stark. Aber es kam anders: Schon nach einer halben Minute hätte es 1:0 für Deutschland stehen können. Und so ging es weiter. Anja Mittag, Celia Sasic & die anderen ließen die Schwedinnen nicht ins Spiel kommen. Am Ende der ersten Halbzeit stand es 2:0 für Deutschland, nach einem mit cooler Übersicht platzierten Tor von Anja Mittag und einem Elfmeter von Celia Sasic. In der zweiten Hälfte gaben die Schwedinnen zwar mehr Gas, scheiterten aber mit ihren Torversuchen an Natze. Die Weltklasse-Torfrau und Kapitänin hielt einmal überragend, als eine schwedische Stürmerin sich freilief und allein aufs Tor zustürmte. Natze stürmte ebenfalls, nämlich aus ihrem Tor, und rettete die nahezu aussichtslose Situtiation. Einen Ehrentreffer schaffte Schweden nach einem Freistoß, bevor die eingewechselte Jennifer Maroszan mit 4:1 den Sack endgültig zumachte. Damit stehen die deutschen Fußballfrauen im Viertelfinale! 

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Ohnehin hatte ja alles ziemlich gut angefangen, zumindest auf den ersten Blick. Das deutsche Team war Gruppensiegerin und das Torverhältnis rekordverdächtig, nämlich 15:1. Also: 15 Tore geschossen und nur eins reingekriegt. Und das war ein wirklich genialer Freistoß von Norwegerin Maren Mjelde über die deutsche Mauer hinweg ins obere linke Eck, unhaltbar selbst für Weltfußballerin Natze. Schon die Bilanz der Vorrunde konnte sich also sehen lassen: 1:1 gegen Norwegen, 4:0 gegen Thailand und 10:0 gegen die Elfenbeinküste.

Diese siebte Frauenfußball-WM schreibt Rekorde

Großartig ist auch, dass diese siebte Frauenfußball-WM wieder neue Rekorde in Sachen Frauenfußball schreibt: Die Prämie für die Siegerinnen wurde verdoppelt - von einer auf zwei Millionen Dollar (nicht pro Spielerin, sondern pro Team, versteht sich). Zum ersten Mal nehmen 24 Teams teil (statt bisher 16). Zwar ließ das infernale 10:0 gegen die Elfenbeinküste gleich am Anfang der Vorrunde befürchten, dass die Erweiterung eventuell etwas voreilig gewesen war und dem Frauenfußball womöglich einen Bärinnendienst erwiesen hat. Aber das zweistellige Ergebnis erwies sich als Ausreißer. Nur die Schweiz, auch erstmals bei einer WM dabei, watschte Ecuador ebenfalls mit 10:0 ab. Alle anderen, ausgeglichenen Ergebnisse zeigen, dass die Qualität des Frauenfußballs weltweit weiter gestiegen ist.

Weitere WM-Rekorde: Eine Million Karten sind schon verkauft, eineinhalb Millionen sollen es werden. 53.000 ZuschauerInnen sahen im Stadion in Edmonton das Auftaktspiel der Gastgeberin Kanada gegen China. Und auch in Deutschland ließen sich die ZuschauerInnen vom späten Beginn der Spiele um 22 Uhr keineswegs abhalten: Sie verpassten sogar Günther Jauch einen Minus-Rekord, weil fünf Millionen lieber den deutschen Fußballfrauen bei ihrem Rollkommando-Sieg gegen die Elfenbeinküste zusahen als dem weniger temperamentvollen Talkmaster. Beim Spiel gegen Norwegen schalteten sogar sieben Millionen ein.

Ebenfalls rekordverdächtig ist allerdings auch die Temperatur auf dem Kunstrasen, den die Fifa den Fußballerinnen zumutet. Rund 40 von ihnen, darunter Nadine Angerer und ihre US-Kollegin Abby Wambach, hatten zwar im Vorfeld heftig protestiert und mit einer Klage gedroht. Die Fifa lenkte ein, strich zumindest die ursprünglich vorgesehenen Stadien mit steinhartem Beton-Boden wieder vom Spielplan und verlegte die Spiele in Stadien mit qualitativ hochwertigerem Kunstrasen.

Dieser Rasen der neueren Generation verursacht zwar nicht die gefürchteten Verbrennungen bei Stürzen, dafür heizt sich der Belag derartig auf, dass die Temperatur über dem Belag gute 20 Grad höher liegt als in der Luft. Beispiel: Beim Eröffnungsspiel in Edmonton, bei dem angenehme 23 Grad Lufttemperatur herrschten, betrug die Rasentemperatur knapp 50 Grad. „Unser Spiel ist sehr kraftraubend und auf so einem Boden natürlich doppelt und dreifach“, klagt Torfrau Angerer.

Doch auch wenn der deutsche Gruppensieg glasklar gewesen zu sein scheint – immer wieder mangelte es ganze Halbzeiten an dem, was in der Fußballsprache „Chancenverwertung“ heißt. Sprich: Trotz vieler Möglichkeiten kein Tor. In der ersten, großartigen Halbzeit gegen Norwegen zum Beispiel hätte es 3:0 oder gar 4:0 stehen können und wohl auch müssen. Es stand aber nur 1:0 und in der zweiten Halbzeit war Silvia Neids Team dann so lange wie gelähmt, bis der Ausgleich fiel.

Am Freitag geht der Nervenkitzel weiter

Nach der ersten Halbzeit gegen die WM-Anfängerinnen aus Thailand (Spielstand 1:0) stapfte eine wütende Silvia Neid in die Kabine und Kapitänin Natze beschied in der ihr eigenen Bodenständigkeit: „Die erste Halbzeit kann man in die Tonne kloppen!“

Im Achtelfinalspiel gegen Schweden haben Natze & Co. nun in einem schönen Match gezeigt, dass sie "Chancenverwertung" können. Jetzt geht es weiter gegen die Siegerin aus der Begegnung Südkorea gegen Frankreich. Es spricht einiges dafür, dass es die Französinnen sein werden, denn die gehören zu den stärksten Teams des europäischen Frauenfußballs. Ihr stärkstes Liga-Team, Olympique Lyon, gewinnt in schöner Regelmäßigkeit die Champions League.  

Am Freitag um 22 Uhr geht es also weiter mit dem Nervenkitzel. Genügend Bier zur Beruhigung bereithalten und Daumen drücken.

Aktualisiert am 21.6.2015

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Anstoß für die Frauenfußball-WM!

"Nicht in mein Tor!" Nationaltorwartin Nadine (Natze) Angerer. - © imago sportfotodienst /Future Image
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Meine Zweier-WG lag in der Balanstraße, die sich in München vom innerstädtischen Haidhausen bis ins ruhigere Perlach zieht. Wir waren also mittendrin im Geschehen, und ich fühlte mich, als hätte ich eine neue Welt betreten. So muss es sich anfühlen, wenn man erwachsen ist, dachte ich mir. Ich hatte ja keine Ahnung, dass dazu noch einiges mehr gehört, als ohne die Eltern zu leben und in eine fremde Stadt zu ziehen.

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Kaum in München angekommen, legten Staubi und ich die Eignungsprüfung ab, die man neben der Mittleren Reife zum Studium zum „Sportlehrer im freien Beruf“ braucht. Sie zog das Studium letztlich auch durch, aber ich blieb nicht lange bei der Sache. Um ehrlich zu sein: Die Uni hat mich nach dem ersten Semester Probezeit exmatrikuliert, weil ich so gut wie nie anwesend war.

Es war eine wilde Zeit damals, in der ich das neue Großstadtleben in vollen Zügen genoss. Die erste eigene Wohnung, das erste eigene Geld, das erste Mal ohne direkte Aufsicht der Eltern – ich habe die ersten drei Jahre in München neben der Schule und dem Fußball nur Party gemacht. Und zwar nicht nur am Wochenende. Da aber tauchte ich bald bevorzugt ab ins Fortuna und ins Soul City, zwei jeweils im Keller gelegene Szeneclubs am Maximiliansplatz im Herzen von München, die ich über meine damalige Freundin kennenlernte.

Die erste eigene Wohnung, das erste eigene Geld - es war eine wilde Zeit.

Während sich im Fortuna vor allem Frauen tummelten, traf sich im Soul City das gesamte verrückte München: Schwule, Lesben, Transen und feierwütige Heteros machten dort die Nacht zum Tag, es gab keine Regeln und keine Erwartungen, jeder wollte einfach nur eine gute Zeit haben. Oft gingen wir mit einem Teil der Wacker-Mannschaft dorthin, völlig egal, welche sexuelle Orientierung eine hatte. Im Frauenfußball ist Homosexualität kein großes Thema, oder besser gesagt: Es gab und gibt lesbische Fußballerinnen, homosexuelle Beziehungen werden hier als genauso normal gesehen wie heterosexuelle.

Ob ich selbst nun homo-, hetero- oder bisexuell war, definierte ich für mich damals gar nicht. Ich hatte überhaupt nicht das Gefühl und das Bedürfnis, mich auf etwas festlegen zu müssen. Ich wusste nur, dass ich inzwischen meine erste Freundin hatte und in sie verliebt war. Ich finde es albern, dass die Leute immer sofort versuchen, jemanden zu kategorisieren und in eine Schublade zu stecken.

Ich war jung, ich hatte Energie ohne Ende. Wahrscheinlich war es auch meiner Jugend zu verdanken, dass ich trotz dieses Lebenswandels meinen Alltag auf die Reihe gebracht und auch auf dem Fußballplatz meine Leistung gezeigt habe. Tina Theune wusste ja nichts davon, wie ich in München so lebte, zumindest hoffte ich das. Als aber mal in der Nationalmannschaft wieder ein Leistungstest anstand und die Daten ausgewertet waren, konnte sie nur staunend den Kopf schütteln: Ich hatte vom gesamten Kader mit die besten Ausdauerwerte, und das als Torfrau! In meinen Augen gab es also keinen Grund, an meinem ausschweifenden Leben etwas zu ändern, es lief doch alles bestens.

Am Trainingsgelände in Sendling hatten wir unter der Vereinsgaststätte unseren eigenen Trakt, wir konnten also unsere Sachen dalassen und mussten zu unseren wöchentlich vier Trainingseinheiten und zum Spiel nicht immer die Schuhe und unsere Ausrüstung mit uns schleppen. Wenn man bei Wacker die Treppen hinunterstieg zur Mannschaftskabine, in der jede auf einer der Holzbänke über der Heizung ihren Platz hatte, betrat man in meinen Augen den Kosmos der guten Laune. Oft hatten wir dort die Musik aufgedreht, während wir uns umzogen, wir tanzten und scherzten dabei, es war genial. Meist waren wir auch schon eine Stunde vor dem Treffpunkt da, weil es immer so viel zu bequatschen gab und so viel Neues zu erzählen.

Niemand stellte Fragen nach dem Lebenswandel, solange die Leistung stimmte

Wacker war eine der schönsten Stationen in meiner Karriere und für mich in der Zeit so eine Art Ersatzfamilie. Ich war ja mit 17 Jahren das erste Mal weg und von zu Hause gewohnt, immer Menschen und Verwandte um mich zu haben. Wacker war in der Zeit mein Lebensmittelpunkt, von dem aus ich die Welt erkundete. Und die Fahrten zu den Auswärtsspielen waren für mich unsere Familienausflüge.

Es war auch völlig egal, ob eine Geld hatte oder nicht, bei einer von uns wurde immer gekocht oder gegrillt oder nett zusammengesessen, und wenn mal nichts im Kühlschrank war, fuhr man eben zu den Eltern einer der Spielerinnen und half sich dort aus. Wir waren jung und unbeschwert, alle waren unkompliziert und herzlich, man wusste voneinander und über die Sorgen und Pläne. Und niemand stellte Fragen nach dem Lebenswandel, solange die Leistung auf dem Platz stimmte. Ich fühlte mich aufgehoben und angenommen, so wie ich bin. Ich hatte nicht das Gefühl, an meinem Leben etwas ändern zu müssen. Ich war ja inzwischen schon in der Nationalmannschaft der Frauen angekommen und galt dort als das Torwarttalent, das in Zukunft die Nummer eins sein würde.

Nach den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta hatte mich Tina Theune das erste Mal zur A-Nationalmannschaft eingeladen. Am 27. August 1996 kam ich schließlich im niederländischen Lichtenvoorde beim 3:0 gegen die Niederlande zu meinem Debüt und durfte dabei gleich von Beginn an ran. Ich hatte es geschafft. Dachte ich. Um alles, was mit Organisation zu tun hatte, habe ich mich nicht gekümmert. Ich hatte keinen Sinn dafür, dass es etwas zu organisieren und zu kümmern gibt im Leben, das eben nicht warten kann. Rechnungen zum Beispiel.

All die Briefe, die regelmäßig im Briefkasten lagen, habe ich einfach ungeöffnet in die Wohnung gelegt. Oft habe ich den Briefkasten tagelang gar nicht erst aufgemacht. Damals aber war es mit dem Schreiben von E-Mails noch nicht so weit her, und so lagen da natürlich auch die Einladungen zu Nationalmannschafts-Lehrgängen drin.

"Natze, wo um alles in der Welt bist du?" Ich begriff immer noch nicht.

Eines Morgens, ich lag nach einer Party noch um 10 Uhr im Bett, klingelte mein Telefon. Am anderen Ende der Leitung war Silvia Neid, damals die Assistenztrainerin von Tina Theune. „Sag mal, Natze, wo bist du denn?“ Na ja, antwortete ich, wo soll ich schon sein: Zuhause, in meiner Wohnung, in München. „Na“, flötete Silv, „dann warte mal kurz, ich geb dich an die Tina weiter.“ Als Tina Theune am Hörer war, änderte sich der Tonfall drastisch: „Natze, wo um alles in der Welt bist du?“ Ich begriff noch immer nicht. „Wir sind hier gerade mit der Nationalmannschaft in Dessau, wir haben ein Länderspiel gegen Neuseeland!“ „Ach du Scheiße“, entfuhr es mir. Unter all den ungeöffneten Briefen in der Küche lag offenbar auch einer von der Nationalmannschaft.

Ich war zerknirscht, aber so ganz hatte ich die Tragweite der Situation trotzdem nicht begriffen, ich fühlte mich offenbar zu sicher. Am Abend nach dem Telefonat ging ich wie immer zu Wacker ins Training und erzählte meiner Mannschaft von der verpennten Einladung und dem Ärger, den ich deswegen bekommen hatte. Das hielt mich aber nicht davon ab, nach dem Training mit den Mädels wieder feiern zu gehen, und zwar so richtig. Wir tanzten irgendwann sogar auf den Tischen, und als ich am nächsten Morgen verkatert aufwachte, sah ich, was ich in der Nacht nur mehr schemenhaft mitbekommen hatte: Die Mädels hatten quer über meinen Arm mit schwarzem Edding in großen Buchstaben nur ein Wort geschrieben: Ausgeladen! Ich war ein Kindskopf. Meinen Briefkasten machte ich weiterhin nur selten auf.

Heute wäre so ein Verhalten wie das meine nicht mehr denkbar, die Konkurrenz in der Nationalmannschaft und auch schon in den Jugendauswahlen ist heute so groß und so stark, dass man sich keinen Fehler und keine Disziplinlosigkeit erlauben darf. Mein Glück – und damit auch mein Problem – war, dass es damals in letzter Konsequenz nur Silke Rottenberg gab, die sich mit mir um die Nummer eins im Tor stritt.

Womit ich verdient habe, dass ich noch eine zweite Chance in der Nationalmannschaft bekam, weiß ich, ehrlich gesagt, nicht. Aber ich bin dankbar, dass ich sie bekam. Auch wenn ich sehr lange darauf warten musste.

Die WM 2007 - ich hatte nicht versagt, hatte es allen gezeigt!

Als das Spiel in Schanghai endlich abgepfiffen war, konnte ich nicht fassen, was um mich herum gerade passierte. Ich weiß nur, dass ich irgendwann unter einer Spielertraube lag, dass wir feierten und hüpften. Wir waren wirklich ohne ein einziges Gegentor Weltmeister geworden. Alles fühlte sich wie in Zeitlupe an, ich bewegte mich wie in einer Blase, durch die ich zwar sehen konnte, durch die ich aber mit nichts wirklich in Berührung kam. Nicht einmal das gigantische Feuerwerk zum Abschluss des Turniers nahm ich wahr.

Mit einem Schlag fiel in diesen Minuten all die Anspannung des vergangenen halben Jahres ab. Hätte man mir gesagt, dass ich mich hinlegen kann, ich wäre noch auf dem Rasen eingeschlafen.

Nach der Siegerehrung ging es irgendwann zurück ins Hotel, dort hatten sie in einem Saal schon eine Party vorbereitet. Als wir dort ankamen, war er bereits voll mit Funktionären, Sponsoren, Familienmitgliedern und Journalisten. Alle paar Meter sprach mich jemand an und gratulierte mir, ich war bald total erschlagen. Ich mag diesen Party-Small-Talk nicht, mochte ich noch nie.

Irgendwann zog ich mich für zehn Minuten ins Treppenhaus zurück. Es war mir alles zu viel, ich musste erst mal klarkommen mit der Situation. Ich setzte mich also im Hua Ting Tower allein ins Treppenhaus, blickte aus dem 24. Stock über das nächtlich leuchtende Schanghai, rauchte eine Zigarette und atmete tief durch. Ich hatte nicht versagt. Ich hatte es allen gezeigt. Ich war Weltmeisterin geworden.

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Gekürzter Auszug aus dem gerade erschienenen Buch von Nadine Angerer (mit Kathrin Steinbichler, Vorwort Jasmin Tabatabai): Im richtigen Moment. Meine Story (Edel Books, 19.95 €)

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