„Der Mensch ist ein Herdentier!“
Frau Ministerin, sind Frauen ein Thema in der Wohnungspolitik?
Ja, denn wir kennen die Zahlen: Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer, sie haben geringere Renten. Beides ist gerade bei angespannten Mietmärkten ein großes Problem. Auch in der Stadtentwicklungspolitik wurden Frauen bisher nicht besonders berücksichtigt. Da wurde in anderen Kategorien gedacht: Autofahrer, Fahrradfahrer, Fußgänger. Wir versuchen, den Blick zu weiten. Denn Frauen bewegen sich anders in einer Stadt als Männer, ihre Wege sind eher pingpongartig, weil Frauen immer noch einen großen Teil der Sorgearbeit leisten. Auch beim Thema Obdachlosigkeit gibt es große Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Die Obdachlosigkeit von Frauen ist oft versteckt. Frauen versuchen, bei Bekannten unterzukommen, dabei sind sie häufig in toxischen Situationen gefangen.
Wie unterstützt der Staat denn Frauen, die es auf dem Wohnungsmarkt schwer haben?
Alleinerziehende Mütter, Rentnerinnen, Witwen – egal ob in der Mietwohnung oder im Wohneigentum, können bei zu wenig Einkommen, Wohngeld beantragen. Und wir fördern Genossenschaften. Diese Wohnform bietet besonders Frauen viele Vorteile.
Große Teile des kommunalen Wohnungsbaus, Grund und Boden wurden an global agierende Investoren verkauft. Wieviel Einflussmöglichkeiten haben Bund, Länder und Kommunen auf dem Wohnungsmarkt überhaupt noch?
Zu Beginn der 2010er-Jahre ist man noch von einer schrumpfenden Bevölkerung in Deutschland ausgegangen. Es gab sehr viel Leerstand, vor allem in ländlichen Gebieten. Wohnen wurde nicht mehr als Aufgabe des Staates betrachtet, wie in der Nachkriegszeit, als viele Sozialwohnungen gebaut wurden. Dazu kam eine akute Finanzschwäche der Kommunen, die sich gezwungen sahen, Tafelsilber zu verkaufen. Heute wissen wir, dass damit die Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen für den eigenen Mietmarkt geringer geworden sind. Viele Kommunen fangen jetzt wieder an, selber Wohnungsbaugesellschaften aufzubauen. Der Bund reagiert darauf, indem er bundeseigene Grundstücke preiswerter an die Kommunen gibt. Damit sie Sozialwohnungen bauen können. Oder Wohnheime für Studierende und Auszubildende. Oder Wohnraum schaffen können für Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt schlechte Chancen haben.
Stichwort Einfamilienhaus: Sie finden es „ökonomisch und ökologisch unsinnig“, wenn jede Generation neue Einfamilienhäuser baut. Welche Alternativen zeigen Sie auf?
Ich kann diesen Wunsch nach einem Einfamilienhaus sehr gut verstehen, auch als Mutter von drei Kindern. Aber diese Einfamilienhäuser sind Lebensabschnittsgebäude. Wenn die Kinder ausgezogen sind, leben viele allein oder zu zweit in einem 150-Quadratmeter-Haus. Das ist, gemessen am Flächenbedarf schwierig. Wenn sich jede Generation ihr eigenes Haus baut, ist Deutschland in wenigen Generationen voller Einfamilienhäuser. Früher wurde ein Haus von Generation zu Generation weitergereicht, aber wir wohnen häufig nicht mehr dort, wo die Eltern wohnen.
Das ganze Interview im Dossier "Wie wollen wir wohnen" in der März/April-Ausgabe.