Fußball-WM: Aus der Traum!

Im Duell: Carli Lloyd und Saskia Bartusiak (re). Foto: imago/foto2press
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Eigentlich war alles wie im Viertelfinal-Spiel gegen Frankreich – nur, dass das deutsche Team diesmal statt Glück Pech hatte. Wie die starken und schnellen Französinnen dominierten auch die USA die erste Halbzeit klar, und auch nach diesen 45 Minuten hätte es 3:0 für die USA stehen können. Verhindert wurde das von einer überragenden Nadine Angerer, die selbst dann noch hielt, wenn eine Gegnerin allein auf die Torfrau zustürmte.

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In der zweiten Halbzeit das geballte Pech

In der zweiten Halbzeit dann das geballte Pech: Die sonst so traumsichere Elfmeterschützin Célia Sasic scheiterte beim Elfmeter nicht etwa an Weltklasse-Torfrau Hope Solo, sondern an sich selbst: Sie schoss neben das Tor. Und dann der nächste Elfmeter, diesmal für die USA – und der war klar ungerechtfertigt. Annike Krahn hatte ihre Gegnerin außerhalb des Strafraums gestoppt. Dieser Elfer war drin. Nach dem 1:0 waren die deutschen Kickerinnen verständlicherweise demoralisiert und nur weniger Minuten später fiel das 2:0 für die USA.

Es ist weiß Gott keine Schande, gegen die zweifachen Weltmeisterinnen und vierfachen Olympiasiegerinnen mit der langen Tradition im Frauenfußball zu verlieren. Außerdem haben Natze & Co. gezeigt, dass sie wieder ganz oben sind. Nachdem sie 2011 ausgerechnet bei der WM im eigenen Land schon im Viertelfinale gegen Japan ausgeschieden waren (also schon im ersten Spiel der K.o.-Runde, denn ein Achtelfinale gab es damals nicht), hat Bundestrainerin Silvia Neid ihr Team wieder an die Weltspitze gebracht.

Und auch sonst fällt die WM-Bilanz äußerst erfreulich aus: Trotz der späten Spiele wollten rund sieben Millionen TV-ZuschauerInnen die deutschen Frauen spielen sehen, die nicht nur ihre Gegnerinnen aus dem Feld schlugen, sondern auch die Fußballmänner der U 21-WM. Liefen Frauen- und Jungmänner-Spiele parallel, entschieden sich zwei Millionen ZuschauerInnen mehr für die Frauen. Wenn das kein historischer Sieg ist!

Dass die FIFA diesmal mehr Frauenfußball-Teams eine Chance geben wollte und die Zahl der Frauschaften von 18 auf 24 erhöht hat, hat sich als glückliche Entscheidung erwiesen. Wer befürchtet hatte, dass die neuen Teams nicht würden mithalten können, wurde eines Besseren belehrt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen spielten alle auf Augenhöhe, was zeigt: Das Niveau des Frauenfußballs ist weltweit gestiegen, auch in Ländern, in denen Frauen sich das Recht aufs Kicken hart erkämpfen mussten.

Trotzdem fällt die WM-Bilanz erfreulich aus

Leider werden Frauenfußball-Fans nach dieser WM einige Abschiede verschmerzen müssen. Für Weltfußballerin Marta, den Star aus den brasilianischen Favelas, war dies das letzte große Turnier. Und auch Natze Angerer wird nicht mehr für das deutsche Nationalteam im Tor stehen. Das Spiel um den dritten Platz am Samstag wird ihr letztes sein. Zur Olympiade 2016 in Rio de Janeiro, für die sich die deutschen Fußballfrauen schon qualifiziert haben, tritt die Weltfußballerin nicht mehr an. Tschö, Natze! Wir werden dich, deine Paraden und deinen Charme schwer vermissen!

Nationaltrainerin Silvia Neid hingegen wird das deutsche Team in Rio noch ein letztes Mal begleiten. Dann wird die Frau, die 2011 von der FIFA zur Welt-Trainerin gekürt wurde und mit ihrem Team einen WM-Titel und zwei EM-Titel erkämpfte, nach 16 Jahren abtreten und an Steffi Jones übergeben. Deren Ernennung hat in der Fußballwelt zwar für einiges Grummeln gesorgt, weil die ehemalige Nationalspielerin bisher über keine Trainingserfahrung verfügt. Aber wie auch immer Steffi Jones sich sportlich schlagen wird – Deutschland wird ab Sommer 2016 eine schwarze Nationaltrainerin haben, die mit einer Frau verheiratet ist. Und allein auf diese kleine Sensation können wir doch schon stolz sein!     

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Ask Alice!

Ask Alice! Vormarsch von Frauen im Sport

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Liebe Anna,

Darf ich etwas gestehen? Ich selber bewege mich zwar gerne und bin als kleines Mädchen auf jeden Baum gestiegen - aber ich habe nie Sport im engeren Sinne gemacht. Doch darum geht es ja auch nicht. Selbstverständlich finde ich Sport für Mädchen wichtig und war immer schon auf jeden Sieg einer Sportlerin stolz. Und was den Frauenfußball angeht: Da ist EMMA eine regelrechte Pionierin!

Schon im August 1989, als noch kein Mensch in Deutschland vom Frauenfußball sprach, haben wir mit der Fußballerin Uschi Lohn getitelt, die mit zwei frühen Toren die deutsche Nationalfrauschaft zur Europameisterin gemacht hat (EMMA: "Uschi: ein Schuss in alle Frauenherzen!"). Und 1998 haben wir eine regelrechte Kampagne für den Frauenfußball gestartet: „Die Hälfte vom Ball für die Frauen!“ Dafür haben wir mit Spielerinnen, SportfunktionärInnen und Fans gemeinsam überlegt, wie wir den deutschen Frauenfußball voranbringen könnten. Hat ja dann auch geklappt. Klar das wir 2011 mit Nadine (Natze) Angerer getitelt haben.

Für Feministinnen ist der uneingeschränkte Zugang zum Sport für Frauen „Die dritte Hürde“. Das heißt, nachdem sich Frauen den Zugang zu Bildung und Geld erkämpft haben, geht es nun um Körper und Kraft (siehe dazu auch das sehr lesenswerte Buch „Hürdenlauf“ von Colette Dowling). Darüber haben wir in EMMA 3/2003 ausführlich geschrieben.

Dass Frauen „von Natur aus“ weniger intelligent sind als Männer (wovon man früher selbstverständlich ausging), glaubt heute kein Mensch mehr. Dass sie von Natur aus schwächer sind, gilt aber immer noch als quasi gottgegeben. Sportlerinnen widerlegen sichtbar den Mythos vom angeblich „schwachen“ Geschlecht. Besonders unsere Fußballfrauen, aber nicht nur die, zeigen, dass Kraft und Kampfgeist kein männliches Monopol sind. Deshalb verändert der Sport nicht nur etwas für die einzelne Frau, die ihn betreibt und die dadurch Muskeln und Selbstvertrauen gewinnt, sondern für uns alle.

Mit lieben Grüßen
Alice Schwarzer

 

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