Rocky boxt nicht mehr
Vor ein paar Jahren bestand noch die Hoffnung, dass die treibende Kraft hinter dem Rechtsruck bald aussterben würde. Damals war viel die Rede vom „wütenden, weißen, alten Mann“, der die Zeichen der Zeit nicht erkennen wollte und aus Protest gegen den Verlust seiner Privilegien rechts außen wählte. Doch dieser vermeintliche Sündenbock wird mittlerweile längst übertroffen von den Jungen. Bei der vergangenen Bundestagswahl wählten 17 Prozent der über 60 Jahre alten Männer die AfD, unter den 18- bis 29-Jährigen waren es zehn Prozent mehr.
Auch in den USA hat Donald Trump die Wahl vor allem mit Hilfe von Männern gewonnen. Zuvor weitgehend unpolitische junge Wähler haben ihm die entscheidenden Prozentpunkte verschafft. Wie sehr ihre Mobilisierung damit zu tun hat, dass sie mit ihrem Status als Mann hadern, beweisen Umfragen: Danach ist der Glaube an „hegemoniale Männlichkeit“ – also daran, dass Männer stark und hart sein sollten – mit der größte gemeinsame Nenner von Trump-Wählern.
Es stellt sich also die Frage, woher dieser überwältigende Frust von Männern mit ihrem Los plötzlich kommt. Warum sind Männer mit einem Mal so fertig mit der Welt, dass sie bereit sind, ein Monster zu schaffen, das womöglich das gesamte System über den Haufen wirft, die liberale Demokratie gefährdet und den Rechtsstaat abschafft? Warum ist die Wut so groß und warum gerade jetzt?
Um das zu begreifen, hilft eine alte Zeile von Herbert Grönemeyer. „Männer sind auch Menschen.“ Das ist eine Binsenweisheit, die angesichts des Monsters, das sie geschaffen haben, in letzter Zeit leicht vergessen wurde. Sie sind Väter und Söhne, Brüder und Ehemänner mit normalen menschlichen Bedürfnissen, woraus der Schluss folgt, dass sie nicht Geringschätzung verdienen, sondern Empathie. Um die derzeitige Systemkrise zu verstehen, muss also akzeptiert werden, dass Männer (und auch manche Frauen) nicht aus Doofheit rechtsextrem wählen, sondern aus Gründen, die nachvollzogen werden können.
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