Iran: Gefängnis & Peitsche für Nasrin

Anwältin und Frauenrechtlerin Nasrin Sotoudeh. - Foto: Arash Ashourinia/AFP/Getty Images
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Als EMMA im April 2018 mit ihr sprach, klang sie besorgt aber entschlossen: „Es war niemals ein Fehler, dass ich diese Prozesse geführt habe“, sagte sie. „Egal, wie lange ich im Gefängnis saß, ich habe niemals bereut, was ich getan habe.“ Zwei Monate später, am 18. Juni, wurde die Anwältin Nasrin Sotoudeh verhaftet und in das berüchtigte Evin-Gefängnis geworfen, wo sie seither sitzt.

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Jetzt wurde bekannt, dass das „Revolutionsgericht“ in Teheran die Anwältin in sieben Anklagepunkten für „schuldig“ befunden hat. Ihr drohen bis zu 34 Jahre Gefängnis und 148 Peitschenhiebe. Das Vergehen von Anwältin Sotoudeh? Die Verteidigung von Frauen, die gegen die Zwangsverschleierung protestiert haben.

Gleichzeitig wurde bekannt, dass der als „Reformer“ geltende Staatschef Hassan Rohani den Hardliner Ebrahim Raisi zum Chef des Obersten Gerichtshofes der iranischen Republik ernannt hat. Der Oberste Richter steht noch über dem Justizminister, ihm untersteht die gesamte Justiz. Rohani ist mitverantwortlich für Tausende, wenn nicht Zehntausende Todesurteile gegen politische Oppositionelle. Er entschied persönlich, wer hingerichtet wurde und wer nicht. Die von ihm zum Tode Verurteilten wurden zum Beispiel im Juli und August 1988 im Halbstundentakt an Baukränen erhängt.

Vor Gericht schuldig gesprochen wegen "Propaganda gegen das Regime"

Auch Reza Khandan, der Ehemann von Nasrin Sotoudeh, wurde zu Gefängnis verurteilt, sechs Monate. Noch ist er auf Kaution frei. Die beiden haben zwei minderjährige Kinder.

Die iranische Presse berichtet nicht über den Fall. Khandan informierte jetzt die internationale Öffentlichkeit über den Schuldspruch gegen seine Frau.

Noch hat Nasrin weder den Schuldspruch, noch ein Urteil erhalten. Ihr wurde lediglich mitgeteilt, dass sie u.a. wegen „Propaganda gegen das Regime“, „Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ und „Förderung von Korruption und Prostitution“ schuldig gesprochen worden ist. Am Prozess durften weder sie noch ein Anwalt, eine Anwältin ihrer Wahl teilnehmen.

Die 55-jährige Anwältin verteidigt schon seit Jahrzehnten vor allem Frauen, die sich gegen die Zwangsverschleierung und für ihre Rechte einsetzten. Bereits 2010 war sie zu elf Jahren Gefängnis und Berufsverbot verurteilt worden. Sie wurde jedoch nach drei Jahren überraschend freigelassen und durfte auch wieder ihren Beruf ausüben.

Mit einem Justizchef wie Raisi ist diesmal auf „Milde“ für Nasrin Sotoudeh nicht zu rechnen. Die Welt schaut zu. Und Konvertitinnen bzw. Musliminnen „kämpfen“ in westlichen Demokratien für „das Recht auf Verschleierung“. – Sie würden besser für die elementarsten Menschenrechte ihrer Schwestern in den islamischen Diktaturen kämpfen. 

PS Das Urteil ist gefallen: 33 Jahre Gefängnis und 148 Peitschenhiebe, zusätzlich zu den fünf Jahren, zu denen Nasrin schon 2016 verurteilt wurde. Macht insgesamt 38 Jahre Haft. Nasrin erkennt das Urteil nicht an und ist in Hungerstreik getreten, berichtet ihr Mann. Sie will auf jeden Fall in Berufung gehen. -  Wirklich kann jetzt nur noch internationaler Druck helfen. Vielleicht.

Ein Justizsprecher sprach von sieben Jahre Haft für Sotoudeh aber Reza Khandan widersprach im Gespräch mit der persischen Redaktion der Deutsche Welle dieser Aussage.

Amnesty International hat einen Appell an das iranische Regime lanciert. Jetzt unterschreiben! Jetzt unterschreiben!

Auch auf change.org gibt es eine Petition, in der die Freilassung von Nasrin Sotoudeh gefordert wird.

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Iran: Menschenrechtsanwältin verhaftet

Anwältin und Frauenrechtlerin Nasrin Sotoudeh. Im Film "Taxi Teheran" ist sie die Blumenfrau. - Foto: Arash Ashourinia/AFP/Getty Images
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2009 hatte Nasrin Sotoudeh, 55, die AktivistInnen der „Grünen Bewegung“ vor Gericht verteidigt. Darunter auch Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi.  Dafür ist die Sacharow-Preisträgerin schon 2010 verhaftet worden. Anklage: „Propaganda-Arbeit“ und „Verschwörung zum Schaden der Staatssicherheit“. Das Urteil: Elf Jahre Haft, 20 Jahre Ausreiseverbot und für immer Berufsverbot. Der Fall erregte international Aufsehen. Nach drei Jahren wurde die Mutter zweier Kinder dann überraschend aus dem Evin-Gefängnis entlassen. - EMMA hat die Menschenrechtsanwältin noch vor wenigen Wochen für die aktuelle Ausgabe interviewt. Nachfolgend das Interview.

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Nasrin, wie viele der „Mädchen der Revolutionsstraße“ vertrittst du?
Ich vertrete drei: Narges Hosseini, Shaparak Shajarizadeh und Maryam Shariatmadari. Shaparak und Maryam wurden im Gefängnis geschlagen. Ich habe die Verantwortlichen angezeigt. Aber die Staatsanwaltschaft hat nicht reagiert.

Was wird den Frauen vorgeworfen?
Dass sie andere Menschen mit ihrem propagandistischen Akt dazu ermutig hätten, ebenso zu handeln, was im Iran als „verdorben“ gilt. Das kann bis zehn Jahre Gefängnis nach sich ziehen. Zum Vergleich: Der „Verdorbenheit“ werden im Iran auch Menschen bezichtigt, die ein Bordell eröffnen.

Und wie schützt du dich selbst?
Gar nicht. Ich sehe auch keinen Grund dafür. Wenn die Regierung glaubt, dass meine Aktivitäten für sie gefährlich sind, können sie mich ja festnehmen. Aber solange ich frei bin, ist es meine Aufgabe, dass Menschen zu ihrem gesetzlich festgeschriebenen Recht kommen. Das ist mein Job als Anwältin.

Erfährst du Repressalien bei deiner Arbeit?
Ja. Ich bin bedroht worden. Bis heute kommen ab und zu merkwürdige Leute in mein Büro, die gefährlich wirken. Sie erklären mir dann, dass die Regierung sie schickt, um unsere Kanzlei zu schließen. Sie sagen zu mir: „Du müsstest ja einfach nur deine Arbeit machen, so wie das Gesetz es vorsieht. Mehr nicht!“ Einmal habe ich vor dem Gerichtssaal gewartet, weil ich ein Mädchen verteidigen wollte, das gegen den Kopftuchzwang protestiert hat. Und da höre ich aus dem Saal den Ton eines Fernsehinterviews, das ich selbst via Satellit eine Nacht zuvor gegeben hatte. Ich bin reingestürmt und habe gefragt: „Was soll das?“ Und sie haben geantwortet: „Das ist nichts Wichtiges! Das Gerichtsverfahren hat noch nicht begonnen.“

Erfährst du denn auch Unterstützung?
Ja, sehr viel Liebe und Respekt von meinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und von Menschen weltweit. Das ist mein Halt! Und trotz aller Hürden gibt es im Iran immer mehr junge Anwälte, die das Risiko auf sich nehmen und zu mir kommen. „Ich möchte die Mädchen von der Revolutionstraße verteidigen“, sagen sie.

Wie ist das eigentlich bei deiner eigenen Verhaftung 2010 gelaufen?
Diese Frage kann ich schwer in ein, zwei Sätzen beantworten. Eine Gefängnis-Erfahrung im Iran ist eine sehr spezielle Lebenserfahrung. Manchmal läuft es gut, manchmal ist es mit sehr vielen Problemen verbunden. Ich trage zwei Wünsche in meinem Herzen.
Erstens: Ich möchte nicht in die Falle tappen, mich auf das Niveau des Systems zu begeben, das uns unterdrückt. Wir müssen aber stark sein und uns zur Wehr setzen, und gerade jetzt unsere Hoffnungen und Forderungen offensiv einbringen.
Zweitens: Ich habe mich natürlich auch schon mal gefragt, ob es falsch ist, dass ich Menschen verteidige, die politisch aktiv sind und für Bürgerrechte kämpfen. Und meine Antwort lautet: Niemals! Niemals war es ein Fehler, dass ich diese Prozesse geführt habe! Egal, wie lange ich im Gefängnis saß, ich habe nie bereut, was ich getan habe.

Präsident Rohani verspricht Reformen. Wie schätzt du das ein?
Selbst wenn Rohani Reformen durchsetzen möchte – es wäre mit diesem System nicht möglich. Wir haben ja gesehen, mit wie viel Mühe sie das Atomabkommen durchgesetzt haben. Aber die Revolutionswächter konnten dennoch ungestört an ihrem Raketenprogramm weiterarbeiten. Wie soll sich die Welt da auf uns verlassen können?
Ich als eine Iranerin bin gegen ­alles, was die internationale Zusammenarbeit aufs Spiel setzen könnte. Und ich bin gegen Aufrufe wie „Tod diesem oder jenem Land“. Länder, in denen Millionen Menschen leben. Wenn ich so etwas höre, läuft es mir kalt den Rücken runter.

Glaubst du, dass die Proteste der Frauen diesmal eine Chance auf Erfolg haben?
Das kann man nicht voraussagen. Aber schon jetzt hat alle Welt gesehen, dass hinter der Forderung „Nein zur Zwangsverschleierung“ viele Menschen im Iran stehen. Egal ob Mann oder Frau, alt oder jung, reich oder arm. Wir Iranerinnen haben angesichts des Kopftuchzwangs nie geschwiegen. Wir waren immer aktiv, besonders gegen die Sittenpolizei. Wie häufig waren diese Auseinandersetzungen mit Gewalt verbunden! Und wenn die Frauen verhaftet werden, werden sie als erstes in die berüchtigte Wozara-Strafanstalt gebracht. Und dort werden sie geschlagen.

Und wo sind die Frauen, die du verteidigst, jetzt – und was droht ihnen?
Diese drei Frauen wurden auf Kaution freigelassen. Aber ihnen drohen nach wie vor drakonische Strafen. Bisher ist Narges in erster Instanz zu zwei Jahren Haft ­verurteilt worden. Maryam zu einem Jahr. Dagegen kann man Einspruch erheben. Und ich werde das als Anwältin auch tun! Ich bin mir allerdings nicht ­sicher, ob die Justiz einen fairen Prozess machen wird.

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