Guerillas gegen Schlankheitswahn!

"Gib nicht auf!" Schauspielerin Ulrikke Falch (re) mit Susanne Kaluza posten für ein positives Körperbild.
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Du hast gerade eine Stunde im Fitnessstudio gegen deine „Problemzonen“ angeackert. Du guckst in der Umkleidekabine missmutig in den Spiegel. Und da hängt ein bunter Klebezettel, auf dem steht: „Du musst dich nicht verändern, damit andere dich mögen!“ Am nächsten Tag findest du einen anderen Zettel am Spiegel der Schultoilette: „Hallo du, sieh dich selbst im Spiegel. Lächle! Sieh, wie toll du bist! Glaube, dass du gut genug bist, egal, was die anderen sagen.“ Deine Laune steigt. Und auf einem zweiten Zettel steht: „Perfektion ist eine Illusion!“ Darunter jeweils ein Hashtag: #postitgeriljaen.

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Du bist gut genug! Egal,
was die
anderen sagen. #postitgeriljaen

„Post it-Guerilla“ heißt die Kampagne, die vor kurzem in Norwegen gestartet ist und gerade ihren Siegeszug rund um die Welt antritt. „Bodypositive“ lautet das Schlagwort – und Post-its mit körperpositiven Botschaften sind inzwischen nicht nur an norwegischen Spiegeln gesichtet worden, sondern auch an belgischen, russischen oder brasilianischen.

Initiatorin und prominentes Gesicht von #postitgeriljaen ist die Schauspielerin Ulrikke Falch, genannt Ulle. Die 21-Jährige ist nicht nur in Norwegen ein Star, seit sie in der TV-Serie „Scham“ mitspielte. Die Serie, in der es um die Sorgen und Nöte einer Gruppe Jugendlicher in Oslo geht, geriet den Macherinnen so lebensnah, dass sie in Norwegen zum Kult und in zahlreiche Länder verkauft wurde.

https://www.instagram.com/p/BVVC7p8FH3D/"

In „Scham“ geht es um Liebe und Sexualität, um ein muslimisches Mädchen, das zwischen Tradition und Moderne zerrissen ist; um den homosexuellen Isak und sein Coming-out in einem freikirchlichen Elternhaus; es geht um sexuelle Übergriffe und immer wieder um – Feminismus.

Ulle spielt in „Scham“ das Mädchen Vilde. Die Tochter einer Alkoholikerin lechzt in ihrer Schulclique nach Anerkennung und kippt auf ihrer Jagd nach dem perfekten Körper in die Essstörung. Vilde-Darstellerin Ulle kennt das Problem aus eigener Erfahrung. Als Teenager litt sie selbst unter Magersucht. „Dein Körper ist ein Abbild deines Schmerzes geworden. Dein Körper ist zu den Worten geworden, die du so lange gesucht hast“, schrieb sie über diese Zeit in Aftenposten. Die Botschaft des Körpers laute: „Ich will nicht ich sein. Ich will nicht, dass du mich siehst. Ich will nicht im Weg stehen. Ich will nicht existieren.“

Bikini-Bridge, Thigh-Gap und Ab-Crack machen Druck auf die Mädchen

Ulle hat ihren Weg aus der Magersucht gefunden und will jetzt gegenhalten: „Wir wollen Menschen auf der ganzen Welt dazu ermutigen, bei der Post-it-Kampagne mitzumachen“, sagt sie. „Wir wollen bewusstmachen, wie Werbung und Medien unser Selbstwertgefühl untergraben. Helft uns, Zettel mit körperpositiven Botschaften zu verbreiten! Klebt sie in Umkleidekabinen, auf Poster oder öffentliche Toiletten! Macht ein Foto von eurem Post-it-Spruch, postet ihn unter #postitgeriljaen und macht die Kampagne bekannt!“

Ulle und ihre Co-Kampagnen-Initiatorin, die TV-Redakteurin Susanne Kaluza (Foto links), haben den Kampagnenstart bewusst in die Sommermonate gelegt. Denn das ist die Zeit, in der Mädchen noch mehr Stress mit ihrem Körper haben als sonst. In der Badezeit haben die aberwitzigen Markenzeichen der Superdünnen Konjunktur: Bikini-Bridge (die Bikinihose spannt sich zwischen den hervorstehenden Beckenknochen), Ab-Crack (die Bauchmuskeln sind so definiert, dass sie in der Mitte eine Spalte bilden) oder Thigh Gap (die Oberschenkel sind so dünn, dass zwischen ihnen eine Lücke entsteht).

Aber auch jenseits von #postitgeriljaen ist die junge Schauspielerin äußerst umtriebig und verbreitet ihre feministischen Botschaften in den sozialen Medien, mal ernst, mal ironisch. Auf Instagram gibt sie sarkastische Tipps: Was frau unbedingt beachten muss, um nicht vergewaltigt zu werden. Und vor allem, um anschließend nicht selbst schuld zu sein.

https://youtu.be/Sv9GDmN8MZQ

Auf Youtube erläutert sie in ihrer Reihe „Reasons to be a feminist“ warum sie Feministin ist. Teil 1: die allgegenwärtige „Porn Culture“. „Sie zeigen eine kommerzialisierte und sexualisierte Version des weiblichen Körpers – keine mutige Frau, keine starke Frau, keine intellektuelle Frau, keine glückliche Frau. Sie zeigen uns einfach nicht das Spektrum toller Frauen, die es da draußen gibt.“

Ulle weiß, dass sie mit ihrer Popularität ein echtes Role Model ist. „Mein Anliegen ist, euch zu zeigen, wie ein normaler Körper aussieht. Ein gesunder, glücklicher Körper.“

#postitgeriljaen rennt. Inzwischen gibt es auch einen englischen Hashtag: #postitsquad. Also: Auf geht’s, deutsche Spiegel bekleben! #postitguerilla

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Nicole Jäger: Dicksein als Symptom

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Wie wurde aus der 340 Kilo schweren Nicole, die sich massenhaft Essen in ihre Wohnung liefern lässt, die Fettlöserin?
Mit Mitte zwanzig dachte ich mal, ich hätte einen Herzinfarkt gehabt. Und da wurde mir klar: Entweder ich kriege in meinem Leben noch etwas hin. Oder ich werde alleine sterben. Und ab da habe ich angefangen, ehrlich zu mir zu sein. Erster Schritt: Auf die Waage stellen. Ich musste mich damals auf zwei Waagen stellen, für eine war ich zu schwer. Dann: Über mein Gewicht sprechen! 340 Kilo! Bemerken: Die Welt geht ja gar nicht unter. Trotzdem bin ich an vielen Hürden abgeprallt. Ich bin zu einem Arzt, habe Hilfe gesucht und bin gescheitert. Ich bin zum Therapeuten und wurde behandelt wie Abfall. In dieser Zeit habe ich mir überlegt: Wenn ich es schaffe, dann erzähle ich allen, wie ich es gemacht habe. Ich habe in gut acht Jahren 160 Kilo abgenommen!

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Wir erfahren erstaunlich wenig darüber, wie Sie das gemacht haben.
Das beschreibe ich doch. Ich beschreibe nur nicht, was ich gegessen habe. Ich sage bloß: Esst und trinkt regelmäßig. Ich halte nichts von Diätratgebern. Und ich weiß, wovon ich spreche: Ich habe tausende Diäten ausprobiert! Viele Menschen möchten einen konkreten Ernährungsplan, der sie zehn Wochen durch ihr Leben begleitet. Und was kommt danach? Übernehmt bitte selbst die Verantwortung für euer Essverhalten. Denn am Ende des Tages weiß jede und jeder genau, was gut tut. Und auch, dass es keine gute Idee ist, den ganzen Tag nichts zu essen, eine Schachtel Zigaretten zu rauchen und sich abends zwei Pizzen oder drei Portionen Pommes reinzuschieben.

Wie sehen Ihre Top-Fünf der schrecklichsten Diäten aus?
Modifiziertes Fasten steht ganz weit oben! Eiweiß-Shakes zum Beispiel. Und alles, was man schlucken muss, um den Hunger zu reduzieren: Appetitzügler oder Schwämmchen, die im Magen aufquellen. Schlimm sind auch die mega-einseitigen Diäten wie die Eier-Diät, ekelhaft! Und alle Null-Diäten. Und alle Low-Carb- Sachen. Ich bin erklärte Gegnerin davon, keine Kohlehydrate oder kein Fett zu sich zu nehmen, also einen kompletten Ernährungsbaustein wegzulassen.

In Ihrem Buch beschreiben Sie Diäten, die wie Folter klingen ...
... wie die Bandwurmdiät, bei der Menschen Bandwürmer schlucken, die die Nahrung im Magen aufessen sollen, bevor sie verdaut wird. Oder das Miracle Tongue Patch, da lässt man sich ein Pflaster auf die Zunge nähen. Sie haben so schlimme Schmerzen, dass Sie nur noch Flüssiges zu sich nehmen können. Oder Magenauspumpen für zuhause, auch schön! Natürlich denkt man: Warum tun Menschen sich das an? Die Antwort lautet: Weil sie keine andere Lösung mehr sehen. Deutschland ist eine Gesellschaft voller Körperfaschisten. Selbst superdünne Models werden retuschiert. Und wenn es Menschen mit einer durchschnittlichen Figur deswegen schon schlecht geht, dann stellen Sie sich mal den Leidensdruck einer Übergewichtigen vor!

Wie äußert sich das im Alltag?
Sie können keinen Schritt tun, ohne dass jemand Sie beurteilt. Sie können nichts in der Öffentlichkeit essen, ohne dass jemand das kommentiert. Jede Seele hat eine Sollbruchstelle. Und wenn die ständig überlastet ist, dann bricht irgendwann alles weg. Deswegen fangen Menschen an, alles falsch zu machen. Da erscheint es plötzlich klüger, sich Magen und Darm zerschneiden zu lassen, als das noch länger aushalten zu müssen. Hauptsache Sie sind nicht mehr die Person, auf die jede und jeder mit dem Finger zeigt. Sie haben sich dagegen entschieden, Ihren Magen zerschneiden zu lassen. Weil ich begriffen habe, dass mein Magen nicht das Problem ist. Mein Essverhalten ist krankhaft. Obwohl ich mich für einigermaßen plietsch halte, also nicht zu dämlich bin, zu begreifen, dass Schokolade mehr Kalorien hat als ein Apfel. Ich habe ein emotionales Problem. Und das kann eine Magen-Operation nicht lösen. Meine Praxis ist heute gerappelt voll mit Menschen, die operiert aber todunglücklich sind, weil sich an ihrem Grundproblem nichts geändert hat. Das Suizidrisiko innerhalb der ersten zehn Jahre nach einer solchen Operation ist immens. Essen ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Und dieses Symptom steht für etwas. Die Ursachen sind meist nicht im Kühlschrank, sondern in der Psyche zu finden.

Wann wurde Ihnen das alles klar?
Zu spät. Ich glaub auch nicht, dass es ein Ereignis gab, das bei mir alles ausgelöst hat. Das ist generell selten. Aber ich weiß inzwischen, dass mein vorherrschendes Gefühl ist, unbeliebt zu sein. Egal was ich tue, es erscheint nie ausreichend! Und ich habe irgendwann eine kleine Schwester bekommen, die perfekt war. Wir sind heute ein Arsch und ein Eimer. Aber damals war das hart: Ich war das kranke, dicke Kind. Und sie war das bildschöne, dünne Kind. Und so wurden wir auch behandelt.

Sie waren fünf Jahre alt, als Ihre Eltern Sie das erste Mal in Kur geschickt haben.
Ja, die erste von fünf Kuren. Auf Diät war ich schon früher. Das ging im Säuglingsalter los.

Wieso setzen Eltern ein Baby auf Diät?
Ich bin Baujahr 1982. Wenn ein Arzt damals gesagt hat, das muss so sein, dann hatte der so viel Weißkittel-Hierarchie, dass Eltern seinen Rat sofort befolgt haben. Meine Eltern sind nicht so übergewichtig wie ich, aber sie haben auch 20, 30 Kilo zu viel auf den Hüften. Und sie waren extrem verunsichert, weil ich als Baby gesundheitlich nicht auf der Höhe war.

Und wie war das für das Mädchen Nicole?
Ich habe interessanterweise nur schlechte Erinnerungen an die Kur. Ich habe als Fünfjährige ja gar nicht verstanden, warum ich auf einmal weg sollte. Die Angst, verlassen zu werden, das ist bis heute mein Knackpunkt. Ein Super-Trigger für eine Essstörung!

In Ihrem Buch schildern Sie, wie Ihnen während Ihrer Kur ein schlechtes Gewissen beim Essen eingeredet wurde.
Das ging genau dort los. Es gab zwei Übergewichtige, ich war eine davon. Wenn ihr nicht aufpasst, dann werdet ihr so wie die, hieß es immer. Die anderen Kinder bekamen Schokolode, wir eine halbe Kiwi. Und dafür wurden wir auch noch ausgelacht.

Wie dick waren Sie denn als Kind?
Ich war eher groß. Ein bisschen ... mehr als alle anderen. Rückblickend ist es natürlich tragisch und komisch zugleich, dass der Arzt gesagt hat: Schicken Sie ihre Tochter in Kur, sonst wird sie später dick!

Wie ging es dann in der Schule weiter?
Da gab es Elterngespräche und ich musste zum Schulpsychologen. Die Nicole ist übergewichtig! Das geht so nicht! Sie sieht anders aus als die anderen Kinder! Das war ständig Thema. Ich bin aber nicht gemobbt worden. Davor hat mich mein auffälliges Auftreten geschützt. Und ich habe Leistungssport betrieben: Zehnkampf, Geräteturnen, Bodenturnen und Trampolin. Bis mir ein Trampolin-Unfall die Hüfte weggerissen hat. Ich konnte nicht mehr laufen, saß über ein Jahr im Rollstuhl und habe alle meine Freunde verloren.

Und dann?
Habe ich den Sport durch Essen ersetzt. Wenn ich nicht gegessen hätte, hätte ich mir vermutlich die Arme aufgeritzt. Ich kompensiere negative Gefühle mit Essen: Einsamkeit, Schuld, Unsicherheit, Angst. Vorher war Sport das Ventil. Ich bin mit zwei geprellten Fußgelenken Trampolin gesprungen. Als das nicht mehr ging, habe ich gefressen, bis es weh tat. Und essen kann sehr, sehr weh tun. Sie bekommen Magenkrämpfe. Ihr ganzer Körper schmerzt unter Ihrem Gewicht. Das ist eine Art, sich selbst zu bestrafen. Ich hätte das alles nie getan, wenn mein Selbstwertgefühl groß genug gewesen wäre.

Haben Sie nicht irgendwann gemerkt, dass die Sache aus dem Ruder läuft?
Jein. Mir war natürlich klar, dass ich übergewichtig bin. Gleichzeitig war ich seit meinem fünften Lebensjahr auf Diät, zwanzig Jahre am Stück. Sie können in dieser Gesellschaft vieles sein – ein Betrüger, ein Wichser – aber bloß nicht übergewichtig! Und wenn Sie immer auf Diät sind, dann sind Sie auch überzeugt, dass Sie ja etwas tun gegen Ihr Übergewicht. Sie rennen sozusagen mit lachendem Gesicht in die Kreissäge. Und irgendwann kommen Sie zu dem Schluss: Das kann ja gar nicht an mir liegen, ich tue ja schon alles. Ich muss krank sein! Ich armes, armes Kind! Selbstmitleid fühlt sich auch scheiße an, aber lange nicht so scheiße wie: Du bist fett und selber schuld.

Sind das alles Gefühle, die vor allem Mädchen und Frauen betreffen?
Ja, absolut. Aus Mädchen werden Frauen, die dann vor mir sitzen und sagen: Ich sollte früher immer so und so sein! Ich sollte lieb sein; ich sollte gut erzogen sein; ich sollte zurückhaltend sein. Und am besten nie meine Meinung sagen. Dazu zählt auch: Eine Frau hat nicht übergewichtig zu sein! Du wirst nie einen Mann finden, weil Männer nicht auf dicke Frauen stehen! Mädchen sind mit so dominanten Anforderungen konfrontiert, dass sie sich nur schlecht fühlen können. Weil es unmöglich ist, diesen Anforderungen zu entsprechen. Schauen Sie sich doch diese frauenverachtende Scheiße wie Gemany’s next Topmodel an! Es ist legitim, Menschen auf ihren Körper zu reduzieren und öffentlich wie Dreck zu behandeln. Und alle sehen zu. Und was tun sie danach? Sie gehen raus und zeigen mit dem Finger auf die Erst - beste, die diesem kranken Körperbild noch viel weniger entspricht als sie selbst.

Ist Ihnen das oft passiert?
Nach meinen Auftritten bekomme ich immer sehr positives Feedback von meinem Publikum. Aber wenn ich nach Hause komme, habe ich Gewaltandrohungen in meinem Mailpostfach und auf meiner Facebook-Seite.

Ernsthaft?
Ja. Da kommen Sätze wie: Die Fette hat doch ne Praxis, da fahren wir mal hin und vergewaltigen die, und dann hält die schon die Fresse! Oder: Wir kommen zu deiner Lesung und schlagen dich zusammen! Und das sind nicht nur ein oder zwei Mails gewesen, dass passiert mir ständig.

Wie gehen Sie damit um?
Anfangs hat mich das echt umgehauen. Ich dachte auch schon mal daran, aufzuhören. Aber dann hätten die ja alle gewonnen. Für jeden einzelnen Wichser, der Frauen wie mich runtermacht, stehe ich morgens auf und erzähle meine Geschichte. Notfalls stelle ich mich nackt in eine Fußgängerzone und erzähle sie noch lauter!

Sie haben stattdessen eine Praxis für Ernährungsberatung aufgemacht.
Ja, dabei wollte ich eigentlich ja was ganz Anderes machen, studiert habe ich Gebärdensprache und Sprachwissenschaft. Aber ich hatte diesen sehr erfolgreichen Blog, über den mich viele Hilferufe erreicht haben. Und eines Tages kam die Erste auf mich zu und sagte: Wenn du mir nicht hilfst, dann kann mir niemand helfen. Ich hielt das anfangs für Quatsch. Haha, die dicke Frau macht ne Praxis auf! Ausgerechnet in Hamburg Eppendorf!

Mit welchen Problemen kommen Frauen zu Ihnen?
Ich bin oft der letzte Versuch. Von Frauen, die sich eigentlich schon aufgegeben haben. Übrigens auch von Magersüchtigen. Die Erste kam noch mit Schlauch in der Nase direkt von der Zwangsernährung. Und sie sagte: Entweder bekommen wir das hin – oder ich werde das hier nicht überleben. Und ich dachte: Naja, Essstörung ist Essstörung und wir sind alle eine große Familie.

Gibt es einen psychischen Unterschied zwischen Dicken und Dünnen?
Magersüchtige erleben den gleichen Leidensdruck wie Übergewichtige. Das Gefühl, dass niemand sie versteht. Auch sie denken, sie sind so, wie sie sind, nicht in Ordnung. Und daran arbeite ich mit allen meinen Klientinnen. Ich sage ihnen: Doch, bist du! Und jetzt schauen wir uns dieses Gefühl mal an! Wo kommt das her?

Und bei Männern?
In meine Praxis kommen in der Tat überraschend viele Männer, die sind allerdings meistens homosexuell. Auf den Lesungen ist es so: Entweder haben ihre Frauen sie hin gezwungen. Oder es sind Männer, die selbst mit dem Thema Körperlichkeit zu kämpfen haben und häufig abgelehnt werden.

Sie werden in Interviews auffällig oft gefragt, ob Männer Sie attraktiv finden. Und wie Sie Sex haben ...
Stört mich überhaupt nicht, da rede ich gerne drüber! Ich bin groß, ich habe wasserstoffblond gefärbte Haare, ich trage figurbetonte Kleider. Alles an mir ist weiblich und ich liebe das. Denn das ist ein Gefühl, das ich mir wirklich hart erarbeitet habe! Die Einstellung zu sich selber ist der größte Ausstrahlungsfaktor, den wir haben. Und eine gute Einstellung finden Männer attraktiv – selbst dann, wenn sie nicht auf dicke Popos stehen.

Das Gespräch führte Alexandra Eul.  

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