Homo-Ehe: Die Debatte tobt!
Volker Kauder kann einem fast ein bisschen leid tun. Denn es scheint so, als ob der Unions-Fraktionsvorsitzende knapp zwei Wochen nach dem sensationellen Irland-Referendum mit seiner Haltung zur Homo-Ehe allein auf weiter Flur steht. „Die sogenannte Homo-Ehe lehne ich ab“, hatte Kauder gesagt. Denn: „Für mich ist die Ehe im Sinne des Grundgesetzes die Verbindung zwischen Mann und Frau.“
Dass die deutsche Bevölkerung das anders sieht, ist bekannt: 77 Prozent sind laut der jüngsten repräsentativen Umfrage von YouGov für die Öffnung der Ehe für Frauen- und Männerpaare. Und sogar bei den Union-WählerInnen herrschen irische Verhältnisse: Zwei Drittel von ihnen würden ihr Kreuzchen bei einem Referendum für die Homo-Ehe bei Ja machen.
Sogar bei Union-WählerInnen herrschen irische Verhältnisse.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber rief zwar nicht zur Volksabstimmung, aber er fragte seine „Freunde“ auf Facebook: „Mich interessiert eure Meinung zur ‚Ehe für alle‘“. Nur 24 Stunden später hatte er die Antwort: 10.000 Menschen „gefällt“ die Ehe für alle. Genau wie Kauders ParteikollegInnen Julia Klöckner oder der offen homosexuelle Jens Spahn, beide Mitglieder des CDU-Präsidiums. Spahn vergleicht das Irland-Referendum gar mit Fukushima: „Was in Irland passiert ist, hat der Diskussion in Deutschland einen ganz neuen Schub gegeben, so, wie damals Fukushima die Energiedebatte fokussiert hat.“
Natürlich hinkt der Vergleich ein wenig. Erstens war Fukushima eine Katastrophe, was vom irischen Referendum niemand behaupten dürfte - mit Ausnahme des Vatikans, der das klare Votum des stockkatholischen irischen Volkes als „Niederlage für die Menschheit“ bezeichnete. Außerdem hatte die Kanzlerin nach Fukushima innerhalb weniger Tage den Atomausstieg verkündet, wohingegen sie sich nach dem Referendum weiter in Schweigen hüllt.
Dafür sprechen in der tatsächlich sehr schwungvollen Diskussion jetzt andere. Zum Beispiel die beiden Stellvertreter des Fraktionsvorsitzenden Kauder, Thomas Strobl und Nadine Schön. Letztere ist Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) und möchte die Diskussion um die Öffnung der Ehe „auf dem nächsten Parteitag vom Grunde auf führen“.
Überhaupt, die Katholiken. Auch Alois Glück, ZdK-Präsident und einst hochrangiger CSU-Politiker, befand, dass „auch in Lebenspartnerschaften Werte wie in einer Ehe verwirklicht werden“. Weshalb das ZdK kürzlich die „vorbehaltlose Akzeptanz“ gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und folgerichtig „liturgische Formen der Segnung“ für Homo-Paare gefordert hatte.
Die Deutsche Bischofskonferenz fremdelt zwar noch mit dem Segen für die Homo-Ehe, ganz wie der vorgesetzte Vatikan, hat dafür aber soeben das kirchliche Arbeitsrecht reformiert: Konnte bis dato zum Beispiel einer Erzieherin in einem katholischen Kindergarten automatisch gekündigt werden, sobald sie eine Eingetragene Lebenspartnerschaft einging, sollen Entlassungen wg. Homo-Ehe jetzt nur noch „in Ausnahmefällen“ möglich sein. Das mag immer noch nicht die Ideallösung sein – aber für die deutschen Bischöfe und Tausende homosexuelle Kirchen-Angestellte ist das ein geradezu revolutionärer Schritt.
Ausgerechnet die SPD stimmt nicht dafür, aus ganz speziellen Gründen.
Und auch aus der CDU-Schwesternpartei kommen nie gehörte Töne: „Wenn Menschen verantwortungsvoll miteinander umgehen und eine Partnerschaft auf Lebenszeit eingehen wollen, dann müssen wir das natürlich unterstützen“, erklärte Gudrun Zollner, die für die CSU im Familienausschuss des Bundestags sitzt. Zollner fordert: „Der Begriff der Ehe muss in unserer Fraktion diskutiert werden.“
Die SPD muss angeblich nicht mehr darüber diskutieren: Dass man für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle ist, ist klar. Dass man trotzdem nicht dafür stimmt, auch. Mit dem Koalitionspartner sei das „nicht zu machen“, bedauerte Justizminister Maas (SPD).
Die interessante Situation ist also die: Selten dürfte es für ein Projekt im Bundestag so viel Zustimmung gegeben haben – SPD, Grüne, Linke sind dafür und hätten allein schon eine Mehrheit, Teile der CDU/CSU sind auch für die Öffnung der Ehe für Frauen- und Männerpaare. Dennoch wird es bis auf weiteres beim Status Quo bleiben. Da wird auch die Bundesratsinitiative nichts nützen, die die Grünen gerade angekündigt haben. Selbst wenn sich genügend Bundesländer finden, die einen Gesetzentwurf für die „Ehe für alle“ einbringen – was durchaus denkbar ist – würde das den Bundestag lediglich dazu zwingen, sich mit diesem Entwurf „zu befassen“. Und dann: Siehe oben!
Es dauert offenbar noch ein bisschen, bis auch Deutschland den Schritt geht, den Skandinavien, Island, Holland, Frankreich, Spanien, Portugal, Großbritannien und jetzt Irland schon gegangen sind (ohne dass dort das Abendland untergegangen wäre). Aber vielleicht dämmert der Kanzlerin ja noch vor den nächsten Wahlen 2017, welches WählerInnenpotenzial hier schlummert – oder sich womöglich verweigern könnte.
„Unsere Mitglieder und Wähler erleben heute ganz selbstverständlich, dass ihre Söhne, Töchter, Nichten, Neffen, Enkel und Nachbarn ihr Leben als Homosexuelle sichtbar und unaufgeregt leben“, sagt Jens Spahn. „Wenn wir diese Debatte mit mangelnder Aufrichtigkeit und verletzend führen, dann stoßen wir nicht nur Schwule und Lesben vor den Kopf, sondern auch ihre Familien und Freunde. Viele unterschätzen die Breitenwirkung. Das sind nicht nur ein paar Prozent. Es geht um die Anschlussfähigkeit der CDU an eine moderne bürgerliche Gesellschaft.“
Sicher, die Kanzlerin möchte auch den rechten Rand ihrer Partei nicht vor den Kopf stoßen oder gar in die Arme der bekannt homophoben AfD treiben. Aber sie ist auch nicht bekannt dafür, Mehrheiten zu unterschätzen. Und nur mit Volker Kauder gewinnt man keine Wahlen.
Chantal Louis