Helke Sander: Die Medien Versagen
Ich versuche, mich so gut es geht über das Zeitgeschehen zu informieren. Darum habe ich schon 2022 bei verschiedenen Stellen - immer vergeblich - angefragt, warum es in den öffentlich-rechtlichen Medien und im Internet praktisch keinerlei Informationen darüber gibt, was die verschiedenen ukrainischen Parteien und das ukrainische Parlament über die Maßnahmen denken, die sie nach inzwischen zwei Jahren Krieg für richtig halten. Folgen alle der Politik von Selenskyj? Und wenn, welche Parteien und welchen Einfluss haben sie?
Wir haben fünf Millionen Geflüchtete in Deutschland. Sie wollen am Leben bleiben.
Warum erfährt man zu diesem Punkt rein gar nichts? Der Eindruck verstärkt sich, dass es sich bei der Ukraine um ein Land handelt, in dem, ähnlich wie im Königreich Bhutan, alle Leute glücklich sein sollen, inzwischen 36 Millionen Ukrainer alle die gleiche Meinung haben. Man fragt sich, ob das anlässlich von zirka fünf Millionen in andere Länder Geflüchteten richtig sein kann. Offenbar wollen sie am Leben bleiben.
Waren bei Wikipedia 2022 noch alle Parteien namentlich genannt, gibt es heute nur noch die Mittteilung, dass sich die Parteienlandschaft im Wandel befände. Auch darüber, was die vielen Menschen bewegt, die in gemischt-staatlichen Familien leben (also in ukrainisch-russischen), erfährt die Öffentlichkeit gar nichts. Und keine der vielen Talk-Queens und -Kings hat in zwei Jahren Krieg diese interessanten Fragen aufgegriffen.
Mit einer Ausnahme: Vor zwei Tagen, nach zwei Jahren Krieg. Im Deutschlandfunk berichtete meines Wissens zum ersten Mal die Journalistin Sabine Adler über zerklüftete Parteien und eine gefährdete Demokratie. Da scheinen die Öffentlich-Rechtlichen doch schwer ihren Konsumentinnen und Konsumenten hinterher zu hinken.
HELKE SANDER
Die Autorin ist Filmemacherin und Erstunterzeichnerin des „Manifest für Frieden“. Die Doku „Aufräumen“ über die feministische Pionierin startet am 7. März im Kino.