Brustkrebs durch Hormone

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Hormontherapien stehen schon länger im Verdacht, das Risiko für Brustkrebs zu erhöhen. Das scheint eine Studie mit den Daten von 500.000 Frauen zu belegen. Es geht um die Gesundheit von Millionen Frauen. Und um viel Geld. Hormone werden gehypt oder dämonisiert. Je nachdem, welche Interessen dahinterstecken. Und immer ist es das gleiche Spiel: Sobald eine neue Studie erscheint, die vor Risiken der Hormoneinnahme in den Wechseljahren warnt, wiegelt der Berufsverband der Frauenärzte ab: Alles halb so wild.

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Nun ist in "The Lancet", dem weltweit führenden Journal für MedizinerInnen, eine Metastudie erschienen, die nicht mal eben so ad acta gelegt werden kann. Vor allem, weil zwei Weltspitze-ExpertInnen für Brustkrebs daran gearbeitet haben: Valerie Beral und Richard Peto. Keine andere Studie zuvor lieferte bisher so viele neue Erkenntnisse über die Langzeitfolgen bei Hormonbehandlungen. Das Team hatte 58 Studien mit Daten von 500.000 Frauen ausgewertet. 100.000 von ihnen waren an Brustkrebs erkrankt, die meisten um das 65. Lebensjahr. Ergebnis: Nahezu jede Form von Hormonbehandlung hatte das Brustkrebsrisiko erhöht. Je nach Präparat und Einnahmedauer fällt das Risiko verschieden aus: Nach einem Jahr geringer, nach fünf Jahren deutlicher, nach zehn Jahren verdoppelt sich das Risiko. Und zwanzig Jahre nach Abschluss der Behandlung gibt es Hinweise auf vermehrte Mammakarzinome. Außerdem spielt es eine Rolle, ob Frauen Kombipräparate mit Östrogen und Gestagen verordnet bekommen oder Östrogen allein. Kombipillen erhöhen das Risiko um sehr viel mehr.

Jede Form von Behandlung erhöht das Risiko.

Und wieder versucht der Berufsverband der Frauenärzte die Ergebnisse herunter zu spielen. Die Lancet-Studie enthalte „nichts Neues und ist inhaltlich problematisch“, so der Präsident des Verbandes, Christian Albring. Tatsächlich haben weder der Berufsverband noch andere Hormon-BefürworterInnen bisher auch nur eine ernst zu nehmende Studie vorgelegt, die ihre Ansichten belegt. Hormontherapien bringen Geld. Sowohl die Therapie selbst wie auch die damit einhergehenden Krebsvorsorge-Untersuchungen. Das freut sowohl die Pharmaindustrie wie auch die FrauenärztInnen. In Europa und Nordamerika nehmen etwa zwölf Millionen Frauen Hormonpräparate. Da kommt was zusammen. Und natürlich spüren die Frauen auch den gesellschaftlichen Druck „zu funktionieren“ und zwar möglichst gutgelaunt.

In der Tat ist der Leidensdruck in den Wechseljahren (Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Zwischenblutungen, Inkontinenz) für manche Frauen so lebensbeeinträchtigend, dass sie Hilfe benötigen. Was also tun?

Hormone sollte man nur im Notfall nehmen.

Unabhängige Fachärztinnen raten dazu, Hormone nur im Notfall zu nehmen, wenn die Lebensqualität stark eingeschränkt ist. Zunächst sollte anderen Möglichkeiten ausgelotet werden. Dazu gehören eine gesunde Ernährung, Sport, Verzicht auf Zigaretten und Alkohol. Aber auch der Abbau von Stress, das Pflegen von Freundschaften, ein gutes soziales Miteinander. Wenn das alles nicht helfe und keine Kontra-Indikationen (wie ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs, Thrombose oder Herzinfarkt) vorlägen, sei eine Hormontherapie vertretbar, die nicht länger als fünf Jahre dauert. Wer sie nur für höchstens ein Jahr nimmt, scheint auch den neuen Daten nach auf der sicheren Seite. Ab 60 allerdings stiegen die Risiken für Infarkte, Schlaganfälle, Thrombose, Demenz und Krebs dramatisch, so dass dann unbedingt mit der Einnahme Schluss sein müsse.

Mehr dazu: www.ndr.de/fernsehen/sendungen/die_reportage/index.html

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Hoffnung für Brustkrebs-Kranke!

Prof. Dr. Emiel Rutgers vom Netherlands Cancer Institute in Amsterdam
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Als er in den 1980ern mit der Brustkrebs-Chirurgie begann, galt die Amputation noch als Therapie der Wahl. Schon damals kämpfte Emiel Rutgers – gegen den Widerstand vieler Kollegen – für sanftere Behandlungsmethoden. Heute kann bei zwei Drittel der Krebspatientinnen die Brust erhalten werden. Doch immer noch würden Patientinnen massiv überbehandelt, klagt der Professor für chirurgische Onkologie an der Universität Amsterdam. Chemotherapie, Bestrahlung, Operation – oft sei das gar nicht nötig. Im Gespräch mit EMMA erklärt der Pionier der behutsamen Brustkrebs-Behandlung, warum wir es gerade mit einer Revolution zu tun haben. Eigentlich sogar mit zwei Revolutionen.

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Sie sprechen von einer „Revolution“ in der Brustkrebs-Therapie.
Ja, denn die Chancen, dass wir Frauen mit Brustkrebs heilen können, sind enorm gestiegen. Und damit ihre Lebenserwartung. Der Hauptgrund dafür ist, dass Brustkrebs heute viel früher diagnostiziert wird, aber natürlich auch, dass sich unsere Behandlungsmethoden verbessert haben. Das sind sehr gute Nachrichten!

Gibt es auch schlechte?
Die Fortschritte haben ihren Preis. Denn damit verbunden ist mehr Behandlung: mehr Bestrahlungen, mehr Chemotherapie, mehr Hormontherapie. Das Problem ist, dass keineswegs jede Patientin diese Behandlungen braucht. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Eine 64-jährige Frau hat Brustkrebs im Frühstadium. Der 1,5 Zentimeter große Tumor wird operativ entfernt. Der zentrale Lymphknoten ist nicht befallen. Jetzt wird standardmäßig die Brust bestrahlt. Aber das Risiko, dass der Krebs auch ohne Bestrahlung innerhalb von 20 Jahren zurückkommt, liegt bei nur 15 Prozent. Das bedeutet: Bei 85 Prozent der ­Patientinnen ist die Bestrahlung überflüssig.

Gilt das auch für andere Therapien?
Ja, Ähnliches gilt auch für die Chemo­therapie oder die operative Entfernung der Lymphknoten in den Achseln. In der Krebstherapie und auch in der Brustkrebstherapie wird nach dem Grundsatz gearbeitet: Nichts ist einfacher, als immer noch mehr zu machen! Denn: Die Patientinnen wollen das; die Ärzte wollen das; die Krankenhäuser wollen das. Und nichts ist schwieriger, als weniger zu machen. Denn die Patientinnen wollen das nicht; Die Ärzte wollen es nicht; und die Krankenhäuser wollen es auch nicht.

Und was wollen Sie?
Ich möchte so wenig wie möglich machen, aber natürlich so viel wie nötig. Wir müssen nach Wegen suchen, auf diese Rundum-Therapien zu verzichten. Und wir haben dafür immer mehr Instrumente. Vor 25 Jahren war die Standardbehandlung bei Brustkrebs die Mastektomie, also die komplette Entfernung der Brust. Heute können wir in zwei Drittel der Fälle die Brust erhalten. ­Dagegen haben sich, übrigens gerade in Deutschland, die Chirurgen lange Zeit ­heftig gewehrt. Oder nehmen wir die Lymphknoten: Früher hat man bei fast allen Patientinnen alle Lymphknoten in der Achselhöhle regelmäßig entfernt, obwohl man gar nicht wusste, ob sie überhaupt befallen sind. Dabei wissen wir: Wenn die so ­genannten Wächter-Lymphknoten – also die, die dem befallenen Gewebe am nächsten sind – nicht befallen sind, sind weitere Lymphknoten höchstwahrscheinlich ebenfalls metastasenfrei. Heute ist die Lymphknoten-Biopsie, bei der die Lymphknoten auf Krebsbefall untersucht werden, Standard. Aber bis es soweit war, hat es über zehn Jahre gedauert. Das ist verrückt. Aber auch hier waren die Chirurgen sehr widerwillig.

Und wenn der Wächter-Lymphknoten ­befallen ist?
Nehmen wir an, der Lymphknoten wird entfernt und der Pathologe sagt: Ja, da sind Metastasen. Was tun wir dann mit den anderen 20 bis 30 Lymphknoten in der Achsel? Die Richtlinien besagen, dass wir sie alle entfernen müssen. Doch selbst wenn ein Teil der Knoten Metastasen hat, ist eine Operation nicht zwingend notwendig. Eine Studie hat untersucht, bei wie vielen Patientinnen, die nur mit Bestrahlung behandelt wurden, die Lymphknoten nach fünf Jahren noch befallen ­waren. Es waren unter ein Prozent. 99 Prozent der Frauen werden also auch hier massiv überbehandelt.

Dank des Mammografie-Screenings wird Brustkrebs heute in viel früheren Stadien entdeckt. Dennoch gibt es in Deutschland Kritik an der Reihenuntersuchung: Die sehr kleinen und manchmal harmlosen Tumore würden zu stark und manchmal überflüssigerweise behandelt.
In einer Gesellschaft, in der jede achte Frau im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkrankt, muss das Screening ein Teil des Bekämpfungs-Konzeptes sein. Aber wir sollten das Screening modernisieren und stärker auf die einzelne Frau abstimmen. Wir können inzwischen Frauen mit nie­drigem Risiko und solche mit hohem ­Risiko identifizieren. Ich schätze, dass wir in fünf Jahren so weit sind, einer Frau zu sagen: „Sie haben ein geringes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Es reicht, wenn Sie alle drei Jahre zur Mammografie kommen.“ Eine Frau mit erhöhtem Risiko sollte hingegen jedes Jahr eine Mammografie machen lassen.

Wie können Sie dieses hohe oder niedrige Risiko ermitteln?
Da gibt es zwei wichtige Faktoren: die Lebensweise und die Genetik. Wir wissen zum Beispiel, dass frühe Schwangerschaften und Stillen Faktoren sind, die vor Brustkrebs schützen. Alkohol und Rauchen erhöhen das Risiko. Mit der genetischen Disposition ist es komplizierter, denn da kommen ethische Fragen ins Spiel. Mit einer Untersuchung der Gene können wir Brustkrebs-Risiken feststellen, die zudem womöglich auch noch andere Familienmitglieder betreffen. Aber eine solche Untersuchung können wir natürlich nicht als Reihenuntersuchung durchführen. Deshalb wird das genetische Risiko einer Frau zur Zeit noch ermittelt, indem man die Familiengeschichte abfragt. Wir sollten also einerseits das Screening stärker personalisieren – und auf der anderen Seite genauer schauen, wie wir, wenn dabei etwas entdeckt wird, die Über­behandlung der Frauen vermeiden.

Was genau tun Sie gegen diese Überbehandlung?
Wir führen zum Beispiel in Holland gerade eine Studie mit Frauen durch, bei denen beim Screening Brustkrebs in einem sehr frühen Stadium entdeckt wurde, so genannte „duktale Carcinoma in situ“, kurz: DCIS. Das sind Krebszellen, die in den Milchgängen sitzen, die aber das umliegende Gewebe noch nicht erfasst haben. Eine Form der DCIS, die so genannte Stufe 1, hat in diesem Stadium sehr träge Krebszellen. Die tun gar nichts. Und wenn sie tatsächlich wachsen und zu Krebs werden, ist dieser Krebs ebenfalls sehr träge und sehr gut heilbar. Etwa jede fünfte Frau, bei der beim Screening Krebs dia­gnostiziert wird, habt diese DCIS-Zellen. Von denen wiederum sind ein Viertel im Frühstadium. Wir testen nun verschiedene Optionen: Die eine Gruppe beobachten wir nur, die andere bekommt die Standard-Behandlung: OP und anschließende Bestrahlung. Wenn sich herausstellt, dass es nur minimale Unterschiede gibt, dann ist das auch ein Weg, künftig Überbehandlung zu verhindern.

Ist es für die Patientinnen nicht sehr belastend, wenn Sie Ihnen sagen: Sie haben da eine Vorstufe von Krebs, aber wir warten einfach mal ab?
Zunächst mal haben wir ja mit Biopsien abgeklärt, um was für eine Art Krebszellen es sich handelt. Und Pathologen sind sehr gut darin zu erkennen, ob es sehr träge oder aggressivere Zellen sind. Wenn dann klar ist, dass es um träge DCIS-Zellen geht, sage ich der Patientin manchmal: „Ich wünschte, wir hätten das nicht gefunden.“ Weil sich aus diesem Fund vielleicht nie etwas entwickelt hätte. Und, ja: Es ist natürlich viel einfacher, einer Patientin zu sagen: „Unsere Richtlinien sehen vor, dass Sie diese und jene Behandlung bekommen.“ So eine Konsultation dauert fünf Minuten. Die Konsultation, in der ich mit der Patientin die verschiedenen Optionen bespreche, dauert aber eine halbe Stunde. Die allerdings ist sehr gut investiert.

Und wie könnte man Überbehandlung bei aggressiveren Formen von Brustkrebs verhindern?
Wir haben in den letzten zehn Jahren eine sehr große europäische Studie an 6.800 Frauen durchgeführt, die MINDACT-Studie. Dabei ging es uns darum herauszufinden, ob wir Frauen eine Chemotherapie ersparen können, indem wir das Verhalten des Tumors durch einen Gentest herausfinden. Wir haben den entfernten Tumor sowohl mit den klassischen Methoden untersucht, aber auch mit einem Test, der die DNA im Zellkern des Tumors analysiert. Die Frage war nun: Gibt es Patientinnen, denen wir auf der Grundlage der klassischen Methode Chemotherapie verordnet hätten, bei denen uns aber der Gentest sagt: „Hey, wartet mal einen Moment! Das ist ein Tumor, der nicht streut. Für den Pathologen sieht er wie ein Wolf aus, aber eigentlich ist er ein Schaf.“ Das Ergebnis der Studie ist: Bei diesen Frauen liegt die Quote derer, die nach der Entfernung des Tumors ohne Chemotherapie nach fünf Jahren krankheitsfrei sind, bei 95 Prozent. Wir haben jetzt also ein Instrument in der Hand, mit dem wir diejenigen Frauen herausfiltern können, die trotz eines Hochrisiko-Tumors keine Chemotherapie brauchen.

Und die Bestrahlungen?
Dieser so genannte Mammaprint-Test kann auch die Zahl der Bestrahlungen reduzieren, weil er uns sagt, wie sich der Tumor innerhalb der Brust verhält. Wir wissen jetzt: Bei Frauen über 50 mit einem kleinen Tumor, den der Gentest als nicht aggressiv in der Brust identifiziert, könnten wir womöglich auf die Bestrahlung verzichten. Denn bei diesen Frauen ist das Risiko, dass der Tumor wiederkommt, extrem gering. Mit Bestrahlung liegt es bei einem Prozent. Wir wissen, dass Bestrahlung das Risiko eines Rezidivs um den Faktor drei verringert. Das heißt: Ohne Bestrahlung liegt das Risiko bei drei Prozent. Da stellt sich die Frage: Wollen wir für diese zwei Prozent Differenz hundert Frauen bestrahlen? Dazu möchte ich demnächst eine weitere Studie machen. Und so können wir behutsame Behandlungsmethoden finden, die das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.

Bei jeder dritten Frau wird die Brust heute immer noch entfernt, also entweder „ausgeräumt“ oder ganz amputiert. Halten Sie diese Zahl für zu hoch?
Leider nein. Bei der so genannten Mastektomie haben wir es mit Krebsformen zu tun, die sich sehr schnell ausbreiten und zudem schlecht auf Chemotherapie reagieren. Auch bestimmte DCIS-Tumore können sich durch das gesamte Milchkanal-System ausgebreitet haben. In solchen Fällen können wir nicht brusterhaltend operieren, weil das Risiko viel zu hoch ist, dass wir Krebszellen zurücklassen. Übrigens sind es nicht selten die Frauen selbst, die die Brust­entfernung wünschen. Sie sagen uns: „Bitte, nehmen Sie mir die Brust ab – ich will diesen Krebs loswerden!“ Allerdings bedeutet die Brust abzunehmen in manchen Fällen nur, dass wir das Gatter schließen, aus dem die Pferde längst ausgebrochen sind.

Was sagen andere Onkologen zu Ihrem Konzept, die  Frauen sanfter zu behandeln? Stoßen Sie da auf Widerstand?
Das kann man wohl sagen (lacht). Es gibt eine Menge Kollegen, die verunsichert sind und sich in ihrem professionellen Selbstverständnis angegriffen fühlen. Sie tun sich schwer, daran zu glauben, dass es in manchen Fällen genauso effektiv sein könnte, weniger zu tun als das, was sie als Standard kennen. Die wissenschaftlichen Gepflogenheiten verlangen dazu eine vergleichende Studie mit mindestens 5.000 Frauen – wie bei der MINDACT-Studie. Ansonsten sagen die Traditionalisten: „An diese Ergebnisse glaube ich nicht!“ Das ist die Kehrseite der evidenzbasierten Wissenschaft. Sie hindert Ärzte manchmal am eigenen Denken. Aber ich bin ein optimistischer Mensch. Ich sehe, dass meine Vorstellungen immer mehr Anhänger finden. Ich kenne mehrere Kliniken, in denen ähnlich gedacht wird. Aber es braucht Zeit. Die Erfahrung zeigt, dass es immer acht bis zehn Jahre braucht, bis sich eine neue ­Behandlungsmethode durchsetzt. Das ist dann die nächste Revolution!

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