In der aktuellen EMMA

Ingrid Kühne: Steigt in die Bütt!

"Frau Kühne" bei einem Auftritt im Kölner Gürzenich. Foto: Niki Siegenbruck/Rote Funken
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"So Mädels, am besten geht’s uns doch, wenn wa von zuhause wech sind, oder?!“ Die Menge grölt. Wenn Ingrid Kühne die Bühne betritt, werden die Frauen im Publikum deutlich hörbarer. Aus vollem Herzen über sich selbst und vor allem über Männer lachen, das können Frauen wohl am besten. 

Und „Frau Kühne“ hat‘s drauf. Ihre Alltagsgeschichten, etwa über Sohn Sven, der am gelben Sack scheitert, oder Ehemann Ralf, der zwar die Spülmaschine, nicht aber die Öffnung findet zum Glas hineinstellen, ja da schmeißen sich die Frauen weg vor Lachen. Diese Männer, so sind sie. „Genauso isses!“ rufen die Frauen der Kabarettistin nach dem Auftritt entgegen, wenn sie ein Bad in der Menge nimmt. 

Ingrid Kühne ist weit und breit die einzige Frau, die es in die Top-Riege der Büttenredner und auf die großen Bühnen des Karnevals im Rheinland geschafft hat – eine absolute Männerbastion. Außer ihr gibt es da sonst meist nur Funkenmariechen. Aus den Fernsehübertragungen, etwa von der „Mädchensitzung Kölle Alaaf“ oder aus dem Kölner Gürzenich ist sie mittlerweile bundesweit bekannt. Sie tritt auch bei der „Ladies Night“ im WDR auf, tourt übers Jahr mit ihrem Programm „Von Liebe allein wird auch keiner satt“ durch Deutschland. „Ich habe mir mein Publikum über die kleinen Bühnen erkämpft“, erzählt die Xantenerin stolz im EMMA-Interview. 

1968 wird Ingrid in Aldekerk, im Kreis Kleve am Niederrhein, geboren. Schon die Mutter war neben dem Hauptberuf „Friseuse“ passionierte Büttenrednerin und nahm die Tochter mit. Ihre Sprüche treffen immer ins Schwarze, aber nie unter die Gürtellinie. Am Ende ihres Auftritts reckt sie die Faust nach oben und ruft: „Frauen, erlaubt euch Stärke!“ 

Ingrid will Vorbild sein: „Ich bin nicht schön. Das Fernsehen präsentiert gern hübsche Frauen. Ich gebe mit mir selbst ein Statement ab!“ Und die Frauen, die wollen Frauen wie Ingrid Kühne sehen. Deren Ehemänner auch. Bei ihrem Kabarett-­Programm ist der Saal meistens „halb und halb“. 

„Es gab schon Veranstalter, die wollten, dass ich mich zur allgemeinen Belustigung in enge oder verrückte Klamotten quetsche. Ich mache mich aber nicht zum Affen“, sagt Ingrid ernst. Ein Ver­anstalter wollte sie auf keinen Fall buchen, Begründung: „Sowas wollen die Leute nicht sehen.“ Als der gleiche Veranstalter sie nach ihrem Karriere­sprung unbedingt buchen wollte, sagte sie ihm kühl ab. „Ich gehe generell nicht zu Leuten, die mir doof kommen, auch wenn es lukrativ und ein großes Publikum wäre.“

Haltung zeigen, das hat sie vor allem durch ihren Sohn Sven gelernt. Der wird mit offenem Rücken geboren. „Wissen Sie, was das heißt?“, fragt der Arzt Ingrid, als sie nach der Geburt benommen aus der Narkose aufwacht und sich wundert, warum weder ihr Kind noch ihr Mann da sind. Beide sind da schon unterwegs in die Uni-Klinik. „Ihr Kind ist querschnittsgelähmt und wird im Rollstuhl sitzen“, sagt der Arzt und geht. „Ich habe zwei Wochen in mein Kissen geweint und dann beschlossen zu kämpfen“, sagt Ingrid. Mit Gutachtern um Pflege­zuschüsse, mit Behörden um einen Platz in der Grundschule, um ein gutes Leben für Sven. „Wer das alles durchgekämpft hat, für den ist das Durchsetzen auf der Bühne Kindergarten!“, resümiert Ingrid. Sven geht es heute gut, er macht eine Ausbildung zum Bürokaufmann, ist glücklich in seinem Job. „Mama, ich bin nicht behindert, ich kann nur nicht laufen“, sagt er, wenn seine Mutter sich Sorgen macht. Er und ihr Mann Ralf, mit dem sie 30 Jahre verheiratet ist („ja, et zieht sich“), werden von ihr zwar ordentlich durch den Kakao gezogen, aber sie sind auch ihre größten Fans und Unterstützer. 

Und dann gibt es da noch eine handfeste Verbindung zu EMMA. Bis 1998 war Ingrid Schriftsetzerin bei der Druckerei Schaffrath in Geldern. Dort wird auch EMMA gedruckt. „Ich war damals Sachbearbeiterin für LKW-Zeitschriften und sehr froh, zwischendurch EMMA lesen zu können“, sagt sie. „Klartext reden, das können wir doch beide gut!“ 

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