Mädchen werden verstümmelt
Wer glaubt, dass Genitalverstümmelung nur irgendwo im afrikanischen Busch passiert, der irrt gewaltig. Es gibt sie mitten unter uns. In NRW sind aktuell 14.639 Mädchen und Frauen verstümmelt, in Bayern sind es 11.942, im Schlusslicht Saarland „nur“ 369. Jedes Jahr am 6. Februar zum internationalen „Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung“ veröffentlicht Terre des Femmes eine Dunkelzifferstatistik (EMMA berichtet seit 1977), aufgeschlüsselt nach den einzelnen Bundesländern. In ganz Deutschland lebten 2019 demnach insgesamt 70.218 Frauen und Mädchen, denen die Schamlippen und die Klitoris weggeschnitten worden sind.
Terre des Femmes warnt vor einer Legalisierung
Die Zahlen können alarmierender nicht sein. Die Zahl der Betroffenen ist 2019 im Vergleich zum Vorjahr um acht Prozent gestiegen. Im Vergleich zu 2016 sogar um 44 Prozent! Ein Grund der rapiden Zunahme ist die Migration aus Ländern wie Eritrea oder Somalia, in denen Frauen nahezu zu 100 Prozent verstümmelt werden. Und die grausame Tradition wird auch in Deutschland fortgeführt. In den so genannten „Ferienbeschneidungen“ werden Mädchen während des Urlaubs verstümmelt oder Beschneiderinnen werden für mehrere Beschneidungen nach Deutschland eingeflogen.
Terre des Femmes warnt zudem vor der Verlagerung des grausamen Rituals in Kliniken in Asien und Nordafrika. „Diese führt dazu, dass der Eingriff verharmlost wird und sogar Akzeptanz findet, weil er ja von medizinischem Fachpersonal durchgeführt wird. Es gibt sogar Bestrebungen, die medikalisierte Verstümmelung als Kompromiss zu legalisieren!“, sagt Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von Terre des Femmes.
Um auf das Ausmaß des Leidens durch Genitalverstümmlung aufmerksam zu machen, startet heute bundesweit in den Kinos der sehr berührende Film „In Search“. Darin geht die Regisseurin Beryl Magoko, die selbst als Kind verstümmelt wurde, auf Spurensuche. Sie erforscht die traumatischen Folgen dieses grausamen Rituals, reist in ihre Vergangenheit, zu anderen betroffenen Mädchen und zu den Frauen, die die Verstümmelungen durchführen.
Europa muss endlich deutlich Flagge zeigen!
Frauenrechtsverbände fordern: Europa muss endlich deutlich Flagge zeigen! Genitalverstümmelung darf nicht hingenommen werden! Nirgendwo! Nach bahnbrechenden Urteilen in Frankreich ist nun auch in Irland zum ersten Mal ein Ehepaar aus Somalia wegen Genitalverstümmelung an ihrer einjährigen Tochter verurteilt worden. Der Vater hatte seine Tochter im November 2016 wegen heftiger Dammblutungen ins Krankenhaus gebracht. Er behauptete, die Kleine sei beim Spielen rückwärts auf ein Spielzeug gefallen. Die Ärzte wurden jedoch misstrauisch, weil die Verletzungen nicht auf einen Unfall hindeuteten. Das Gericht verhängte Ende Januar eine Gefängnisstrafe von fünfeinhalb Jahren für den Vater. Die 27-jährige Mutter muss für vier Jahre und neun Monate hinter Gitter. Und: Gegen den Vater läuft ein Ausweisungsverfahren.
Dieser Fall gilt als weiterer bedeutender Moment im Einsatz gegen weibliche Genitalverstümmelung in Europa - weil die Verurteilung ein klares Signal sendet und vielleicht dazu beiträgt, dass eine andere Familie es sich zweimal überlegt, ob sie ihre Tochter wirklich beschneiden will.
In den kommenden zehn Jahren sind nach Berechnungen der Vereinten Nationen weltweit bis zu 70 Millionen Mädchen von dieser Praktik bedroht.
Hilfsprojekt gegen weibliche Genitalverstümmelung von Terre des Femmes: Let’s CHANGE
Deutschlandweite Termine für den Film "In Search"