Hatespeech: Wer schützt die Frauen?
Die gute Nachricht: Justizministerin Lambrecht will eine Gesetzeslücke schließen. Künftig soll bestraft werden, wer einer Person eine Nachricht schickt und diese Person darin wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe „beschimpft“, „böswillig verächtlich macht“ oder gar „verleumdet“.
Logisch, denn der „dreckige Jude“ meint nicht nur den einzelnen Betroffenen persönlich, sondern alle Juden. Und die „schwule Sau“ nicht minder. Das ist mehr als eine Beleidigung - es ist Volksverhetzung. Die wurde bis dato nur bestraft, wenn die „Aufstachelung zum Hass gegen Teile der Bevölkerung“ öffentlich passiert. Künftig soll auch die private Hassbotschaft als „verhetzende Beleidigung" gelten und mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden.
Die Lösung, Frau Ministerin: Nehmen Sie die Kategorie Geschlecht in das Gesetz auf!
Die schlechte Nachricht: Ausgerechnet die weltweit am häufigsten beschimpfte und beleidigte Gruppe fehlt in dem Gesetzentwurf von Ministerin Lambrecht (SPD): die Frauen. Sie dürfen weiterhin z.b. als „dreckige Fotze“ verhöhnt werden. Nationalität, Rasse, Religion, Weltanschauung, Behinderung, sexuelle Orientierung – all diese Gruppen bzw. Merkmale werden im Gesetz explizit genannt. Und das Geschlecht? – Fehlanzeige.
Das ist schwer verständlich, denn die Fakten sind wohlbekannt. Erst gerade berichtete die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) über das epidemische Ausmaß der Hassbotschaften gegen Politikerinnen. „Der Hass und die Gewaltbereitschaft gegenüber Politikerinnen haben sich über die Jahre potenziert“, klagt Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU). Und nicht nur Politikerinnen sind zunehmend Ziel von Hassbotschaften, sondern alle Frauen. Die Initiative HateAid, die Opfer von Hass in Internet unterstützt, stellt fest: „Ein Drittel aller Beschimpfungen richtet sich bei Frauen gegen ihr Geschlecht. Bei den Männern war dieser Anteil verschwindend gering.“
Auch die Justizministerin weiß: „Es geht bei Frauen öfter um sexualisierte Gewalt.“ Warum zieht die Ministerin dann nicht angemessene Konsequenzen?
Richter Engelschall 1978: In 20, 30 Jahren könnte es ein Gesetz gegen Sexismus geben ...
Nicht nur Feministinnen kämpfen seit über 40 Jahren darum, dass Frauen sich als Teil einer diskriminierten Gruppe auch juristisch zur Wehr setzen können. Die sogenannte „Stern-Klage“, die Alice Schwarzer 1978 zusammen mit neun weiteren Klägerinnen exemplarisch gegen die „diskriminierenden und erniedrigenden“ Titelbilder des Stern initiierte, war der erste Versuch, die Gruppe der Frauen als juristische Kategorie fassbar zu machen. Den Initiatorinnen und ihrer Anwältin Dr. Gisela Wild war damals sehr wohl bewusst, dass sie die Klage juristisch verlieren würden, denn es gab ja keine gesetzliche Grundlage dafür. Genau das zu demonstrieren, war die Absicht.
Richter Manfred Engelschall verkündete 1978 in seiner mündlichen Begründung des Urteilspruches die Sympathie des Gerichts für die Klage. Er erklärte, in 20, 30 Jahren könnte die Entscheidung anders ausfallen. Denn bis dahin könnte es ein Gesetz gegen Sexismus geben. Seither sind 43 Jahre vergangen. Das Gesetz gibt es immer noch nicht bzw: Es soll gerade verabschiedet werden - aber ohne die Frauen.
Dabei gäbe es jetzt die einmalige Chance, in dem geplanten Gesetz gegen „verhetzende Beleidigung“ endlich auch die Kategorie Geschlecht als zu beleidigende Gruppe aufzunehmen. Denn auch Frauenhass ist selbstverständlich eine „Volksverhetzung“ (wie jüngst auch das OLG Köln in einem Urteil feststellte). Dass darüber hinaus der Hass auf Frauen fast immer Bestandteil, wenn nicht Kern rechter Gesinnung ist, hat sich inzwischen herumgesprochen und auch bei den Attentätern von Hanau und Halle wieder einmal gezeigt.
Die Lösung ist einfach, Frau Ministerin: In den Gesetzestext muss in der Reihe der Gruppenmerkmale nur die „geschlechtliche Zugehörigkeit“ aufgenommen werden. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Es bleibt also nicht mehr viel Zeit.