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Ask Alice: Homophobie - wie dagegen angehen?

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Lieber Christian,

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du bist sehr bewusst und stark in deinen Argumenten gegen Voreingenommenheit und Diskriminierung. Darum meine ich, gerade du solltest dich nicht verweigern! Du solltest die Übung doch machen - oder aber auf jeden Fall zur nächsten Sitzung gehen.

Du bist 30 Jahre alt, also 1984 geboren. Nur elf Jahre vorher ist der §175 gestrichen worden, der männliche Homosexualität mit Gefängnis bestrafte. (Die weibliche wurde so ignoriert, dass man sie noch nicht einmal einer Strafe für würdig hielt.) Und bis heute gibt es viele Länder auf der Welt, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht. Das sind vor allem die Länder, die von fanatischen Islamisten beherrscht werden, aber nicht nur.

Die Menschen, für die es selbstverständlich war, dass Homosexualität auch in Deutschland ein Verbrechen war, leben noch. Sie sind heute erst 60, 70, 80 Jahre alt. Und sie haben mit ihren Ansichten ihre Kinder und Kindeskinder geprägt.

Was ich sagen will, ist: Die Freiheit des sexuellen Begehrens und die Erkenntnis, dass die Sexualität eines Menschen nur ein Faktor von vielen ist, der ihn definiert, sind relativ neu. Und hart erkämpft von der Frauenbewegung und der Homosexuellenbewegung. Dir scheint es verständlicherweise lang, aber in der Entwicklung der Menschheit ist es ein Wimpernschlag. Wir dürfen also nicht erstaunt sein, dass die alten Voreingenommenheiten und Klischees noch lebendig sind.

Du, Christian, hast offensichtlich das Privileg, ungebrochen und selbstbewusst homosexuell sein zu können. Nutze es!

Rede mit den anderen! Versuche, sie zu überzeugen! Und wenn das wirklich vergeblich ist oder die/der andere echt diskriminierend ist, sei gewiss: DU bist im Recht.

Ich wünsche dir Kraft!

Herzlich
Alice Schwarzer

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