Wenig Grund zum Hexen-Kult

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Die Frauenbewegung feiert ein Jubiläum: 1987 wird zum "Jahr der Hexen" erklärt, Ringvorlesungen zum Thema finden statt, "Hexennächte" werden ausgerufen, Frauenzentren in den verschiedensten Städten haben sich ganze "Hexenprogramme" ausgedacht. Der Anlass für all diese Aktivitäten ist kein Grund zum Feiern: Vor 500 Jahren, im Mai 1487, wurde der "Malleus Maleficarum", zu deutsch "Hexenhammer", in Druck gegeben. Das Werk der beiden Dominikanermönche und Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger wurde ein entscheidender Auslöser für die Hexenverfolgung, die Millionen Frauen das Leben kostete.

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Der "Hexenhammer" erlebte zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert 29 Auflagen und wurde damit zu einem der erfolgreichsten Bücher seit der Erfindung der Buchdruckerkunst. Er erschien im Dezember 1487, eingeleitet durch eine Bulle Papst Innozenz VIII. ("Summis desiderantis affectibus"), die die beiden Autoren von höchster Seite autorisierte. Der Papst erklärte, er wolle "alle und jede Hindernisse, durch welche die Verrichtung des Amts derer Inquisitoren auf irgendeine Weise verzögert werden könnte, aus dem Weg räumen".

Das war auch nötig, denn zu dieser Zeit waren Hexenverbrennungen im großen Maßstab noch durchaus nicht üblich. In Innsbruck hatte Heinrich Institoris eine ziemliche Schlappe erlitten, als er versuchte, einen Hexenprozess gegen sieben Frauen zu inszenieren. In Bozen wurde er vom Bischof aus der Stadt geworfen. Die Kölner Universität, als Hochburg der Scholastik hoch angesehen, hatte den Autoren des Hexenhammers lediglich ein sehr einschränkendes und wenig überzeugtes Gutachten ausgestellt, das außerdem nur vier Professoren überhaupt unterschrieben.

Die Jagd auf die Hexen fand nicht im düsteren Mittelalter statt.

Die Blütezeit der Hexenverfolgung war eben nicht das "düstere Mittelalter", wie uns seit dem 19. Jahrhundert gerne eingeredet wird. Im Mittelalter waren zwar Häretiker und Ketzer, auch "Zauberer'' und "Zauberinnen" verbrannt worden, die Inquisition tobte gegen Katharer, Waldenser, aufständische Bauern und Juden, doch wegen des Verbrechens der Hexerei wurden - verglichen mit den hingerichteten „Ketzern" - nur wenige Menschen verurteilt, und die waren beiderlei Geschlechts.

Dass die Hexenverfolgung zu einem Pogrom wurde, das an die vierhundert Jahre dauerte und, nach Schätzungen, an die neun Millionen Frauen das Leben kostete, ist ein Verdienst des "Hexenhammer". Auch, dass sich dieses Pogrom fastausschließlich gegen Frauen wandte.

Der Hexenhammer war auch in anderer Hinsicht innovativ: Er ist eine der ersten, wenn nicht gar die erste moderne Strafprozessordnung. Er regelte das Strafverfahren gegen Hexen von der Anklageerhebung bis zur Verurteilung und Hinrichtung - und er wurde, in ganz Europa verbreitet, besonders in Deutschland wörtlich angewandt.

Dieser Hexenhammer ist allerdings, so absonderlich das heute auch scheinen mag, keine "Ausgeburt des Aberglaubens", sondern ein immanent logisches, höchst modernes wissenschaftlichesWerk. Seiner Beweisführung, die sich auf die Autoritäten (von der Bibel bis zu den Kirchenvätern und die Scholastiker) und auf empirische Erfahrungen beruft, entging keiner, korrekter: keine. Doch wer waren nun diese Frauen, die millionenfach in ganz Europa und sogar noch in den englischen Kolonien in Amerika auf dem Scheiterhaufen brannten? Die in katholischen Ländern ebenso wie in protestantischen verfolgt, von kirchlichen, vor allem aber weltlichen Gerichten zum Tod verurteilt wurden?

Wir wissen wenig über die Frauen, die der Hexerei bezichtigt wurden.

Teile der Frauenbewegung, die sich nun seit gut zehn Jahren für das Thema Hexen interessiert, glauben die Antwort zu wissen: Es seien "weise Frauen" gewesen, Kultpriesterinneri matriarchaler Gottheiten, kräuterkundige Hebammen, Frauen, die mit magischem Wissen und übersinnlichen Fähigkeiten ausgestattet waren. Manche Vertreterinnen dieser Richtung, die sich heute voll und ganz mit den damaligen "Hexen" identifizieren, argumentieren sogar ähnlich wie Institoris/Sprenger, die Autoren des "Hexenhammer": Sie behaupten, "Hexerei" sei real, "Hexen" gäbe es wirklich. Und es gehe nun für "uns Frauen" darum, uns diese durch das Patriarchat unterdrückten "Fähigkeiten" wieder anzueignen.

Tatsache ist, dass wir über diese Frauen, die als Hexen bezichtigt und ermordet wurden, kaum etwas wissen. Zumindest nichts, was den Umfang und die Intensität der Hexenverfolgung schlüssig erklären würde. Sicher waren unter ihnen nicht wenige Hebammen, denn ihnen galt tatsächlich ein besonderes Augenmerk der Hexenjäger, aber nicht das ausschließliche. Sicher waren unter ihnen auch Frauen, die in den Hungerrevolten und Aufständen der Leibeigenen eine Rolle spielten. Vermutlich waren unter ihnen auch Angehörige kleiner exklusiver Zirkel, die vorchristliche Kulte pflegten.

Garantiert waren unter ihnen eine Menge "fahrender Frauen", die Rauschdrogen herstellten und damit handelten. Es wurden wohl auch Frauen vor Gericht gebracht, die das Vieh "besprachen" und sich einbildeten, sie könnten "Wetter machen". Es wurden aber auch geistig verwirrte Frauen verbrannt. Und gezielt wurden all die unter Anklage gestellt, die Abtreibungen vornahmen und Mittel zur Empfängnisverhütung verbreiteten. Doch, wie viele das auch immer gewesen sein mögen, neun Millionen waren es garantiert nicht.

Es ist anzunehmen, dass der größte Prozentsatz der als Hexen Ermordeten ganz normale Frauen waren. Sie wurden nicht aufgrund besonderer Fähigkeiten verfolgt, sondern ganz einfach, weil sie weiblichen Geschlechts waren. Frausein genügte.

Die Folge der Hexenjagd: zementierte Rollen für Männer und Frauen.

Als die Autoren des "Hexenhammer" im 15. Jahrhundert Frauen als die schlimmsten Feindinnen der (christlichen) Gesellschaft ausmachten, hatte sich die bürgerliche Ideologie von der fein säuberlichen Geschlechtertrennung – da der einkommen schaffende, in der Welt tätige Mann, dort die hilflose, das Haus hütende Frau - noch nicht durchgesetzt, beziehungsweise existierte eine solche Philosophie noch gar nicht.

Frauen waren in der "Welt" sehr wohl tätig, als schuftende Leibeigene und arme Bäuerinnen, als Zunftmeisterinnen und Handwerkerinnen, als Marketenderinnen und fliegende Händlerinnen. In der Literatur des Barock findet sich ein Kompendium von gar nicht hilflosen Weibern, die mit den Heeren ziehen, die Märkte organisieren und den Mannsbildern das Leben schwer machen.

Es herrschten in der beginnenden "Neuzeit" und im Barock, also in der Blütezeit der Hexenjagd, noch ziemlich lose Sitten. Auch die bürgerliche Moral von Liebe und Ehe und weiblicher Unschuld existierte damals noch nicht. Und es ist sicher mit ein "Vedienst'' der Hexenverfolgung, dass sieh am Ende des 18. Jahrhunderts diese neue Qualität im Verhältnis der Geschlechter - die strikte Trennung in öffentlichen und privaten Bereich, die Festlegung der männlichen und weiblichen Rollen, die These von der natürlichen Bestimmung der Frau - relativ widerstandslos entfalten konnte.

Alles, was direkt oder indirekt dagegen gesprochen hätte, war ausgerottet. Oder lag in Angst und Schrecken erstarrt. Nur die Damen der Hocharistokratie bewahrten – allerdings in stilisierter Form – die "losen Sitten" des Barock, und auch sie wurden nach der französischen Revolution domestiziert.

Der Hexen-
hammer besagte: Jede Frau ist eine potenzielle Hexe.

Wer waren nun in den Augen der Verfolger die Hexen? Papst Innozenz VIII. liefert in seiner Bulle "Summis desiderantes affectibus", die den "Hexenhammer" legalisierte und autorisierte, eine umfängliche Definition: Er wirft den Hexen vor, dass sie: " Ihrer eigenen Seligkeit vergessend, und von dem katholischen Glauben abfallend, mit denen Teufeln, die sich als Männer oder Weiber mit ihnen vermischen, Missbrauch machen, und mit ihren Bezauberungen, Liedern und Beschwehrungen und anderen abscheulichen Aberglauben und zauberischen Übertretungen, Lastern und Verbrechen, die Geburten der Weiber, die Jungen der Thiere, die Früchten der Erde verderben, ersticken und umkommen machen und verursachen, und selbst die Menschen, die Weiber, allerhand groß und klein Vieh (…) mit grausamen, sowohl innerlichen als auch äußerlichen Schmerzen und Plagen belegen und peinigen, und eben dieselbe Menschen, dass sie nicht zeugen, und die Frauen, dass sie nicht empfangen, und die Männer, dass sie denen Weibern, und die Weiber, dass sie denen Männern, die ehelichen Werke nicht leisten können, verhindern. Über dieses den Glauben selbst (…)mit Eydbrüchigem Munde verläugnen. Und andere überaus viele Leichtfertigkeiten, Sünden und Lastern, durch Anstiftung des Feindes des menschlichen Geschlechts zu begehen, sich nicht fürchten, zu der Gefahr ihrer Seelen, der Beleidigung göttlicher Majestät, und sehr vieler schädlicher Exempel und Ärgerniß. "

Heute würde man diese Definition als "Gummiparagraphen" bezeichnen: Es fällt einfach alles darunter. Damit handelte der Papst ganz im Sinne der Autoren des "Hexenhammer". Sprenger und Institoris waren noch vorsichtiger. Sie lieferten überhaupt keine Definition von Hexerei: Die ersten beiden Teile des Hexenhammer handeln ausschließlich von den unterschiedlichsten Verbrechen der Hexen, davon, wie man sie erkennen und ihnen begegnen kann. Danach ist jede Frau eine potentielle Hexe, alles, auch der absurdeste Verdacht, kann zur Anklage führen.

Besondere Aufmerksamkeit widmen sie, wie auch der Papst, den "Verbrechen", die gegen den Mann oder auf die Selbstbestimmung von Frauen zielen: Das "Anhexen" von Impotenz, sexuelle Verweigerung, Empfängnisverhütung und Abtreibung.

Aber auch der Schadenszauber spielt eine große Rolle: Kein Wunder, denn dieser Vorwurf brachte reichen Ertrag an Denunziationen. Der ländlichen Bevölkerung konnte so eingeredet werden, dass alle klimatisch bedingten Katastrophen, aber auch alle Übel, die in Wirklichkeit Folge der Auspressung durch die kirchlichen und weltlichen Herren waren, von Hexen verursacht wären.

Es kamen aber auch Frauen vor Gericht, auf die keiner dieser Vorwürfe zutraf. Es reichte, zu behaupten, eine Frau sei nachts als Katze durchs Dorf geschlichen, sie habe Verkehr mit Dämonen oder sie sei mit dem Besen ausgeritten, um sie den Folterknechten auszuliefern. Und die Motive für die Anzeigen waren sicher mannigfaltig: Eifersucht, gekränkte männliche Eitelkeit und Autorität, Nachbarschaftsfehden, Neid, Aberglaube, etc. etc.

Und selbst wenn ein Teil der Bevölkerung sich tatsächlich aus "dumpfem Wahn" an der Hexenverfolgung beteiligte – auf die Initiatoren der Verfolgung und ihre Nachfolger trifft das ganz und gar nicht zu. Institoris und Sprenger, und schon gar die Hexenjäger des 17. und 18. Jahrhunderts, waren Männer der "Neuzeit", ehrenhafte Männer, nicht selten reputierte Wissenschaftler.

Die Gewalt gegen Frauen wurde mit Vernunft begründet.

Als die Scheiterhaufen in ganz Europa brannten, sammelte sich der Kapitalismus zu seinem Siegeszug, das galiläische Weltbild hatte sich durchgesetzt, Descartes erklärte "Cogito ergo sum" (ich denke, also bin ich). Die Geldwirtschaft hatte die Naturalienwirtschaft abgelöst, die modernen Heere schössen längst mit Schwarzpulver aufeinander, in den ersten Kaffeehäusern lagen die ersten - gedruckten - Gazetten aus. Elf Jahre bevor in Deutschland die letzte Hexe verbrannt wurde (1775), hatte Immanuel Kant seine "Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen" veröffentlicht (1764).

Die mörderische Gewalt gegen das Geschlecht der Frauen wurde durchaus "vernünftig" begründet. Die Autoren des "Hexenhammer" unterscheiden sich von ihren Vorgängern durch eine gerade zu moderne, "korrekte" wissenschaftliche Vorgehensweise: Sie behaupten nichts, ohne auch die Gegenargumente anzugeben. Zu jedem einzelnen Punkt ihrer Argumentation erläutern sie ausführlich, wer was bereits dagegen vorgebracht hat - um den Gegner dann zu widerlegen: Mithilfe der Autoritäten und empirischer Erfahrungen.

Im ersten Teil ihres – in drei Teile gegliederten – Werkes entkräften sie alle Einwände, die gegen die reale Existenz von Hexerei und dadurch auch gegen deren Verfolgung sprechen.

Ein Beispiel: Die Nachtfahrten, die "Ausritte" der Hexen. Der Canon Episcopi, eine Anleitung für Bischöfe aus dem Jahr 906, hatte noch erklärt: Frauen, die meinen, sie ritten mit der Diana oder Herodias aus, bilden sich das nur ein. Der Streit darüber, ob diese Hexenfahrten nun Phantasiegebilde oder Realität seien, schwelte bis ins 15. Jahrhundert, also die Zeit, in der Institoris und Sprenger den "Hexenhammer" schrieben. Sie kennen alle Pros und Contras dieser Debatte und führen sie auch korrekt an. Ergänzt durch die eigene praktische Erfahrung: "Geständnisse", in denen Frauen (unter der Folter) ausgesagt hatten, sie seien auf dem Besen durch die Lüfte geritten. Um so letztlich ihre eigene These, die Nachtfahrten seien real, zu belegen.

Als höchste Autorität für diese Behauptung zitieren sie Thomas von Aquin, der eindeutig gegen den Canon Episcopi Stellung genommen hatte. Thomas erklärte, Engel, Dämonen und Zauberei existieren wirklich, so wie die Incubi und die Succubi, die dann auch bei Sprenger und Institoris wieder eine wichtige Rolle spielen. (Die Incubi sind Dämonen, die sich auf die Frauen legen, die Succubi legen sich den Männern unter.)

Diese "Beweisführung" der "Hexenhammer"-Autoren ist nicht so komisch und absurd, wie sie heute erscheint. Sie diente einem höchst rationellen Ziel: Indem sie Zauberei und den Umgang mit Dämonen für real erklärt, wird aus einer (wenn auch blasphemischen) Einbildung ein reales Verbrechen.

Der Ablauf der Prozesse wurde in dem Werk minutiös geregelt.

Das ist die nötige Vorbedingung für den dritten Teil des "Hexenhammer", der die juristische Verfolgung der Hexen legitimiert und institutionalisiert. Hexerei wird darin zu einem "Sonderverbrechen" erklärt, woraus sich ergibt, "dass die Hexen die schwersten Strafen verdienen, über alle Verbrecher der Welt". Der Titel des dritten Teils lautet denn auch: "Über die Arten der Ausrottung oder wenigstens Bestrafung durch die gebührende Gerechtigkeit vor dem geistlichen oder weltlichen Gericht."

Dieser dritte und entscheidende Teil des ,,Hexenhammer'' ist mit die erste moderne Strafprozessordnung in deutschen Landen. Von der Eröffnung des Verfahrens über die Befragung der Angeklagten, die Regie der Folter bis zum Modus der Verurteilung und anschließenden Hinrichtung wird darin alles minutiös geregelt.

Diese Modernisierung des  Verfahrens war historisch nötig geworden. Im Gegensatz zu den Ketzerprozessen, die noch vorwiegend von der kirchlichen Inquisition geführt wurden, lag der größte Teil der Hexenprozesse in den Händen weltlicher (katholischer wie protestantischer) Richter und Schöffen. Und diese Vertreter der weltlichen Herrschaft, die Ausführende waren und formal an höherer Stelle Rechenschaft für ihre Ergebnisse ablegen mussten, brauchten klare Anweisungen, eine bürokratisierte, formalisierte Verfahrensordnung.

Das Hexenverfahren, wie es im "Hexenhammer" festgelegt ist, und wie es daraufhin in ganz Deutschland praktiziert wurde, beginnt mit dem Aufruf zur Denunziation. Es wurden Aufrufe verfasst. die die Bürger ermahnten, alle ihnen bekannt gewordenen oder von ihnen vermuteten Fälle von Hexerei anzuzeigen. Der Denunziant blieb anonym, er musste im Prozess nicht auftreten.

Der Anklageerhebung folgt die Regelung der Befragung. Die Fragen (über die Arten des Zaubers, die Tötung der Kindsgeburt, die Behexung des männlichen Gliedes, den Geschlechtsverkehr mit den Dämonen etc.) sind bereits vorformuliert.

Durch die Folter kamen lange Listen mit Verdächtigen zustande.

Die Angeklagte muss sich gar keine Selbstbezichtigung ausdenken, sie muss nur mit Ja antworten. Es ist dennoch anzunehmen, dass Frauen auch selbst Anschuldi gungen formuliert haben: "Geständnisse" wurden öffentlich verlesen und als Flugblätter gedruckt. Jede und jeder wusste, was den Hexen vorgeworfen wurde. Und so hat wohl manche, um endlich aus der Folter entlassen zu werden, noch einiges hinzuphantasiert, um den Befrager zufriedenzustellen.

Was wir heute über "Hexerei" wissen, basiert zum allergrößten Teil auf diesen „Geständnissen", die ein klares Bild von der Weltsicht, dem Frauenhass und den sexuellen Phantasien der Verfolger zeichnen, aber nichts über eventuelle reale "hexische" Handlungen der Angeklagten aussagen.

Die nächste Aufgabe bestand darin, aus der Gefolterten weitere Denunziationen herauszupressen. Es ist belegt, dass viele Frauen auch unter der schärfsten Folter schwiegen, dass andere nur die Namen von bereits Ermordeten angaben. Aber es kamen unter den bestialischen Qualen der "peinlichen Befragung" auch lange Listen mit neuen Verdächtigen zustande.

Die Hexenjäger ihrerseits standen unter Erfolgszwang. Zum einen war jedes eingestellte Verfahren ein Zugeständnis der eigenen Fehlbarkeit. Zum anderen und vor allem aber: Das Gehalt der Richter und Inquisitoren wurde nach der Kopfzahl der Verurteilten festgesetzt!

Und so galt alles als Beweis für Hexerei: Ein Geständnis ohnehin. Kein Geständnis war ein Zeichen für eine besonders intensive Beziehung zum Dämon. Ohnmächten bedeuten: die Angeklagte schlafe unter dem Schutz des Teufels. Vergewaltigungen durch die Folterknechte wurden als "Notzüchtigung durch die Dämonen" ausgegeben, denen es gelungen sei, nachts in die Zelle einzudringen.

Starb die Angeklagte, unter der Folter, hatte sie der Teufel vorzeitig zu sich geholt. Die wenigen Frauen, die dennoch freigesprochen werden mussten, standen unter der "Urfehde", das heißt, sie durften mit keinem Wort über das Verfahren und die Folter berichten.

Die Ausrottung der Hexen sollte lückenlos sein.

Die Verurteilten wurden hingerichtet, meist verbrannt. Sprenger und Institoris bestanden darauf, auch "Reumütige" hinzurichten, auch Frauen, die sich, „vom Teufel und ihren Schandtaten losgesagt" hatten. Die Ausrottung musste lückenlos sein, für das "Sonderverbrechen" sollte es keine Gnade geben. Die Herren waren erfolgreich. Die Scheiterhaufen loderten durch das Zeitalter der "aufblühenden Vernunft".

In Deutschland brannten sie besonders häufig und besonders lange. In Holland wurde die letzte Hexe 1610 hingerichtet - in Deutschland starb erst 1775 die letzte Hexe, Anna Schweglin aus Kempen, im Feuer. Übertroffen wurde der Eifer der deutschen Herren nur durch die Schweiz, wo 1782, und von Polen, wo gar erst 1793 der letzte Hexenmord vollzogen wurde.

Die Saat der beiden Dominikanermönche und Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger war aufgegangen. Das Pogrom, das sie durch ihren "Hexenhammer" vor 500 Jahren mit inszenierten und institutionalisierten, war erfolgreich. Dieses 500-Jahr-Jubiläum ist also überhaupt kein Grund, zu feiern. Kein Grund, sich emphatisch mit "Hexen" zu identifizieren. Aber vielleicht ein Anlass, die genaue historische Forschung über die Hexenverfolgung wieder aufzunehmen, beziehungsweise ernsthaft zu führen. Die Frage stellt sich, ob die Frauen des 20. Jahrhunderts dann immer noch Lust haben, die „neuen Hexen" zu sein.

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Walpurgisnacht: Die Hexen sind los!

1977 in München: "Frauen erobern die Nacht zurück!" - © Angela Neuke/ Rheinisches Landesmuseum
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Ende der 1970er und in den 1980er Jahren demonstrierten an diesem Abend Frauen in ganz Deutschland mit weiß bemalten Gesichtern, Fackeln und Kerzen (wie hier in München) gegen "die Ausgangssperre für Frauen bei Dunkelheit". Von Susan Brownmiller war gerade "Gegen unseren Willen" erschienen, Vergewaltigung endlich keine Schande für die Opfer mehr, sondern ein öffentlicher Skandal.

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Doch die Frauen protestierten nicht nur, sie feierten auch: Frauenfeste in der Walpurgisnacht allerorten unter dem provokanten Motto "Hexentanz". So wie die Schwarzen in ihrem Kampf um Menschenrechte erklärt hatten: "Black is beautiful", so sagten die Feministinnen jetzt stolz: "Ja, wir sind Hexen!" Sie beriefen sich dabei auf die Tradition der "Hagazussa", der Heilerinnen und Magierinnen am Rand der Gesellschaft, zwischen den Welten.

Denn das war die erste Beschimpfung, die den neuen Frauenrechtlerinnen entgegenschlug: Alles Hexen! Oder Lesben. Oder beides. Was nicht neu war, schon im Mittelalter hatte man unbequeme Frauen abserviert, indem man sie schlicht zu "Hexen" erklärte.

Quasi jede Frau konnte als "Hexe" denunziert werden und ihre Verurteilung war kein Problem: Eine "Hexe" wurde verbrannt oder auch gefesselt ins Wasser geworfen: Ging sie unter, war das die gerechte Strafe - überlebte sie, war es "Hexerei".

Die heutigen "Hexenfeste" berufen sich auf die Walpurgisnacht auf dem Blocksberg, auf dem sich der Legende nach die Hexen trafen und mit dem Teufel tanzten. EMMA berichtete seit 1977 vielfach sowohl über die historische Hexenverfolgung als auch über die "neuen Hexen" und ihren Protest.

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