GENITALVERSTÜMMELUNG: Ich brach das

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Ich war gerade zwölf geworden, als ich beschnitten wurde. Ich kann mich noch sehr genau an die Operation und die damit verbundene Zeremonie erinnern. In meinem Dorf wurden Beschneidungen nur an zwei Wochentagen durchgeführt: Monatag und Donnerstag. Ich weiß nicht, ob das auf irgendeinem besonderen Brauch beruhte. Ich sollte zusammen mit allen anderen gleichaltrigen Mädchen beschnitten werden. Die Feierlichkeiten fanden am Vorabend statt.

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Alle Dorfbewohner, jung und alt, kamen zusammen und stopften sich mit Essen voll. Bis spät in die Nacht war das laute Schlagen der Tamtams zu hören. Die Nerven meiner Mutter waren schwach, sie wollte nichts mit den Vorgängen zu tun haben. Sehr früh am nächsten Morgen holten mich meine beiden Lieblingstanten ab und brachten mich zu der Hütte, wo die Beschneiderin und einige jüngere Frauen warteten. Die Beschneiderin war eine alte Frau, die zu den Hufschmieden gehörte. Hier in Mali gehören fast alle Frauen, die Klitorisbeschneidungen und Inifibulationen durchführen, zu dieser Kaste.

An der Türschwelle der Hütte begrüßten meine Tanten die Beschneiderin so, wie es Brauch war, und überließen mich ihren Händen. In diesem Moment fühlte ich, wie sich die Erde unter meinen Füßen öffnete. Eine dunkle Ahnung? Angst vor dem Unbekannten? Ich wusste nicht, was Beschneidung war. Aber ich hatte schon oft Gelegenheit gehabt, Mädchen, die erst kürzlich beschnitten worden waren, beim Gehen zu beobachten. Ich kann euch versichern, das war kein schöner Anblick. Von hinten waren sie kaum von kleinen, gebückten, alten Frauen zu unterscheiden, die versuchten, mit einem Lineal zwischen ihren Knöcheln zu gehen, immer darum bemüht, es nicht fallen zu lassen.

Die Älteren hatten mir gesagt, Beschneidung sei keine schmerzhafte Operation: "Es tut nicht weh," hatten sie mir wiederholt versichert. Aber nun stieg die Erinnerung an den Gesichtsausdruck der beschnittenen Mädchen in mir hoch. Versuchten diese älteren Frauen nicht nur, mich zu beruhigen, um mich hereinzulegen?

Als ich die Hütte betreten hatte, begannen die Frauen, mir zu schmeicheln. Das stieß bei mir allerdings auf taube Ohren, denn Angstgefühle drohten mich zu überwältigen. Meine Kehle war trocken und ich schwitzte, obwohl es so früh am Morgen noch kühl war. "Leg dich hierhin!", befahl mir die Beschneiderin und zeigte auf eine Matte, die auf dem Boden ausgerollt war. Kaum hatte ich mich hingelegt, als ich fühlte, wie meine dünnen, zerbrechlichen Kinderbeine von starken Händen gegriffen und weit auseinandergezerrt wurden. Ich hob meinen Kopf, aber auf beiden Seiten drückten mich zwei Frauen zu Boden.

Meine Arme wurden ebenfalls festgehalten. Plötzlich fühlte ich, wie etwas Seltsames über meine Genitalien gestreut wurde. Erst später erfuhr ich, dass es Sand war. Der sollte die Beschneidung erleichtern. Was ich dann fühlte, war schrecklich. Eine Hand hatte einen Teil meiner Genitalien gegriffen. Mein Herz schien auszusetzen. In diesem Moment hätte ich alles gegeben, um 1000 Meilen weg zu sein. Von diesen Fluchtgedanken brachte mich ein stechender Schmerz bald wieder zurück in die Realität. Ich wurde bereits beschnitten. Zuerst entfernten sie mir die kleinen Schamlippen, dann die Klitoris.

Die Operation schien ewig zu dauern. Nicht enden wollende Wellen aus Schmerz und Verzweiflung hielten mich gefangen. Es riss mich physisch und psychisch auseinander.

Die Vorschrift war, dass Mädchen in meinem Alter bei der Beschneidung nicht weinen. Ich brach dieses Gesetz. Ich reagierte augenblicklich mit Tränen und Schmerzensschreien. Ich fühlte mich nass. Ich blutete. Das Blut floss in Strömen. Dann trugen sie eine Mixtur aus Butter und Heilpflanzen auf, um die Blutung zu stoppen. Niemals halte ich so entsetzliche Schmerzen gefühlt! Endlich entließen mich die Frauen aus ihrem Griff, mein verstümmelter Körper wurde freigegeben. In dem Zustand wollte ich nur noch liegen bleiben. Aber die Stimme der Beschneiderin zwang mich auf die Beine. "Es ist alles vorbei! Steh auf! Siehst du, es hat doch gar nicht so wehgetan."

Zwei Frauen halfen mir hoch. Dann zwangen sie mich nicht nur, zu den anderen frischbeschnittenen Mädchen zu gehen, sondern auch noch mit ihnen zu tanzen. Das war wirklich zu viel von uns verlangt. Trotzdem taten alle Mädchen ihr bestes. Umringt von sämtlichen Dorfbewohnern, versuchte auch ich ein paar Tanzschritte, so wie sie es verlangten. Ich kann euch gar nicht sagen, was ich in diesem Moment empfand. Zwischen meinen Beinen brannte es. In Tränen gebadet, hoppelte ich mehr, als dass ich tanzte. Ich war ohnehin ein schmächtiges Kind. Ich fühlte mich erschöpft und ausgelaugt.

Als die Aufseherinnen, die uns umkreisten, uns immer weiter zu diesem unendlichen, monströsen Tanz anstachelten, fühlte ich plötzlich, wie alles um mich herum zu kreisen begann. Danach weiß ich nichts mehr. Ich war in Ohnmacht gefallen. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, lag ich in einer Hütte, umringt von Menschen.

Später erlebte ich jedes Mal unbeschreibliche Schmerzen, wenn ich meinen Darm entleeren musste. Es dauerte einen Monat, bis meine Wunde einigermaßen verheilt war, weil ich mich dauernd da kratzen musste, wo sie juckte. Als es mir wieder besser ging, machten sich alle über mich lustig. Sie sagten, ich sei nicht tapfer gewesen.

Übersetzung: Gisa Klönne

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