Gabriele Heinisch-Hosek: Die Offensive
Der so genannte Online-Gehaltsrechner, den ihr Ministerium im Herbst 2011 einführte, wurde schnell ein Hit: 307000 Zugriffe allein im ersten Monat! Darunter auch viele Deutsche. Denn auf so einen Gehaltsrechner für Frauen, mit dem sie berechnen können, ob sie genauso gut verdienen wie ihr Kollege, ist das deutsche Pendant der österreichischen Frauenministerin noch nicht gekommen. Überhaupt wundert sich Gabriele Heinisch-Hosek in Wien so manches Mal über „die große Zurückhaltung“ von Kristina Schröder in Berlin etwa in der Quotenfrage. Die Sozialdemokratin findet: „Zurückhaltung bringt uns nicht weiter!“ Schon gar nicht bei der Frauenquote, für die die österreichische Frauenministerin zusammen mit EU-Kollegin Reding kämpft.
Heinisch-Hosek war politisch ein Spätzünder in Sachen Frauen
Dabei war Heinisch-Hosek politisch ein Spätzünder in Sachen Frauen. Sie merkte aber mit Mitte 20 in der Kommunalpolitik schnell, dass die Männer ihre Kolleginnen mit größter Selbstverständlichkeit bei Kaffee, Buffets und Adventmärkten für zuständig hielten, während sie die Entscheidungen über Wirtschaft und Finanzen unter sich ausdealten. Überrascht stellte sie fest, dass viele Frauen sich damit zufrieden gaben, in der zweiten und dritten Reihe zu bleiben. „Adventmärkte aber waren nicht meine Welt. Da muss man ein bissel aufmischen, hab’ ich mir gedacht. Und ich habe begonnen, mich zu behaupten.“ Zuerst gewöhnte sie den Genossen ab, sie für Kaffee und Buffet einzuteilen, sodann die sexistischen Sprüche beim abendlichen Zusammenhocken – zumindest, solange sie anwesend war.
Mehr als zwanzig Jahre später brachte sie es zur österreichischen Frauenministerin und Vorsitzenden der sozialdemokratischen Frauen. Die heute 50-Jährige trat damit in große Fußstapfen, denn in beiden Funktionen gilt die legendäre Johanna Dohnal (1939–2010), Österreichs erste Frauenstaatssekretärin und erste Frauenministerin, als unerreichbare Vorkämpferin. Die feministische Vorkämpferin erklärte stets: „Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen.“
Leisetreterisch ist auch Heinisch-Hosek nicht, aber sie ist keine laute Politikerin. Das bringt ihr Kritik ein: Sie müsse endlich einmal auf den Tisch hauen. Dem hält die Ministerin entgegen: Das bringe sie in der Sache nicht weiter. Es würde sie schwächen, laut anzukündigen, dann aber leise zurückweichen zu müssen. Sie formuliert es so: „Ich nehme die Tatsache zur Kenntnis, dass die Machtverteilung zu Ungunsten der Frauen ist. Aber ich muss mich mit denen arrangieren, die an der Macht sind.“
So hat sie eineinhalb Jahre lang mit Gewerkschafts- und Unternehmerseite verhandelt, bis diese endlich zustimmten, dass Unternehmen Einkommensberichte zu Frauen- und Männergehältern und Frauenförderpläne erstellen müssen. Das hätte sie, so argumentiert sie, sonst nicht durchgebracht. Diese Taktik hat ihr, als Johanna Dohnal noch lebte, nicht nur einmal deren Kritik eingetragen. Die rief an und drängte: „Du bist zu wenig laut.“ Heinisch-Hosek argumentiert: „Ich kämpfe leise.“ Vielleicht hängt das mit ihrer Berufserfahrung zusammen: Sie war 17 Jahre lang Lehrerin für Schwerhörige und Gehörlose.
Als Frauenministerin mit kleinem Budget und wenig Macht hat sie es ohnehin schwer. Die gesetzliche Gleichstellung ist weitgehend erreicht, im Alltag aber ist davon noch keine Rede. Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern ist in Österreich so groß wie in fast keinem anderen EU-Staat.
Die jungen Österreicherinnen sind besser ausgebildet als jede Generation zuvor, aber sie sind durch Betreuungs- und Haushaltsarbeit ungleich stärker belastet und arbeiten zu einem hohen Prozentsatz in Teilzeit. Deshalb können viele Frauen nicht von ihrem Einkommen leben und werden im Alter in Armut enden.
Immerhin gelang der Ministerin der deutliche Ausbau der Kinderbetreuung. Das einkommensabhängige Karenzgeld ist nach langen Mühen Wirklichkeit, und damit steigt auch die Väterbeteiligung etwas schneller an. Auch das verpflichtende Kindergartenjahr für Fünfjährige entlastet Familien.
Sie achtet auf die richtige Fassung der Hymne - mit den Töchtern
In der eigenen, „sehr männerlastigen“ Partei hat die rote Frauenchefin durchgesetzt, dass bei den nächsten Wahlen die KandidatInnen-Listen im Reißverschlusssystem erstellt werden müssen. Und sie achtet schon darauf, dass die Männer auch bei der neuen Fassung der Nationalhymne den ganzen Text singen. Denn darin ist Österreich endlich nicht mehr nur die „Heimat großer Söhne“, sondern neuerdings die „Heimat großer Töchter und Söhne“. Dafür haben sich mehrere Frauenministerinnen seit Jahren eingesetzt – gegen den Widerstand der meisten Parteimänner. Auch Heinisch-Hosek weiß um den Wert solcher Symbole, auch wenn die pragmatische Sozialdemokratin vor allem an der handfesten Front von Berufs- und Familienarbeit oder Quoten in Aufsichtsräten ist.
Gabriele Heinisch-Hosek, hat aber eine besondere Erfahrung. Sie hatte über Jahre ein Patenkind, das als Baby ins Koma geschüttelt worden war, und verbrachte viele Tage und Nächte auf der Pflegestation, ehe der Bub starb. An ihrer Seite damals: Walter, ihr Ehemann seit 25 Jahren. Die Alltagslasten in dieser Ehe sind dagegen ungleich verteilt. Von Halbe-Halbe ist die Ministerin heute weit entfernt, bekennt sie freimütig. Das hat sich mit ihrem politischen Aufstieg immer weiter verschoben: Heute „schupft mein Mann den kompletten Haushalt“.