Ich bin eine Quotenfrau!

Auf dem Titel der Zeitschrift Stern bekannten erfolgreiche Frauen: "Ich bin eine Quotenfrau!"
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Selbst der FAZ schwant: „Deutschland scheint reif für eine Frauenquote zu sein!“ Und auch die Kanzlerin ist „von ganzem Herzen“ dafür. Dennoch droht für manche, zum Beispiel für den Wirtschaftsflügel der CDU, der Untergang des Abendlandes. Das kennen wir schon. Zum Beispiel erinnern wir uns bestens an das große, fast möchte frau sagen: hysterische, Geschrei vieler Herren, als Ursula von der Leyen 2007 die Elternzeit einführte. Die damalige Familienministerin (CDU) hatte es gewagt, der zwölfmonatigen Elternzeit, die in der Regel Mütterzeit sind, zwei „Vätermonate“ hinzuzufügen. Na, da ging fast die (Männer)Welt unter. Stichwort „Wickelvolontariat“.

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Ganz so schrill ist die Debatte diesmal nicht. Es geht ja auch um (noch) weniger, wenn auch nicht um nichts. Nach zähen Verhandlungen hat sich die Große Koalition auf Folgendes geeinigt: Börsennotierte Unternehmen mit mehr als drei Vorständen und paritätischer Mitbestimmung (= über 2.000 MitarbeiterInnen) müssen künftig eine Frau im Vorstand haben. Von diesen Unternehmen gibt es in Deutschland 70.

Eine Frau muss in den Vorstand - egal wie groß er ist. Männer haben "Bestandsschutz"

Also eine Frau. Egal, ob der Vorstand aus vier, sechs oder acht Männern besteht. Diese Männer haben ohnehin „Bestandsschutz“. Die Frau kann demnach erst kommen, wenn einer der Männer ausscheidet. Die Herren müssen sich also keine Sorgen machen. Die Revolution in den Vorstandsetagen ist eigentlich noch nicht mal ein Revolutiönchen. Aber immerhin. Sie hat Symbolwirkung. Und darum geht es hier.

Im Oktober 2020 war eine Frauen-Sturmtruppe aus Politik, Wirtschaft und Unterhaltung auf die Barrikaden gegangen. Sie konnten den Spruch nicht mehr hören, der Frauen entgegenschallt, sobald sie mehr Frauen in Führungspositionen fordern: „Wir würden ja Frauen nehmen, aber sie wollen nicht!“ Unfug, erklärten Frauen wie die Ex-Siemens Vorstandsfrau Janina Kugel oder Ex-Torhüterin Katja Kraus, Mitglied im Aufsichtsrat von Adidas, oder Schauspielerin Maria Furtwängler (die mit Studien ihrer MaLisa-Stiftung schon mehrfach die Männerquote in Filmen und Kinderserien nachgewiesen hatte), Titel ihrer Kampagne: #IchWill.

Ende November legte der Stern nach. 40 Frauen verkündeten demonstrativ: „Ich bin eine Quotenfrau!“ Von der (Noch)CDU-Vorsitzenden und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bis zur grünen Fraktionvorsitzenden Katrin Göring-Eckhardt; von Fußball-Bundestrainerin Martina Voss bis zur Meeresbiologin Antje Boetius, Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts und der „Polarstern“-Expedition; von Regisseurin Emily Atef bis zur Comedian Carolin Kebekus. Alle diese Spitzenfrauen wollen ein Zeichen gegen den unschönen Beigeschmack des Begriffs „Quotenfrau“ setzen. Denn sie wissen auch aus eigener Erfahrung: Ohne Quote geht es nun mal nicht!

„Als Familienministerin hatte ich noch Vertrauen in die Beteuerungen der Konzerne, dass sie freiwillig besser werden und dass sich die hervorragenden Frauen rasch im Wettbewerb durchsetzen“, erinnert sich EU-Präsidentin Ursula von der Leyen, auch eine der Frontfrauen der Stern-Aktion. Die Ministerin wurde rasch eines Besseren belehrt: „Wenn überhaupt, ging es nur millimeterweise voran.“

Ursula von der Leyen: Kein Vertrauen mehr, dass die Konzerne freiwillig besser werden

Auf von der Leyen folgte anno 2009 Kristina Schröder. Die junge Ministerin mit Hang zum Liberalen war nicht bereit, aus der Erfahrung ihrer Vorgängerin zu lernen. Schröder setzte 2011 auf die „Flexi-Quote“: Wenn bis 2013 der Frauenanteil in Aufsichtsräten und Vorständen nicht gestiegen wäre, würde eine „Verpflichtung zur Selbstverpflichtung“ eintreten. Dass der Frauenanteil daraufhin nicht stieg, war keine Überraschung.

Im Jahr 2015 beschloss dann der Bundestag das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“, kurz: FüPoG. Es sah eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte von rund 100 börsennotierten Unternehmen mit paritätischer Mitbestimmung vor. Seitdem ist dort der Frauenanteil in Aufsichtsräten in der Tat um 13 Prozent auf knapp 30 Prozent gestiegen.

Für die Vorstände aber wurden die Unternehmen lediglich verpflichtet, eine Zielquote bis 2022 zu formulieren. Wie hoch diese Quote sein sollte, das wurde den Unternehmen überlassen. Die Zielvorgabe, die sich daraufhin viele Unternehmen gaben, lautete: Null. Die Null stand in so vielen Unternehmensplänen, dass Kanzlerin Merkel die Herren 2019 ob ihrer „Verweigerungshaltung“ rügte.

Im Ausland macht die Männerwirtschaft deutscher Vorstände keine gute Figur

In der Tat macht die Kanzlerin mit der Männerwirtschaft in deutschen Vorstandsetagen im Ausland keine gute Figur. Der Status Quo anno 2020: Von den 160 deutschen Börsenunternehmen hat fast die Hälfte überhaupt keine Frau im Vorstand, und die meisten von ihnen haben erklärtermaßen auch nicht vor, das zu ändern. In den Vorständen der 30 Dax-Konzerne ist knapp jeder achte eine Frau, Tendenz fallend. Von 27 EU-Ländern liegt Deutschland damit fast ganz am Schluss, nämlich auf Platz 24.

Deshalb wurde jetzt die nächste Stufe gezündet, die den Druck auf die frauenfreien Chefetagen leicht erhöht: das „Zweite Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen“, kurz: FüPoG II. Es betrifft, wie gesagt, 70 börsennotierte Unternehmen.

Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) bezeichnet das Gesetz dennoch als „historischen Durchbruch“. Was es im Land der Rabenmütter vielleicht sogar ist. „In keinem strukturell und wirtschaftlich vergleichbaren Land biegen so viele gut ausgebildete Frauen nach der Geburt eines Kindes aufs berufliche Abstellgleis ab wie hierzulande“, konstatiert der Stern.

Am 6. Januar soll das FüPoG II im Bundeskabinett verabschiedet werden. An diesem Tag wird wieder mal ein reines Männergremium Schlagzeilen machen: die „Heiligen Drei Könige“. Die dürften laut Gesetz aber frauenfrei bleiben. Sie sind ja nur zu dritt.

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