HUMOR: Die Tagebücher der Eva Braun:
Dienstagmorgen, der 25. August.
Als erster greift Kollege Wolf von der Chefredaktion BILD zum Telefon. "Habt ihr wirklich die Original-Tagebücher? Von wem habt ihr sie denn auf Echtheit prüfen lassen?" Margitta Hösel zögert. Kollege Wolf startet durch. "Also, wir sind auf jeden Fall interessiert! Wir kaufen euch die Rechte ab, wenn ihr die Tagebücher gedruckt habt."
Während "Bild" schon heiß am Drücker ist, dümpelt "RTL" noch vor sich hin. Zögerlich faxt Redaktionsleiter Rolff von "Explosiv" am Dienstagnachmittag: "Gespannt sehe ich Ihrer Aus gabe 9/92 entgegen und würde mich ggfs. daraufhin noch einmal mit Ihnen in Verbindung setzen."
Nach dem forschen Angebot von "Bild" am 26. August hört EMMA auch bei einigen anderen Verlagen nach, ob "Interesse am Kauf der brisanten Braun-Tagebücher" besteht, "nach denen die Geschichte der deutschen Frauen neu geschrieben werden muss!"
Nun reagiert auch die "Süddeutsche Zeitung". Noch zweifelnd teilt uns Kollege Avernarius von der Nachrichtenredaktion mit: "Ich habe nämlich mit dem Institut für Zeitgeschichte telefoniert und die meinten, Eva Braun habe nur über einen ganz kurzen Zeitraum Tagebücher geschrieben."
Institut für Zeitgeschichte? Eine gewisse Unruhe breitet sich in der EMMA-Redaktion aus ... Die kann uns auch Kollegin Damkowski von "Premiere TV" nicht nehmen, von der wir erfahren, dass die Premiere-Redaktion "ganz gespalten" ist: "Also ich persönlich glaub's nicht. Aber eine Kollegin ist sich ganz sicher."
Sicher? Inzwischen ist es Freitagnachmittag. Seit heute morgen ist die EMMA mit der Titelgeschichte von Eva Brauns Tagebüchern am Kiosk. Da dringt ein leises Kichern aus der Schweiz. Helmut-Maria Glogger, stellvertreten der Chefredakteur vom "Blick" schlägt zurück: "Ich träume davon, Ihnen die 18 intimen Tagebücher über das Sexleben des Helmut Kohl zu verkaufen, unter besonderer Berücksichtigung des Kapitels: Mein Abenteuer mit Maggie Thatcher." Will der Mann uns verarschen?
Auch das Schreiben der "FAZ", das Volker Zastrow mit stramm "frauenfreundlichen Grüßen" zeichnet, will uns nicht so recht gefallen. Er gratuliert uns zu unserer Entdeckung nämlich mit einem "weinenden Auge".
Vollends die Laune verdirbt uns der "Stern", auf dessen brüderlichen Beistand wir gerade in dieser Sache gehofft hatten. Michael Seufert faxt uns mit nicht mehr zu übersehendem Sarkasmus: "Es ist sehr lieb von Ihnen, dass Sie so fürsorglich daran denken, dem "Stern" die von EMMA entdeckten Tagebücher von Eva Braun - nur 18 Bände, die Frau hatte doch wirklich mehr Zeit zum Schreiben! - zum Vorabdruck anzubieten. Da der "Stern" die Geschichte nur alle tausend Jahre einmal umschreibt, wir uns F somit erst im Jahre 9 befinden, wollen wir dies , mal ausnahmsweise anderen den Vortritt lassen."
Die EMMAs gehen in ein beklommenes : Wochenende ... Da kann uns auch der Anruf von Helmut Böger von "Bild am Sonntag" am Mittwoch, den 2. September, nicht mehr trösten. Sicher, der Kollege ist Experte und findet es 'n dolles Ding, dass ihr die Tagebücher aufgetan habt. Die ersten Briefe sind ja bekannt. Die sind ja aus den Tagebüchern, die im Archiv liegen. Aber die übrigen ...
Sensationell!" Böger möchte am liebsten "gleich vorbeikommen". Und fragt fiebernd: "Sind die Tagebücher handgeschrieben? Darf ich sie auch fotografieren?" Klar darf er. Nur über eines stolpert auch Kollege Böger: "Die Stelle, wo Eva Braun nicht aus dem Zimmer kommen darf beim Besuch von Ciano - die kommt mir komisch vor." Was denn das BKA dazu sage, fragt er.
Ja, was sagt das BKA? Bisher nichts.
Aber wir selber fangen langsam an, uns Fragen zu stellen (ganz wie etliche Leserinnen siehe Seite 62). Schließlich will EMMA nicht so ein Desaster erleben wie weiland der "Stern" mit seinen falschen Hitler-Tagebüchern. Eher wollen wir so blendend dastehen wir der "Spiegel", mit seinen echten und historisch sooo bedeutenden Goebbels-Tagebüchern aus der so schön braun eingefärbten "Spiegel"-Titelgeschichte (der wir, wir gestehen, unseren Eva-Braun-Titel nachempfanden). Beunruhigt gehen wir erneut auf Recherche ...
Liebe Leserinnen, wir wollen es kurz machen: Unsere Nachforschungen enthüllen Schreckliches! Sie führen uns in ein heruntergekommenes Fachwerk haus im Bergischen Land, in dessen Keller seit Monaten jede Nacht das Licht brennt (wie eine Nachbarin uns glaubhaft versicherte). Und in der Tat: Da sitzt sie immer noch, die Schurkin! Karin Kabeljau, eine verkrachte Malerin, die im Auftrag dubioser Hintermänner die Tagebücher auf echt getrimmt hat. Nein, noch schlimmer: im Auftrag von Hinterfrauen! Denn als wir Karin Kabeljau in die Zange nehmen, gesteht sie alles jetzt kommt die ganze schreckliche Wahrheit heraus:
Die EMMA-LeserInnen wohlbekannte Fotografin Bettina Flitner und die ebenfalls nicht unbekannte Herausgeberin Alice Schwarzer gestanden, die Tagebücher gefälscht und Kann Kabeljau zum Abschreiben übergeben zu haben. Reuelos murmeln sie was von "Satire auf eine bestimmte Art von Journalismus und eine bestimmte Art von Feminismus..."
Was sie mit letzterem meinen? "Na, das mit der Mittäterschaft und dem stillen Widerstand und so..." Die Fälscherinnen behaupten, Stapel von Braun und Hitler-Büchern studiert zu haben und sind auch noch stolz darauf, dass "alle Fakten und Namen in den Briefen stimmen". Auch der Ton sei "Originalton Eva Braun". Und über die Angebote der Herren von "Bild" haben sich . die beiden auch noch schier totgefreut!
Wir übrigen EMMA-Frauen können über so was nicht lachen. Wir waren und sind entsetzt. Unser Ruf als verbissenes, humorloses Emanzenblatt ist ernsthaft in Gefahr! Die Sache wird Konsequenzen haben. Da werden Köpfe rollen. Wir halten auf dem laufenden.
EMMA Oktober 1992