Lange kannte ich ihren Namen nicht. Vor zehn Jahren schlich sie sich heimtückisch in mein Leben und richtete sich dort ein. Sie war gekommen, um zu bleiben: die Endometriose. Und sie brachte unangenehme Begleiter mit: Regelschmerzen, Schmerzen beim Sex, eine seltsame Müdigkeit, unerklärliche Traurigkeit.
Es sind gutartige Wucherungen, die seitdem mein Leben beeinträchtigen, meine Beziehung, meine Arbeit, mein Wohlbefinden. Ich werde sie nie mehr loswerden. Ich kann nur versuchen, die Krankheit anzunehmen, mein Leben mit ihr einzurichten.
2000 - endlich fertig mit der Schule. Ich will raus, das Leben spüren. Aber was soll ich anfangen? Ich weiß nicht, was ich aus mir machen möchte. Meine Eltern wünschen sich Sicherheit für mich, etwas „Ordentliches“, also lerne ich Zahnarzthelferin.
In dieser Zeit beginnen die Schmerzen. Wenn ich meine Regelblutung bekomme, sind sie so stark, dass ich nicht mehr aus dem Haus gehen kann. Ich ringe nach Luft, innerlich krampft sich alles zusammen. Es ist, als würden tausend kleine Nadeln in meinen Unterleib gestochen. Auch am zweiten und dritten Tag der Regel kann ich noch nicht aufstehen, nicht aufrecht stehen, mir ist übel. Jede Stunde schlucke ich eine Schmerztablette, fühle mich ausgehöhlt, wie in Watte gepackt. Erst nach zwei Tagen entlassen die Schmerzen mich langsam aus ihrem Würgegriff.
Etwas ist nicht in Ordnung mit mir. Klar, Regelschmerzen sind normal, meine Mutter hat sie auch. Aber so schlimm?
Bei der nächsten Routineuntersuchung erzähle ich meinem Frauenarzt von meinen Problemen. „Das ist halt so“, sagt er und schickt mich mit Mönchspfeffertropfen nach Hause. Ich bin erleichtert, dass es kein Krebs ist, aber besorgt, weil mein Körper signalisiert, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Und frustriert, weil ich mich nicht ernst genommen fühle.
2001 Ich bin verliebt, brauche die Pille. „Am besten nimmst du sie durch, ohne Pause, so wie die Hochleistungssportler. Dann verschwinden auch die Regelschmerzen“, empfiehlt mein Frauenarzt. Eigentlich möchte ich keine Hormone schlucken, aber die Aussicht auf eine schmerzfreie Zeit ist verlockend. Und tatsächlich: Die Menstruation bleibt aus – die Schmerzen sind weg. Zwei Jahre lang habe ich Ruhe.
2003 Ich mache eine Ausbildung zur Heilerzieherin. Es geht mir gut, seelisch und körperlich. Nur wenn ich alle sechs Monate eine Pillenpause einlege, kommen die Schmerzen zurück, mit einer kaum zu ertragenden Wucht. Dann drängt sich auch dieser unangenehme Gedanke wieder in mein Bewusstsein: Was, wenn es doch etwas Schlimmes, Lebensbedrohendes ist?
Der Gedanke lässt mich nicht los. Ich setze die Pille ab, weil ich die Hormone nicht vertrage. Die monatlichen Schmerzen setzen mir wieder zu. Meine Mutter erzählt von ihrer neuen Frauenärztin, die endlich eine Diagnose bei ihr gestellt hatte: Endometriose, gutartige Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut. Ich habe von der Krankheit noch nie gehört. Im Internet lese ich: Es ist nach Brustkrebs die zweithäufigste Frauenkrankheit, jede zehnte Frau ist betroffen. Etwa auch ich?
Ich lasse mir einen Termin bei dieser Frauenärztin geben. Doch Ultraschall, Abstrich und gynäkologische Untersuchungen ergeben nichts. „Ist wohl psychisch“, sagt die Gynäkologin. „Arbeiten Sie doch mal an ihren seelischen Problemen. Normal ist es jedenfalls nicht, wenn man bei der Untersuchung nichts findet und die Patientin immer noch jammert.“
Viereinhalb Jahre Schmerzen – alles nur Einbildung? Oder stimmt vielleicht tatsächlich etwas nicht mit mir? Ich nehme 14 Kilo ab. Während meine Mutter sich die Gebärmutter entfernen lässt, bin ich erst wütend, dann resigniere ich. Ich versuche, mich mit den Schmerzen abzufinden. Von Ärzten habe ich jedenfalls erst einmal genug.
2004–2008 Die Schmerzen werden schlimmer. Ich habe jetzt ständig Rückenschmerzen, Schmerzen beim Stuhlgang, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Zweimal werde ich ohnmächtig, während ich auf der Toilette sitze, weil die Schmerzen so unerträglich sind. Mein Freund findet mich. Er nimmt mich in den Arm. Auch für ihn ist es schwer, mit meinen Stimmungsschwankungen umzugehen, mich so leiden zu sehen.
Oktober 2008 Ich ziehe mit meinem Freund nach Stuttgart, um dort in einer Behinderteneinrichtung zu arbeiten. Als ich der neuen Frauenärztin meine altbekannten Beschwerden schildere, sagt sie sofort: Endometriose. Aber auch sie kann beim Abtasten und bei der Ultraschalluntersuchung nichts entdecken. Eine Bauchspiegelung müsse gemacht werden, sagt sie, um ganz sicher zu sein, was in meinem Unterleib los ist.
Drei Wochen später liege ich auf dem OP-Tisch der Uni-Klinik in Tübingen. Kohlenstoff wird in meinen Unterleib gepumpt, damit die Ärzte besser sehen können. Es sei möglich, dass die Eileiter verklebt seien, hatte mir eine Ärztin bei der Eingangsuntersuchung erklärt. Vielleicht könne ich keine Kinder bekommen. Glücklich verheiratet, zwei Kinder, so hatte ich mir meine Familie immer vorgestellt, irgendwann. Meine Lebensplanung wird mit dieser simplen Aussage für immer über den Haufen geworden.
Die Diagnose ist niederschmetternd: In meinem Unterleib wimmelt es von Endometriose-Herden. Grad IV, das schwerste Stadium. Die Verwachsungen sind sehr weit fortgeschritten, auch Darm und Leber sind betroffen. Wie hätten die Behandlungschancen wohl ausgesehen, wenn die Krankheit vor neun Jahren erkannt worden wäre? Ich bin wütend, wütend, wütend.
Ich brauche eine weitere Operation, die Wucherungen müssen weggeschnitten werden. Endometriosesanierung heißt das. Es sei möglich, dass ein künstlicher Darmausgang gelegt werden müsse, sagt die Chirurgin im Krankenhaus. Bis zur OP bekomme ich Enantonespritzen, die mich in die Wechseljahre versetzen, um die Wucherungen zu stoppen. Die Nebenwirkungen der Gelbkörperhormone sind unangenehm: Ich schlafe schlecht, nehme sieben Kilo ab, leide an Schweißausbrüchen, Depressionen und Panikattacken.
Mai 2009 Wieder im Krankenhaus. In der Gynäkologie war kein Platz mehr frei, jetzt liege ich auf der Geburtshilfestation, zwischen Frauen mit Wehen und Müttern mit Neugeborenen. Was für eine Ironie des Schicksals! Ständig fragt mich jemand, wo mein Baby ist. Vielleicht werde ich nie eines haben. Ich bin traurig und sehr alleine.
Vier Stunden lang schneiden und brennen die Ärzte in meinem Unterleib die Wucherungen weg. Als ich aus der Narkose aufwache, gucke ich zuerst, ob ein künstlicher Darmausgang gelegt wurde: nichts, Glück gehabt. Glück? Am Darm und an der Leber haben die Ärzte die Endometrioseherde nicht weggeschnitten, zu riskant. Was leider bedeutet, dass sie weiterwachsen können, dass es nicht zu Ende ist. Ich muss erneut für drei Monate eine Hormontherapie machen. Danach, so die Ärzte, hätte ich zwei Möglichkeiten: Die Pille nehmen, damit das Gewebe nicht weiter wuchert. Oder: Schwangerschaft so lange es noch möglich ist.
Ich entscheide mich zunächst für keinen der beiden Wege. Ich muss erst mal alles verarbeiten. Die Schmerzen sind zwar besser, aber nicht weg.
Dezember 2009 Zysten! Fünf Zentimeter groß, an meinen Eierstöcken. Mein Vertrauen in die Ärzte bröckelt. Die Endometriose geht tiefer, da reicht die Schulmedizin nicht. Mit einer Heilpraktikerin fange ich an, meine Biografie aufzuarbeiten. Die Endometriose verbreitet sich dort, wo sie nicht sein soll – außerhalb der Gebärmutter. Das Gute an der Diagnose ist: So viel wie jetzt habe ich mich noch nie mit mir selbst beschäftigt. Wer ich bin, warum ich so geworden bin, was ich ändern muss. Und ich habe meine Ernährung umgestellt, lasse jetzt tierische Produkte weg. In Kombination mit Hormonen scheinen sie Endometriose zu begünstigen. Die Wissenschaft wird immer noch von Männern dominiert, die offensichtlich in einer Frauenkrankheit keinen Nutzen sehen, sich zu profilieren. Die Krankheit hat keine Lobby.
Noch ein Gedanke lässt mir keine Ruhe. Was ist mit Kindern? Nach der OP hat ein Arzt gesagt: „Wenn Sie noch zehn Jahre warten, müssen wir eine künstliche Befruchtung machen. Wenn es überhaupt klappt.“ Auch meine Frauenärztin setzt mich unter Druck. Ich müsse mich jetzt entscheiden. Aber Kinder passen zurzeit nicht in meinen Lebensplan. Ich habe Verantwortung für andere Menschen in meinem Beruf. Ich möchte eine Weiterbildung zur Kunsttherapeutin machen, möchte reisen, die Welt sehen. Ich habe das Gefühl, mein Leben wird schon wieder fremdbestimmt.
Mai 2010 Die Schmerzen beim Geschlechtsverkehr sind weg. Ich hatte zum ersten Mal eine erträgliche Periode. Und ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich werde das Kinderkriegen erst mal verschieben, um mich mit der Krankheit zu arrangieren, ihre psychosomatischen Aspekte aufzuarbeiten.
September 2010 Ich habe ein Nebenstudium zur Sozialberaterin begonnen, in einem antroposophischen Ausbildungsinstitut, was mir viel Spaß und neue Sichtweisen bringt.
März 2011 Mir geht es gut. Ich habe keine typischen Endometriose-Beschwerden mehr. In der Therapie mit der Heilpraktikerin werden Schwermetalle ausgeleitet und der Gelbkörperhormonmangel mit natürlicher Yamswurzelcreme behandelt. Als Nahrungsergänzung nehme ich Spurenelemente, Fischölkapseln und Magnesium. Außerdem mache ich regelmäßig Luna-Yoga und Selbstheilungsarbeit nach der Methode Wildwuchs. Ich nutze meine Krankheit als Chance, um mich und meinen Körper kennen und lieben zu lernen.
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Fragen und Antworten zu Endometriose (1/11)