Das Feuer von Googoosh

Googoosh ist die schönste und lauteste Stimme für IranerInnen.
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Vor genau zwei Jahren war ich in Berlin in einem Googoosh- Konzert und schon bei der ersten Nummer liefen mir die Tränen, ich konnte gar nichts dagegen tun. Das hat mich überrascht. Denn zwar bin auch ich mit dem größten iranischen Popstar aufgewachsen, aber ein Fan, der jede Liedzeile mitsingen kann, bin ich nicht. Was also war an dieser Frau, das mich so berührte? 

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Sie widmete den Abend der wenige Tage zuvor ermordeten Jina Mahsa Amini

Als Googoosh mit zitternder Stimme den Abend der damals wenige Tage zuvor ermordeten Jina Mahsa Amini widmete und die Menge „Frau Leben Freiheit“ skandierte, wurde es mir klarer: Googoosh steht für mich für die verlorene Heimat, für eine Zeit, die unwiederbringlich vorbei ist. Wie kaum jemand anderes repräsentiert das persönliche Schicksal dieser Frau aber auch das der iranischen Menschen - vor allem der Frauen - in den letzten sieben Jahrzehnten. Die in Deutschland lebende Regisseurin Niloufar Taghizadeh zeigt das in ihrem bemerkenswerten Dokufilm „Googoosh – made of fire“. Zum ersten Mal ließ Googoosh sich in ihrem privaten Umfeld filmen und gibt uns einen intimen Einblick in ihr bewegtes Leben.

Geboren wurde Googoosh vor 74 Jahren in eine aus Azerbaidjan eingewanderte Artistenfamilie. Sie trägt den wunderschönen Nachnamen Atashin - das bedeutet „Aus Feuer gemacht“ (daher der Untertitel des Films). Bereits mit drei Jahren trat sie in dem Bühnenprogramm ihres geliebten Vaters auf. In den Sechzigern, in denen der Schah das Land brachial modernisieren und dem Westen anpassen wollte, stieg sie zum Star einer neuen iranischen Popszene auf. Auch hier brach man mit Traditionen und orientierte sich an westlicher Jazz-, Blues- und Latinomusik.

Ihr Ruhm erreichte in den Siebzigern einen ikonenhaften Status. Googoosh verkörperte einen neuen, modernen, selbstbewussten Frauentyp und war damit Vorbild für Millionen Mädchen und Frauen. Ihre Lieder liefen im Radio rauf und runter, in den zahlreichen neuen TV-Unterhaltungsshows war sie Dauergast.

In Teheran war Googoosh ein Kinderstar. Schon mit drei Jahren stand sie auf der Bühne.
In Teheran war Googoosh ein Kinderstar. Schon mit drei Jahren stand sie auf der Bühne.

Man hat heute fast vergessen, dass sie darüber hinaus eine großartige Schauspielerin war, die auch in künstlerisch anspruchsvollen und gefeierten Filmen mitspielte. Wie „Dar emtedade Shab“ von Parviz Sayyad, 1977. Da spielt sie eine berühmte Clubsängerin, die eine Liebesgeschichte mit einem wesentlich jüngeren Mann hat. Nicht nur aufgrund der freizügigen Sexszenen ein Riesenskandal! Ich durfte mit meinen damals zehn Jahren den Film natürlich nicht sehen.

Das alles änderte sich schlagartig, als Khomeini 1979 mit der Islamischen Revolution die Macht ergriff. Für die neuen Machthaber stand Googoosh für alles verderblich Westliche. Zudem war sie im Palast ein und ausgegangen, war Lieblingskünstlerin der Schah-Familie. Lebensgefährlich in der neuen Zeit!

Nach zahlreichen Verhaftungen und Verhören erteilte man ihr letztlich ein lebenslanges Berufsverbot aus und nahm ihr den Reisepass ab - ließ sie aber am Leben. Als lebendes Mahnmal war sie für die neuen Machthaber wertvoller als als Märtyrerin. Denn das Signal an die vielen Mädchen und Frauen, deren Vorbild Googoosh gewesen war, war klar: Wenn wir den größten iranischen Star mundtot machen können, dann können wir das mit euch schon lange!

Man muss sich das mal vorstellen: Ein Star, so groß wie Madonna, Lady Gaga oder Taylor Swift, darf von einem Tag auf den anderen nicht mehr auftreten, keine Musik mehr aufnehmen, keine Filme mehr drehen, nichts. 21 Jahre lang. Erst im Jahr 2000 wurde ihr gestattet auszureisen. Auch das gehört zu den Launen der Islamischen Republik. In Phasen der politischen Lockerung, wenn man mit dem Westen wieder mehr Geschäfte machen will, gibt man sich toleranter.

Mutig erhebt sie die Stimme gegen die Mullahs und für die Menschen im Iran

Für Googoosh begann ein neues Leben. Sie hat wieder bei Null angefangen und sich eine neue Karriere aufgebaut. Heute ist sie wieder der größte iranische Star auf dem Planeten. Frenetisch gefeiert von Millionen iranischer Menschen im Exil, die sie liebevoll „Tochter Irans“ nennen.

Sie erhebt ihre Stimme gegen die Machthaber und für die Menschen im Iran, ob bei den Protesten 2009, 2019 oder 2022. Sie setzt sich für die LGBTQI+-Bewegung ein und zeigte in einem ihrer Videos ein lesbisches Pärchen (wir erinnern uns, dass in der Islamischen Republik auf Homosexualität die Todesstrafe steht).

Für mich ist sie ein Sinnbild der viel bewunderten Resilienz iranischer Frauen. Man kann sie einsperren, demütigen, verletzen, aber sie stehen immer wieder auf. Sie lassen sich nicht klein kriegen - denn sie sind schließlich aus Feuer gemacht.

JASMIN TABATABAI

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