Lieber lachen als weinen
Hätte mir vor 30 Jahren jemand gesagt, dass ich EMMA noch im Jahre 2007 machen würde – ich hätte wohl trotz dieser Traumbedingungen ungläubig den Kopf geschüttelt. Denn beim Start im Herbst 1976 hatte ich keinesfalls die Absicht, Verlegerin zu werden, ja noch nicht einmal Chefredakteurin.
Ich wollte einfach nur dazu beitragen, dass in Deutschland eine unabhängige, öffentliche Stimme von und für Frauen existiert. Denn wir engagierten Journalistinnen hatten in den bewegten 70er Jahren die Erfahrung machen müssen, dass die so genannten „Frauenthemen“ plötzlich Männersache wurden – und nicht selten gar nicht oder nur klischeehaft berichtet wurden.
Ich war 33 Jahre alt, aber bereits eine erfahrene Journalistin: als Volontärin bei den Düsseldorfer Nachrichten, Reporterin bei Pardon und freie politische Korrespondentin in Paris für Print, Funk und Fernsehen. Ab 1971, mit dem Beginn der Frauenbewegung, in der ich zunächst in Paris engagiert war, hatte ich in Deutschland gleichzeitig meine ersten drei Bücher veröffentlicht; zuletzt 1975 den ersten feministischen Bestseller „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“.
Und mit eben diesem Bestseller verdiente ich erstmals mehr Geld, als ich zum Leben brauchte.
250.000 Mark lagen auf meinem Konto. Mir schien das schwindelerregend viel, in den Augen von Verlagsprofis jedoch war es lächerlich wenig. Es war noch nicht einmal ein Zwanzigstel der Summe, die Profis für das Minimum zum Start einer neuen Zeitschrift hielten.
Doch mein Kapital war schon zu der Zeit weniger das Geld, sondern vor allem mein Name: Nach dem spektakulären TV-Streitgespräch mit Esther Vilar im Frühling 1975 und dem Erscheinen vom „Kleinen Unterschied“ im darauf folgenden Herbst, stand mein Name für die Sache. Für die Sache der Frauen. Die von mir angekündigte EMMA wurde also mit Spannung erwartet – und Anspannung.
Dies ist die 281. Ausgabe von EMMA, alles in allem 22.924 Seiten in 31 Jahren. Für die Jüngeren ist es heute wohl kaum noch vorstellbar, mit welchem Maß an Häme und Aggression auf EMMA reagiert wurde. Doch EMMA ist nicht nur frauenpolitisch, sondern auch medienpolitisch gesehen eine Pionierleistung.
Sie ist meines Wissens in Deutschland nach 1945 die einzige Zeitschriftengründung durch eine (quasi) mittellose JournalistIn, unabhängig von Lizenzgebern, Konzernen oder Parteien; die einzige, die keine „Zielgruppen“ und das Anzeigengeschäft im Auge hatte, sondern LeserInnen und eine informiertere, aufgeklärtere Welt. Weltweit scheint EMMA heute das einzige Publikums-Magazin in Feministinnenhand.
Von Anfang an war EMMA allerdings mehr als eine Zeitschrift. Sie ist für so manche ihrer Leserinnen auch beste Freundin („Seit ich EMMA lese, bin ich nicht mehr allein mit meinen Ansichten.“), eine Art nationales Frauenbüro (jeder zweite Anruf in der EMMA-Redaktion ist eine Bitte um Information, Rat oder Hilfe) und ein Symbol. Ein Symbol für die Emanzipation: Schon wenige Monate nach Erscheinen der ersten Ausgabe wurden rebellische kleine Mädchen in der Schule „Emma“ genannt.
EMMA informiert und analysiert. Doch wenn es ihr zu bunt wird, geht sie auch darüber hinaus. Dann initiiert sie Aktionen oder Kampagnen. Und eine ganz zentrale Funktion von EMMA ist, trotz ihrer kritischen Distanz zu allen Parteien, das Einwirken auf gesetzliche Maßnahmen und politische Initiativen.
So hat zum Beispiel bei der Verschärfung des Sexualstrafrechts die kontinuierliche EMMA-Berichterstattung eine Rolle gespielt – und nicht minder EMMAs Initiative für mehr Ganztagsschulen. Es wäre wohl einige Diplom- und Doktorarbeiten wert, dem direkten und vor allem auch indirekten Einfluss von EMMA und ihrer Wirkung auf Gesetzgebung und Politik nachzuspüren.
Und auf die Medien. EMMA war bei vielen Themen, die inzwischen selbstverständlich scheinen, Schrittmacherin – und sie bleibt es. Oft hat EMMA als erste das Schweigen gebrochen, hat Jahre, ja Jahrzehnte vor den anderen berichtet – und dadurch letztendlich auch die übrigen Medien gedrängt, die Tabus zum Thema zu machen (siehe Jubiläumsheft 30 Jahre EMMA).
Von Anbeginn an und sehr bewusst hat EMMA auch die Berichterstattung über „Vorbilder“ gepflegt, was in den 70ern in der Frauenbewegung so gar nicht angesagt war. Da verdeckte das Kollektiv das Individuum, sagten die Frauen „wir“ – noch bevor sie gelernt hatten, „ich“ zu sagen.
Nie ging es EMMA dabei um unerreichbare und damit repressive Idole, sondern immer um lebendige Menschen mit Stärken und Schwächen: von dem Star oder der Sportlerin, über die Forscherin oder Politikerin, bis hin zur „Heldin von nebenan“. Um Menschen, die Mut machen.
Angefangen hatte es mit EMMA eher im – ungewollten – Alleingang, auch wenn ich das selbst zunächst nicht wahrhaben wollte. Und noch vor dem journalistischen stand das verlegerische Knowhow. Ich konnte zwar Artikel schreiben, aber eine Zeitung herstellen, vertreiben und verkaufen, das hatte ich nicht gelernt.
Ich kannte überhaupt keine einzige Frau, die Ahnung davon hatte. Dieses Wissen musste bei Männern erfragt werden. Einige gaben auch bereitwillig Auskunft. Denn von Anfang an hatte EMMA, bei allen Anfeindungen, auch Freunde, die sie tatkräftig unterstützten.
Für mich war es ein Learning by doing. Und eigentlich ist es ein kleines Wunder, dass EMMA alle Klippen überstanden hat: die feministischen, verlegerischen und politischen. Denn angefangen hatte es reichlich naiv.
Im Frühling 1976 schickte ich einen Rundbrief an alle Frauenzentren, in dem ich die EMMA-Gründung ankündigte und Frauen suchte, die mitmachen („An alle Kolleginnen – bitte weitergeben“). Da war mir noch nicht ganz klar, dass nicht alle Frauen Schwestern sind …
Auf dem ersten EMMA-Titel sind vier Frauen abgebildet, doch das versprach mehr, als es hielt. Denn wir vier waren: eine frisch umgeschulte Sekretärin, zwei anderweitig festangestellte freie Mitarbeiterinnen und ich.
Klar, dass ich in den ersten Monaten, ja Jahren, Tag und Nacht in der Redaktion hockte, damit EMMA pünktlich erscheinen konnte. Das ist heute anders: Ich bin mit dem Abenteuer EMMA schon lange nicht mehr allein: EMMA ruht auf den Schultern eines kleinen, verlässlichen Teams.
Als EMMA am 26. Januar 1977 zum ersten Mal erschien, unterschied sie sich von alternativen Blättern aus der Frauenbewegung – wie Courage oder die Frauenzeitung – nicht nur durch manchmal andere politische Standpunkte, sondern auch ganz grundsätzlich durch ihre Professionalität und die Absicht, nicht etwa ein Blatt für die Frauenbewegung, sondern eine Zeitschrift für alle Frauen zu sein.
Dass dies gelungen ist, beweist auch die siebte Leserinnen-Umfrage aus dem Herbst 2006. EMMA-LeserInnen sind die jüngsten Leserinnen aller deutschen Frauenzeitschriften (siehe Emma Umfrage).
Dass EMMA von Anfang an kein Blatt „der Frauenbewegung“, sondern von Journalistinnen war, die die Inhalte persönlich verantworteten und auch nicht jede feministische Mode mitmachten, irritierte natürlich nicht nur so manchen Kollegen, sondern auch so manche Schwester.
Was meist ganz persönlich ausgetragen wurde, auf meinem Rücken. Ich hatte einen Ruf wie Donnerhall, war „keine echte Feministin“, „eine Kapitalistin“ und „autoritärer als jeder männliche Chef“ etc. etc. Rückblickend muss ich zugeben: Es hätte für mich auch in der Resignation enden können (wie es ja für so manche meiner Vorkämpferinnen der Fall war).
Da ist es schon besser zu lachen als zu weinen. In EMMA hat nicht zuletzt darum der Humor – und vor allem der schwarze Humor – nicht zufällig von Anbeginn an seinen festen Platz; entgegen dem Klischee, Frauen hätten keinen Humor.
Es ist der Moment, zu gestehen, dass zunächst die Frauenwitze in Form von „Blondinenwitzen“ in der EMMA-Küche kursierten – und dass die EMMAs sehr, sehr herzlich darüber gelacht haben.
Frau kann eben nicht immer nur gut sein. Und wer sich Tag für Tag und Jahr um Jahr für Frauen einsetzt, der (und die) muss auch mal ablästern können. Zum Ausgleich entstanden dann unsere „Männerwitze“. Weil wir ein schlechtes Gewissen bekamen und beschlossen: Jetzt wird zurückgelacht!
Heft für Heft 116 Seiten – und die totale Freiheit, zu schreiben und zu veröffentlichen, was die Redaktion gerade passend findet. Kein Konzern, kein Kalkül, kein Anzeigengeber, der reinredet und einengt. Einzig und allein die Lust am Zeitungmachen, der Spaß an der Kommunikation mit den LeserInnen sowie die Hoffnung auf Aufklärung und eine auch für Frauen gerechtere Welt.
Ich will den Mund nicht zu voll nehmen – doch mir scheint, EMMA könnte heute die einzige Publikumszeitschrift der Welt sein, die noch so funktioniert. Und das wird auch so bleiben.
Der Text ist das gekürzte Vorwort aus dem gerade erschienenen Buch „30 Jahre EMMA“ (Collection Rolf Heyne).