Freibäder: Welle der Gewalt

Großeinsatz im Berliner Columbia-Bad. Foto: Theo Scheider/Demotix
Artikel teilen

Herr Harzheim, wir haben schon 2019 ein Interview mit Ihnen genau zu diesem Thema gemacht. Damals berichteten zahlreiche Frauen, dass sie im Freibad sexuell belästigt worden seien. Auch da gab es schon Massenschlägereien. Hat sich seitdem nichts getan?
So gut wie nichts. Im Gegenteil, die Welle der Gewalt ist sogar noch exzessiver geworden. Seit 2015 haben wir diese Probleme mit jungen Männern aus dem arabischen Raum und auch mit Deutschen mit Migrationshintergrund in Freibädern in ganz Deutschland. Das sind Männer mit einem patriarchalen Weltbild, die Familienstrukturen schlagen im wahrsten Sinne des Wortes voll durch. 2019 gab es die ersten Massenschlägereien, die von den Medien aufgegriffen wurden. Da haben viele die Vorfälle noch immer heruntergespielt.

Anzeige

Sie wurden mit Ihren Warnungen in die rechte Ecke gestellt.
Ja, aber mit diesem Vorwurf konnte und kann man mir nicht kommen. Ich habe nichts gegen Menschen mit Migrationshintergrund. Im Gegenteil, vielen habe ich das Schwimmen beigebracht,  viele sind heute meine Kolleginnen und Kollegen. Aber ich habe ein Problem mit Menschen, die meinen, im Freibad randalieren zu müssen, die Frauen belästigen, Schlägereien anfangen und sich benehmen, als würde das Schwimmbad ihnen gehören. Und das sind nun mal überproportional Männer mit Migrationshintergrund. Dieses Problem muss beim Namen genannt werden. Sonst kann man es auch nicht lösen.

Passiert das in ganz Deutschland?
Ja, in allen Bundesländern, aber nicht in allen Bädern. Man kann es deutlich am Migrationsanteil in den Stadtteilen ablesen. Dort, wo er überdurchschnittlich hoch ist, kommt es zu den Vorfällen. Besonders exzessiv ist es in Städten, in denen Clan-Strukturen erkennbar sind und wo verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Wenn sich in Bädern in diesen Gebieten Situationen hochschaukeln, können wir für nichts mehr garantieren.

Peter Harzheim vom Bundesverband der Schwimmmeister will Probleme lösen. Foto: BVS
Peter Harzheim vom Bundesverband der Schwimmmeister will Probleme lösen. Foto: BDS

Woran entzünden sich denn die Krawalle?
An Banalitäten. Der eine spritzt den anderen nass, oder einer fühlt sich schräg angeguckt. Es sind junge Männer zwischen 14 und 24, die ein pures Macho-Gehabe an den Tag legen. Wie ein Pfau bauen sie sich voreinander auf und schwupps stehen sich zwei rivalisierende Gruppen gegenüber und die Lage eskaliert. Es sind zu zwei Dritteln junge Männer mit Migrationshintergrund, aber bestimmt auch gut ein Drittel junge deutsche Männer, die sich den Krawallen anschließen. Den Vormittag über ist es ruhig, dann sind viele Familien mit Kindern da. Am Nachmittag geht es dann los. Viele Frauen und Familien gehen, gewaltbereite Jugendliche kommen.

Mittlerweile meiden viele Frauen komplett den Freibadbesuch.
Das ist doch traurig! Ich kann verstehen, dass Jungs den Mädels im Freibad hinterherschauen. Aber dabei bleibt es nicht. Wir reden hier über massive Übergriffe. Frauen werden von mehreren Männern bedrängt, manchmal auch schon kleine Mädchen. Männer aus patriarchalen Strukturen, in denen Frauen nicht als gleichwertig angesehen werden, kommen mit der Freizügigkeit, die wir in unserer Kultur haben, nicht klar. Frauen sind Freiwild im Freibad.

Gleichzeitig wird über „Oben-Ohne“ gestritten…
Auf die Frage habe ich nur gewartet. Dazu werde ich ständig gefragt, und eigentlich will ich dazu gar nichts mehr sagen. Dass eine Frau oben ohne schwimmen will, kommt eigentlich so gut wie nie vor. Die wenigen Frauen, die das wollen, sind meist politisch motiviert. Und dass einige Medien das Oben-ohne-Schwimmen als Grund für die eskalierende Gewalt in Freibädern darstellen, ist an den Haaren herbeigezogen. Dafür braucht es kein „oben-ohne“.

Es gibt auch immer wieder Diskussionen über den Burkini. Was halten Sie davon?
Ich denke da zu allererst an die Mädels. Die meisten tragen eine Baumwoll-Leggins und ein langes T-Shirt. Nassen Stoff auf der Haut zu haben, ist einfach unangenehm. Wenn sie dann am Beckenrand sitzen, frieren sie. Und gut schwimmen kann man darin auch nicht. Warum müssen schon kleine Mädels verhüllt werden? Was soll das? Ich finde das nicht gut. Und ich bin fest davon überzeugt, dass viele der Mädels viel lieber in einem Badeanzug ins Wasser springen würden, genau wie ihre Klassenkameradinnen auch.

Die Berliner Bäder reagieren mit Maßnahmen wie Ausweis-Pflicht, Taschenkontrollen, verstärkter Security, ständiger Polizeipräsenz. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will Gewalttaten in Freibädern noch am selben Tag bestrafen. Was halten Sie davon?
Die Maßnahmen sind jetzt im Moment absolut notwendig, können aber auf lange Sicht nicht die Lösung sein. Sowas darf doch kein Dauerzustand in einem Schwimmbad sein. Ich halte die Forderung von Carsten Linnemann zwar nicht für realisierbar, aber es geht in die richtige Richtung und es ist wichtig, dass die Politik endlich versteht, dass wir ein massives Problem mit diesen jungen Menschen haben. Und: Täter müssen erkennen, dass ihr Verhalten Konsequenzen hat. Wir können dieses Verhalten nicht hinnehmen und wir dürfen es auch nicht wegdiskutieren. Nicht im Schwimmbad, nicht in unserer Gesellschaft. Wir Schwimmmeister haben zudem die Pflicht, für die Sicherheit unserer Badegäste zu sorgen. Das geht so nicht mehr.

Mehr EMMA lesen: Die Juli/August-Ausgabe gibt es im EMMA-Shop.
Mehr EMMA lesen: Die Juli/August-Ausgabe gibt es im EMMA-Shop.

Scheinbar sind viele Schwimmmeister selbst nicht mehr sicher.
So ist es. Ich selbst bin auch schon bespuckt worden. Auch mir wurde schon gesagt, ‚Wir wissen, wo du wohnst‘, ‚Wir kennen dein Auto‘. Ich lasse mich davon nicht einschüchtern, aber natürlich verstehe ich, wenn das jemandem Angst macht. Es hat auch schon viele Übergriffe gegeben. In Malsch in Baden-Württemberg ist vor zwei Wochen ein Bademeister krankenhausreif geschlagen worden, weil er den Feierabend einläuten wollte und die Jungs nicht rausgehen wollten.

Wie sieht es bei Schwimmmeisterinnen aus?
Für sie ist die Lage noch heikler, weil sich viele dieser Männer von Frauen gar nichts sagen lassen. Sie werden beleidigt, belästigt und auch angegriffen. Mittlerweile schulen wir unsere Mitarbeiterinnen auch in diese Richtung. Viele sind wirklich taff. Aber haben Sie mal 20 gewaltbereite Männer vor sich stehen! Das Verhalten dieser halbgaren Möchtegern-Playboys geht gar nicht. Das ist inakzeptabel, egal welcher Kultur sie angehören.

Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Dass unsere Justiz greift. Ich fordere ein härteres Durchgreifen bei Gewaltausbrüchen. Letzten Endes sehen wir doch in Schwimmbädern wie in einem Mikrokosmos, dass die Migrationspolitik nicht funktioniert hat. Diese Gewaltexzesse, die wir erleben, die entstehen nicht von heute auf morgen. Wer nur von Integration redet, aber nichts dafür tut und sie auch nicht einfordert – besonders, was den Umgang mit Frauen betrifft - der nimmt billigend in Kauf, dass Parallelgesellschaften entstehen. Vor rund 30 Jahren hat die Nationalität überhaupt keine Rolle gespielt, wir hatten ein gutes Miteinander in Schwimmbädern. Das sind Orte, an denen Menschen zusammenkommen und Spaß haben, wo es friedlich ist. So soll es bitte wieder werden.

Artikel teilen
 
Zur Startseite