Fühlen Sie sich mitgemeint!
Seit einiger Zeit benutzen viele SchreiberInnen, die sich um sprachliche Gerechtigkeit bemühen, nicht mehr das Binnen-I, sondern den Genderstern, der den Unterstrich abgelöst zu haben scheint. Statt „KollegInnen“ finden wir nun eher „Kolleg*innen“.
Das generische Maskulinum macht Frauen unsichtbar
Bei dem Kampf gegen sexistische Sprache, wie wir ihn seit bald 50 Jahren führen, geht es um die Rechte der Frauen. Sie sind die Mehrheit der Bevölkerung, werden aber durch das so genannte generische Maskulinum effektiv unsichtbar gemacht: 99 Sängerinnen und ein Sänger sind auf Deutsch zusammen 100 Sänger. Genderstern und Unterstrich dagegen sollen die binäre Geschlechterordnung aufbrechen und in der Sprache einen Raum schaffen für jenen Bruchteil der Bevölkerung, der in diese Ordnung – ob gewollt oder ungewollt – nicht hineinpasst.
Bis vor kurzem hatten Menschen weiblich oder männlich zu sein. Aber nun hat sogar das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es ein drittes Geschlecht, „inter“ oder „divers“, gibt. Übrigens äußerst sparsam im Vergleich zu der neuen Überfülle an Geschlechtern bei Facebook!
Ich ziehe den derzeit angesagten „queeren“ Schreibweisen das gute alte Binnen-I vor, denn es kommt der idealen Lösung des generischen Femininums optisch noch am nächsten, während Genderstern und Unterstrich die Wörter in drei Teile zerreißen, und der allerletzte, das innen, ist uns Frauen zugedacht. Nein danke!
Das Binnen-I ist allerdings auch nur ein Kompromiss, weil die meisten Frauen ihren Männern die richtige Lösung – das generische Femininum – nicht zumuten wollen. Sie verteidigen lieber die Interessen der Männer als ihre eigenen. Vielen Frauen fällt ihre sprachliche Herabsetzung nicht einmal auf. Wir haben uns daran gewöhnt wie an all die anderen Formen der Gewalt gegen uns, von subtil bis brutal.
Drehen wir den Spieß also mal um. Die beste Antwort auf das weiterhin grassierende generische Maskulinum ist meiner Meinung nach das generische Femininum. Es stärkt das weibliche Selbstbewusstsein und das männliche Einfühlungsvermögen. Es sollte also in Zukunft heißen: „Fragen Sie Ihre Ärztin oder Apothekerin. Alle Menschen werden Schwestern. Wer wird Millionärin? Die Jagd nach der Täterin …“
Für die Benutzung des generischen Femininums muss auch kein Rechtschreibrat bemüht werden, denn es verletzt keine einzige deutsche Rechtschreibregel. Fremdartige Einsprengsel in die deutsche Rechtschreibung, wie Sternchen, Unterstriche oder Binnen-Is, erübrigen sich. Das generische Femininum arbeitet ausschließlich mit Bordmitteln; es kommt nur urdeutsches Sprachmaterial zur Anwendung.
Vielen Frauen fällt ihre Herabsetzung nicht einmal auf.
Anders als beim Sternchen, Unterstrich oder Binnen-I bleiben beim generischen Femininum auch keine Restprobleme – die übrigens gar kein Rest sind, sondern das eigentliche Problem, nämlich: Wie handhaben wir den Singular und die Pronomina? Aus „Jeder ist seines Glückes Schmied“ wird „Jede ist ihres Glückes Schmiedin“ und nicht sowas Holpriges wie „Jede/r ist seines/ihres Glückes Schmied/in“ oder „Jede* ist seines/ihres/* Glückes Schmied*in“. Derartiges Holperdeutsch erbost verständlicherweise die Sprachgemeinschaft und bringt sie auf gegen die gutgemeinten Reformvorschläge.
Sicher, beim generischen Femininum muss die Sprachgemeinschaft auch eine Kröte schlucken – eine gewaltige, aber nur eine. Sie muss akzeptieren, dass nunmehr das Femininum das Maskulinum einschließt und mitmeint. Das Femininum enthält ja auch sichtbar das Maskulinum: Lehrer ist in Lehrerin deutlich enthalten. Das Femininum ist die Grundform, das Maskulinum die Schwundform.
Und wenn sich die Sprachgemeinschaft durch reichliches Vorkommen des Femininums endlich daran gewöhnt hat, dass es auch Frauen gibt, sollten alle Geschlechter sich an einen Tisch setzen und gemeinsam eine Sprache aushandeln, die für alle gerecht und bequem ist.