WM: Deutschland im Viertelfinale!
Es hätte das letzte Spiel der deutschen Fußballfrauen in dieser WM sein können. Denn die Schwedinnen, immerhin die Gegnerinnen im WM-Finale 2003, sind stark. Aber es kam anders: Schon nach einer halben Minute hätte es 1:0 für Deutschland stehen können. Und so ging es weiter. Anja Mittag, Celia Sasic & die anderen ließen die Schwedinnen nicht ins Spiel kommen. Am Ende der ersten Halbzeit stand es 2:0 für Deutschland, nach einem mit cooler Übersicht platzierten Tor von Anja Mittag und einem Elfmeter von Celia Sasic. In der zweiten Hälfte gaben die Schwedinnen zwar mehr Gas, scheiterten aber mit ihren Torversuchen an Natze. Die Weltklasse-Torfrau und Kapitänin hielt einmal überragend, als eine schwedische Stürmerin sich freilief und allein aufs Tor zustürmte. Natze stürmte ebenfalls, nämlich aus ihrem Tor, und rettete die nahezu aussichtslose Situtiation. Einen Ehrentreffer schaffte Schweden nach einem Freistoß, bevor die eingewechselte Jennifer Maroszan mit 4:1 den Sack endgültig zumachte. Damit stehen die deutschen Fußballfrauen im Viertelfinale!
Ohnehin hatte ja alles ziemlich gut angefangen, zumindest auf den ersten Blick. Das deutsche Team war Gruppensiegerin und das Torverhältnis rekordverdächtig, nämlich 15:1. Also: 15 Tore geschossen und nur eins reingekriegt. Und das war ein wirklich genialer Freistoß von Norwegerin Maren Mjelde über die deutsche Mauer hinweg ins obere linke Eck, unhaltbar selbst für Weltfußballerin Natze. Schon die Bilanz der Vorrunde konnte sich also sehen lassen: 1:1 gegen Norwegen, 4:0 gegen Thailand und 10:0 gegen die Elfenbeinküste.
Diese siebte Frauenfußball-WM schreibt Rekorde
Großartig ist auch, dass diese siebte Frauenfußball-WM wieder neue Rekorde in Sachen Frauenfußball schreibt: Die Prämie für die Siegerinnen wurde verdoppelt - von einer auf zwei Millionen Dollar (nicht pro Spielerin, sondern pro Team, versteht sich). Zum ersten Mal nehmen 24 Teams teil (statt bisher 16). Zwar ließ das infernale 10:0 gegen die Elfenbeinküste gleich am Anfang der Vorrunde befürchten, dass die Erweiterung eventuell etwas voreilig gewesen war und dem Frauenfußball womöglich einen Bärinnendienst erwiesen hat. Aber das zweistellige Ergebnis erwies sich als Ausreißer. Nur die Schweiz, auch erstmals bei einer WM dabei, watschte Ecuador ebenfalls mit 10:0 ab. Alle anderen, ausgeglichenen Ergebnisse zeigen, dass die Qualität des Frauenfußballs weltweit weiter gestiegen ist.
Weitere WM-Rekorde: Eine Million Karten sind schon verkauft, eineinhalb Millionen sollen es werden. 53.000 ZuschauerInnen sahen im Stadion in Edmonton das Auftaktspiel der Gastgeberin Kanada gegen China. Und auch in Deutschland ließen sich die ZuschauerInnen vom späten Beginn der Spiele um 22 Uhr keineswegs abhalten: Sie verpassten sogar Günther Jauch einen Minus-Rekord, weil fünf Millionen lieber den deutschen Fußballfrauen bei ihrem Rollkommando-Sieg gegen die Elfenbeinküste zusahen als dem weniger temperamentvollen Talkmaster. Beim Spiel gegen Norwegen schalteten sogar sieben Millionen ein.
Ebenfalls rekordverdächtig ist allerdings auch die Temperatur auf dem Kunstrasen, den die Fifa den Fußballerinnen zumutet. Rund 40 von ihnen, darunter Nadine Angerer und ihre US-Kollegin Abby Wambach, hatten zwar im Vorfeld heftig protestiert und mit einer Klage gedroht. Die Fifa lenkte ein, strich zumindest die ursprünglich vorgesehenen Stadien mit steinhartem Beton-Boden wieder vom Spielplan und verlegte die Spiele in Stadien mit qualitativ hochwertigerem Kunstrasen.
Dieser Rasen der neueren Generation verursacht zwar nicht die gefürchteten Verbrennungen bei Stürzen, dafür heizt sich der Belag derartig auf, dass die Temperatur über dem Belag gute 20 Grad höher liegt als in der Luft. Beispiel: Beim Eröffnungsspiel in Edmonton, bei dem angenehme 23 Grad Lufttemperatur herrschten, betrug die Rasentemperatur knapp 50 Grad. „Unser Spiel ist sehr kraftraubend und auf so einem Boden natürlich doppelt und dreifach“, klagt Torfrau Angerer.
Doch auch wenn der deutsche Gruppensieg glasklar gewesen zu sein scheint – immer wieder mangelte es ganze Halbzeiten an dem, was in der Fußballsprache „Chancenverwertung“ heißt. Sprich: Trotz vieler Möglichkeiten kein Tor. In der ersten, großartigen Halbzeit gegen Norwegen zum Beispiel hätte es 3:0 oder gar 4:0 stehen können und wohl auch müssen. Es stand aber nur 1:0 und in der zweiten Halbzeit war Silvia Neids Team dann so lange wie gelähmt, bis der Ausgleich fiel.
Am Freitag geht der Nervenkitzel weiter
Nach der ersten Halbzeit gegen die WM-Anfängerinnen aus Thailand (Spielstand 1:0) stapfte eine wütende Silvia Neid in die Kabine und Kapitänin Natze beschied in der ihr eigenen Bodenständigkeit: „Die erste Halbzeit kann man in die Tonne kloppen!“
Im Achtelfinalspiel gegen Schweden haben Natze & Co. nun in einem schönen Match gezeigt, dass sie "Chancenverwertung" können. Jetzt geht es weiter gegen die Siegerin aus der Begegnung Südkorea gegen Frankreich. Es spricht einiges dafür, dass es die Französinnen sein werden, denn die gehören zu den stärksten Teams des europäischen Frauenfußballs. Ihr stärkstes Liga-Team, Olympique Lyon, gewinnt in schöner Regelmäßigkeit die Champions League.
Am Freitag um 22 Uhr geht es also weiter mit dem Nervenkitzel. Genügend Bier zur Beruhigung bereithalten und Daumen drücken.
Aktualisiert am 21.6.2015