Harte Frau, weicher Mann?

Ex-Kommissarin Sandra Cegla und Ex-General Erich Vad haben gemeinsam über "gute Führung" nachgedacht.
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Sommer 2021. Das Ermittlerteam fahndet auf Hochtouren nach den Flüchtigen. Gesucht werden: zehn Prominente, darunter Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko, Model und Schauspielerin Stefanie Giesinger, Sängerin Vanessa Mai und Schauspieler Kida Khodr Ramadan. „Celebrity Hunted“ heißt die Serie, die im Dezember 2021 auf Amazon startete: Eine Gruppe erfahrener Ermittler macht sich auf die Suche nach den irgendwo in Deutschland untergetauchten „Celebrities“, die es schaffen müssen, zehn Tage lang unentdeckt zu bleiben.

Gesucht und gefunden haben sich bei den Dreharbeiten auch zwei Menschen, deren Begegnung man wohl als glückliche Fügung bezeichnen kann: Erich Vad und Sandra Cegla. Der Brigadegeneral a. D. und langjährige militärpolitische Berater von Kanzlerin Angela Merkel und die Ex-Kriminalkommissarin, die heute eine Frauenberatung betreibt. Vad ist Chef der TV-Fahndungstruppe, Cegla ist Leitende Ermittlerin und Einsatzleiterin. Vad fällt Cegla auf, Cegla fällt Vad auf. Und zwar positiv. 

Erich Vad fühlt sich in seiner Chef-Rolle unwohl. „Ich erlebte am Filmset einen regelrechten Flashback in frühere Zeiten. Mein Führungsstil war im Film stark männlich geprägt: abgehackte, kurze, zupackende Sprache, schnelle Entschlüsse, direktes Führungsverhalten und klare Fokussierung auf Zugriffe. So wollte es die Regie.“ Aber Erich Vad will es nicht. Beziehungsweise nicht mehr.

Der Ex-Militär hat in seinen sieben Jahren als Gruppenleiter im Bundeskanzleramt und Kanzlerinnenberater bei seiner Chefin gesehen, dass Führung auch anders geht. Und so fällt am Set sein bewundernder Blick immer wieder auf seine Einsatzleiterin. „Sie führte Zugriffe und Verhaftungen in sehr moderatem, nicht herrischem, nicht lautem, ganz und gar nicht männlichem Ton durch. Das hat mich gewundert, beeindruckt und auch fasziniert.“ Denn an Autorität mangelt es Kriminalistin Cegla keineswegs, im Gegenteil. „Unheimlich stark und selbstsicher“ sei sie aufgetreten, „ohne dabei aggressiv sein zu müssen.“ Fazit: „Irgendwie hat mich Sandras Stil an das Führungsverhalten von Angela Merkel erinnert.“ 

Und auch Ermittlerin Cegla ist angetan von ihrem TV-Chef. Der entschuldigt sich in den Drehpausen beim Team, wenn er für die Regie mal wieder harsch durch die Gegend geblafft hat. Cegla ist zunächst „irritiert“ davon, dass Vad mit seiner „außergewöhnlichen Karriere mir und auch allen anderen gegenüber so viel innere Ruhe, Wertschätzung und eine klare Haltung ausstrahlt“. In den Drehpausen sprechen der Ex-General und die Ex-Kommissarin oft miteinander: „Über Macht, Dominanz, über den Missbrauch von Macht, Ausbeutung, Demütigung, Gewalt. In den meisten Punkten sind wir uns einig“, sagt Vad.

Einig sind sich er und Sandra Cegla bald auch drüber, dass sie aus dem, worüber sie sich so intensiv und konstruktiv austauschen, ein Buch machen wollen. Ein Buch darüber, wie „gute Führung“ funktionieren kann. Nämlich, indem nicht länger nur das „männliche“ Prinzip gilt, sondern das „weibliche“ Prinzip hinzukommt. Dafür, so die Erkenntnis, müssen Männer wie Frauen dazulernen. Titel ihres Buches: „New Female Leadership“.

Dass Mädchen immer noch hübsch und angepasst sein sollen und ihnen das auf ihrem Weg zu einer Führungsposition im Wege steht, ist zwar kein wirklich neuer Gedanke. Das hatten Feministinnen schon Anfang der 1970er Jahre lanciert. Auch dass Jungen schon früh Weichheit und Mitgefühl abtrainiert werden, was sie nicht zu empathischen Chefs macht, ist hinlänglich bekannt. Aber Sandra Cegla, 44, und Erich Vad, 66, berichten in ihrem Buch so anschaulich von ihren eigenen – persönlichen wie beruflichen – Erfahrungen mit Führung, dass die Lektüre selbst für gestandene Feministinnen die eine oder andere Erkenntnis bereithält. 

Das Ereignis, das Sandra Cegla früh und für ihr Leben geprägt hat, ist ein Mord. Sie ist 20, als ihre Tante umgebracht wird – vom eigenen Lebensgefährten. Nichte Sandra beschließt, Polizistin zu werden. In ihrem Berliner Kommissariat spezialisiert sie sich auf sogenannte „Partnerschaftsgewalt“. 

Immer wieder wird sie mit schwer vorstellbaren Grausamkeiten konfrontiert, die ihr auch nach Dienstschluss noch zu schaffen machen. Gleichzeitig beginnen im Kommissariat die Konkurrenzkämpfe, die die junge Polizistin gar nicht führen will; es herrscht ein harscher Umgangston, an den sie sich nicht anpassen will. Über ihr Entsetzen über die schrecklichen Brutalitäten, die sie sieht, wagt sie nicht zu sprechen. Ihr Fazit: „Immer wieder hielt ich mich für vollkommen ungeeignet, den Beruf einer Kriminalkommissarin auszuüben. Ich war zu weich, zu verletzlich, zu emotional und nicht durchsetzungsstark genug.“ 

Die Kriminalkommissarin erleidet prompt einen Zusammenbruch: Schlafstörungen, Angstzustände, Panikattacken. Sie beginnt, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie sie sich schützen und trotzdem empathisch mit den Gewaltopfern bleiben kann. Auch im Umgang mit den raubeinigen Kollegen lernt sie dazu. Motto: Das Nachahmenswerte von Männern lernen und durchaus mal in den Kampf gehen, aber das eigene Frausein nicht verleugnen. 

Bei Erich Vad lief es, wenn man so will, genau umgekehrt. Der Vater stirbt früh und Erich wächst mit der alleinerziehenden Mutter dreier Kinder auf. Die muss dafür sorgen, dass die Familie durchkommt. Der Sohn hat also eine starke Frau als Vorbild. Die erzieht ihren Ältesten zur Härte: „Ein Junge weint und friert nicht, ein Junge hat keine Angst, er muss stark sein und darf vor allem niemals aufgeben.“ 

Der mütterliche Drill nützt dem jungen Mann zunächst, als er gleich nach dem Abitur 1975 in eine (damals noch) reine Männerwelt eintritt: das Militär. „Ich hatte mich an strenge Hierarchien gewöhnt und an männliche Vorgesetzte. Bei der Auftragserfüllung galt es immer, deren Ego mitzubedienen.“ Doch als er 2006 bis 2013 – inzwischen selbst verheirateter Familienvater mit drei Kindern und einer Frau, die Ärztin ist – militärpolitischer Berater von Kanzlerin Merkel war, begegnet ihm ein anderer Führungsstil. „Am Tisch in ihrem großen Büro ging es eher familiär zu; inhaltlich allerdings nicht weniger anspruchsvoll als in archaischen Männerrunden, im Gegenteil: Zum Kaffee servierte Angela Merkel die schwierigsten Themen der internationalen Sicherheitspolitik. Aber die entspannte Atmosphäre trug dazu bei, dass man vernünftige, abgewogene Lösungen fand. Genauso von Bedeutung war, dass die Bundeskanzlerin uns alle gleich behandelte – egal ob ausländisches Staatsoberhaupt, BeraterIn, SekretärIn oder Bodyguard.“ Der Brigadegeneral ist verblüfft. „Das hat mich schwer beeindruckt und mich als Soldaten, der männliche Führung gewöhnt war, neu denken und irgendwie auch aufatmen lassen.“

Sandra Cegla und Erich Vad denken darüber nach, nach welchen Prinzipien gute Führung funktionieren kann. Und kommen zu folgenden Schlüssen. Schritt Nr. 1: Weg mit der toxischen Männlichkeit! Schritt Nr. 2: Weg mit der toxischen Weiblichkeit! „Auch das weibliche Prinzip kann toxisch sein“, stellen die beiden AutorInnen fest. Frauen, die andere Frauen als Konkurrentinnen mobben, statt sie zu fördern. Oder auch Frauen, die neben ihrer Emotionalität keine Rationalität im Portfolio haben. 

Auf die gute Mischung kommt es an. Und natürlich ist Frausein per se noch kein Garant. Stichwort: Annalena Baerbock. „Unsere Außenministerin ist bezogen auf die Ukraine knallhart unterwegs und setzt uneingeschränkt auf Hard Power“, bedauert der Brigadegeneral a. D., der als Redner beim „Aufstand für Frieden“ am Brandenburger Tor im Februar 2023 dabei war und neben notwendigen Waffenlieferungen für den Angegriffenen eindringlich für mehr Diplomatie und für Verhandlungen plädierte. 

Vad über Baerbock: „Wenn auf weibliche Emotionalität einfach männliche Härte draufgesetzt wird, wenn also zwei Extreme zusammenkommen und sich potenzieren statt ausgleichend aufeinander zu wirken, ist man auf dem Holzweg.“ 

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Sandra Cegla/Erich Vad: New Female Leadership (Amazon Publishing)

 

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