Frauenprotest in Marokko: Selbstmord
Die Proteste nehmen nicht ab: Nach dem Selbstmord der 16-jährigen Amina al-Filali in Marokko fordern Frauenrechtlerinnen weltweit eine Reform der marokkanischen Rechtsprechung. Die minderjährige Al-Filali war gezwungen worden, ihren Vergewaltiger zu heiraten. Um - so sieht es Artikel 475 des marokkanischen Strafgesetzes vor - die „Ehre der Familie“ wieder herzustellen. Gleichzeitig entging der Täter so einer Gerichtsverhandlung, bei der ihm eine Haftstrafe bis zu fünf Jahren gedroht hätte. Aminas Vater Lahcen Filali sagte einer marokkanischen Zeitung, er habe die Vergewaltigung 2011 anzeigen wollen. Der Gerichtsmitarbeiter habe ihm jedoch nahegelegt, die Angelegenheit außergerichtlich zu regeln und die Tochter mit dem Täter zu verheiraten. - Mehrere hundert Frauen haben nun am vergangenen Wochenende vor dem Parlament in Rabat gegen diese Form der Rechtssprechung demonstriert. Sie fordern ein Ende der Gewalt und ein Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen. „Wir sind alle Amina Filali!“, das klagen mittlerweile auch über 2.500 Menschen auf Facebook. Denn der Selbstmord des 16-jährigen Mädchens ist kein Einzelfall.
Vergangene Woche trafen sich deshalb MenschenrechtsaktivistInnen im marokkanischen Fès, um eine Online-Datenbank ins Leben zu rufen, die es erlaubt, landesweit Fälle wie die Zwangsheirat von Amina zu verfolgen.
Angelehnt an das spanisch-kolumbianische Projekt „Gender Justice Observatory“, das Gerichtsentscheide hinsichtlich Gewalt gegen Frauen in mittlerweile 52 Länder überwacht, auswertet und Informationen und Strategien für die weltweite Umsetzung von Frauenrechten vorstellt. Denn Themen wie Vergewaltigung und häusliche Gewalt werden nicht nur in Marokko sondern auch in anderen Regionen im Maghreb als Familienangelegenheit verhandelt – und kommen erst gar nicht an die Öffentlichkeit.
„Mit diesem neuen Instrument erhöht sich die Aufmerksamkeit und der Druck auf die Richter“, sagt Mariam Zemouri, Vorsitzende der Twaza Association for Women’s Advocacy aus Martil im Norden Marokkos. „Die Richter können dann zur Rechenschaft gezogen werden.“ Es ist nicht das erste Mal, dass Frauenorganisationen die Änderung des umstrittenen Artikels im marokkanischen Strafgesetz fordern. Schon 2008 stellte der Demokratische Frauenverband einen Antrag im Parlament. Vergeblich.
EMMAonline, 21.3.2012
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