Frauenhass ist Volksverhetzung
Das Urteil ist nichts weniger als eine Sensation! „Der Paragraf, mit dem Volksverhetzung unter Strafe gestellt wird (§ 130 StGB), greift auch bei der pauschalen Verunglimpfung von Frauen ein.“ Dies befand das Oberlandesgericht Köln und hob damit ein Urteil des Landgerichts Bonn wieder auf. Die Bonner Richter hatten einen 70jährigen Mann vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen. Er hatte auf seiner Website Frauen als „Menschen zweiter Klasse“ bezeichnet, als „minderwertige Menschen“ und „den Tieren näherstehend“.
Der § 130 StGB gegen „Volksverhetzung“ stellt die Verbreitung von Schriften unter Strafe, die „zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln“. Stachelte der Mann etwa nicht zum Hass gegen „Teile der Bevölkerung“ auf, nämlich gegen Frauen? Nein, befand das Bonner Landgericht. Denn Frauen sind für die Bonner Richter keine „soziale Gruppe“. Das OLG Köln entschied anders und erklärte: Zwar seien Frauen zahlenmäßig keine Minderheit. Aber das „Argument, dass Angehörige der Mehrheitsbevölkerung von Anderen nichts zu befürchten hätten“, gelte in diesem Fall nicht.
Wohl wahr. Frauen haben, auch wenn sie die Mehrheit der Bevölkerung stellen, qua Geschlecht als soziale Gruppe bekanntlich eine Menge zu fürchten. Im Internet sind massenhaft Frauenhasser unterwegs, die Frauen als Frauen sexistisch beleidigen und sie massiv bedrohen, bis hin zur Vergewaltigung. Und aus Worten werden bekanntlich Taten. Seit vier Jahrzehnten fordert deshalb nicht nur EMMA, den Frauenhass als politische Kategorie analog zum Fremden oder Judenhass zu begreifen und den Begriff entsprechend in Statistiken und Gesetze aufzunehmen.
Erstmals argumentierte EMMA im Stern-Prozess 1978 so: Nämlich, dass durch die erniedrigende Darstellung der Frauen auf dem Titel alle Frauen als Gruppe gemeint und diffamiert würden. In den USA gelten Straftaten, die aufgrund des Geschlechts des Opfers begangen werden, seit 2009 als „Hassverbrechen“. Denn das Tatmotiv Frauenhass ist ja keineswegs individuell, sondern meint die „Gruppe Frauen“ – auch wenn sich die Taten oft hinter verschlossenen Türen abspielen.
1991 hatte EMMA erstmals eine Kampagne „Stoppt Frauenhass!“ ins Leben gerufen und gefordert, die politische Dimension dieses Hasses zu benennen: „Frauenmorde sind politische Morde! Ihr Ziel ist – ganz wie beim Fremdenhass – die Entwürdigung und Einschüchterung einer bestimmten Menschengruppe, nämlich aller weiblichen Menschen.“ 1998 forderte ein von Alice Schwarzer initiiertes überparteiliches Politikerinnenbündnis: „Der Gesetzgeber muss – parallel dem Motiv ‚Fremdenhass‘ – das Motiv ‚Frauenhass‘ einführen. Die Aufstachelung zum Frauenhass muss strafrechtlich geahndet werden.“ Getragen wurde diese Forderung von Politikerinnen aller Parteien, von Rita Süssmuth (CDU) bis Ulla Schmidt (SPD), von ExJustizministerin Sabine LeutheusserSchnarrenberger (FDP) bis Justizsenatorin LoreMaria PeschelGutzeit. Hertha DäublerGmelin (SPD), ebenfalls Mitglied des Politikerinnenbündnisses, wurde bald darauf Bundesjustizministerin und plante, das Konzept der „Hate Crimes“ inklusive der Kategorie „Frauenhass“ auch in Deutschland als juristische Kategorie einzuführen. Doch sie stolperte über eine Bemerkung über Präsident Bush und trat bald darauf zurück.
Bis heute ist „Frauenhass“ in Deutschland keine politische Kategorie. Das zeigte sich wieder einmal, als das Bundesjustizministerium im Februar dieses Jahres einen „Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ vorlegte. Ausgerechnet jene Gruppe, die im Netz besonders häufig beleidigt und bedroht wird, wurde in dem Entwurf noch nicht einmal erwähnt: die Frauen. Was den Juristinnenbund auf den Plan rief. Der kritisierte das geplante Gesetz scharf: „Dass Frauenfeindlichkeit und Antifeminismus für viele Angreifer eine maßgebliche Motivation darstellen, wird von dem Gesetzentwurf komplett ausgeblendet.“ Der Protest hatte Folgen, wenn auch geringe. Immerhin wurde die Drohung mit einer „Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ in das Gesetz aufgenommen und explizit unter Strafe gestellt. Wer einer Frau in einem Hasspost mit Vergewaltigung droht, wird also künftig mit bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe rechnen müssen.
Die zweite Forderung, die EMMA seit Jahrzehnten stellt, und die jetzt auch der Juristinnenbund anmahnte, nahm Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) allerdings nicht auf: Laut § 46 StGB kann die Strafe für ein Verbrechen höher ausfallen, wenn der Täter aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat. Mit dem neuen Gesetz wurden zurecht nun auch „antisemitische Beweggründe“, der Judenhass, in den § 46 aufgenommen.
Aber der Frauenhass? Der steht nach wie vor nicht als strafverschärfend im Gesetz. Immerhin hat es das Tatmotiv Frauenhass – das in der Kriminalstatistik noch nicht einmal auftaucht – in die Begründung des Gesetzes geschafft. Hier wird erklärt, was „sonstige menschenverachtende Beweggründe“ sein können: „Auch das Geschlecht des Opfers kann ein solcher Beweggrund sein, etwa, wenn jemand eine Straftat gegen eine Frau begeht, weil er Frauen als solche, also aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit, hasst.“
Sexistische Worte und Taten meinen nicht nur die einzelne Frau als Individuum, sondern die Frau als Teil der „sozialen Gruppe Frauen“. Würde das endlich Niederschlag in den Köpfen und Gesetzen finden, wären für Frauen u. a. endlich auch „Verbandsklagen“ möglich: Klagen im Namen aller Frauen (wie EMMA es anno 1978 im Stern-Prozess versucht hatte).
Darum ist das Urteil des Kölner Oberlandesgerichtes zur Volksverhetzung ein Meilenstein. Der Angeklagte habe „mit seinen Äußerungen Frauen unter Missachtung des Gleichheitssatzes als unterwertig dargestellt und ihre Menschenwürde angegriffen“, erklärte das Gericht. Das weise Urteil von Köln ist allerdings nur eine Einzelentscheidung eines Gerichts, die vom Bundesgerichtshof wieder gekippt werden könnte.
Damit Gerichte und Klägerinnen künftig Rechtssicherheit haben, gibt es also nur eine Lösung: Das Geschlecht muss ins Gesetz. Dann würde sich der Volksverhetzung strafbar machen, wer „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft oder ihr Geschlecht bestimmte Gruppe zum Hass aufstachelt“. Und die Bonner Richter hätten den Täter nicht freisprechen können
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